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Thema: Loriot (läßt Jaguar fahren)

  1. #1
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    Gestern beim Fernsehen fiel mir wieder ein, daß ich einmal Loriot begegnet bin. Vor ein paar Jahren besuchte ich in Nürnberg eine 'Parsifal-Aufführung'. Ich saß irgendwo im Olymp, und während des doch stellenweise zähen ersten Aufzugs hatte ich Gelegenheit, das Publikum von oben zu betrachten. Im Parkett, nicht ganz vorne, nicht ganz hinten, saß Loriot. Jedenfalls saß da einer, der aussah, wie Loriot.
    In der Pause sah ich mich bestätigt. Loriot hatte im Foyer ein Tischchen reservieren lassen und verspeiste mit seiner Begleiterin Kanapees. Nach der zweiten Pause saß er im übrigen wieder dort und verspeiste abermals Kanapees. Als die Oper zu Ende war, sah ich ihn noch einmal: Er stieg in einen Jaguar und ließ sich und seine Begleiterin davonchauffieren.
    Nie hätte ich ihn beim Speisen angesprochen. Und doch wollte ich wissen, was der bekennende Wagnerianer von der Aufführung gehalten hatte, die mir doch sehr rätselhaft blieb. Er antwortete kurz darauf höflich, daß es ihm gut gefallen habe, er meine Fragen jedoch nicht beantworten könne; dazu sei vielmehr der Regisseur dieser Inszenierung in der Lage, der zufällig sein Nachbar und Freund sei und an den er meinen Brief weitergeleitet habe. Auch dieser antwortete mir kurz darauf, ebenso freundlich wie Loriot. Gibt es ein besseres Beispiel soignierter Höflichkeit als dieses?

  2. #2
    Member Avatar von Heinzel
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    Ach, der gute Loriot...
    Wie schade, dass er keine neuen Sketche oder Filme mehr macht...
    Die Paparazzi-Geschichte find' ich etwas fade...

  3. #3
    Moderator
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    Also ich habs gern gelesen. Ja hab ich.Ein höflicher, aber nicht unverschämter Kleinbericht. Und deshalb hab ichs auch gern gelesen.

  4. #4
    Sir Avatar von yellowshark
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    Genau, so macht das Lesen Freude. Man erinnert sich noch länger gerne daran.
    ------------------
    ys

  5. #5
    Moderator Avatar von DonDahlmann
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    Vor wirklich vielen Jahren wohnte ich Bonn, am Rodderberg, eine Gegend, bewaldet, ruhig, mit kleinen Häuschen, meine Eltern mochten es. Ich drufte dafür immer mit dem Hund raus, über Feldwege, an Walnussbäumen vorbei. Dabie traf ich häufig einen alte Dame. Alte Dame im wahrsten Sinne des Wortes, denn sie war angezogen wie eine alte Gräfin, mir einer Kombintation aus Blazer und Rock und einer feinen Bluse und einem herrschaftlichen Mantel. Sie führte ihre alten Dackel spazieren, zwei an der Zahl, auch wohlerzogenene Tiere, die kaum einen Meter von ihrer Seite wichen.
    Nach zwei Jahren war aus den rituellen Begrüßungen ein freundschaftliches Gespräch geworden, und die alte Dame - sie hieß Frau von Kurnatowsky - lud mich zu einem Tee ein.
    Gut erzogen wie ich war, tauchte ich gerne in dieses Ambiente aus 20er Jahre und verarmten Adel ein. Kaum 13 Jahre alt war ich, und Madame fütterte mich mit Keksen und Sherry. Sie war eine Grand Dame, viel freundlicher als meine einzige noch lebende Grossmutter, mit diesem Esprit der feinen, aber leider untergegangenen Gesellschaft. Jene Damen, die eben noch das alte Kristall der eigenen Großmutter um Schrank haben.
    Ich wunderte mich jedoch nach einer Zeit über die vielen Wum Figuren, Kalender und Bücher, die im Raum verteilt waren. Wum war ja selbst für einen 13jährigen ein wenig aus der Mode.
    Aber die Figuren waren mit solch einer Liebe aufgestellt, das ich mir die Frage nicht verkneifen konnte, ob sie Loriot möge. Sicher, antwortete sie, er sei ihr sehr nahe. Sie behauptete eine Tante von Loiriot zu sein, doch wollte es mir nicht einleuchten, das die Tante eines sehr reichen Mannes in einer kleinen Einliegerwohnung wohnen mußte. Doch, doch, betonte sie, sie habe sehr engen Kontakt zu ihm. Da es kurz vor Weihnachten war, machte sie mir das Angebot, etwas aus der damals schon reichhaltigen Loriot Kollektion zu schenken. Es sei nur ein Anruf, ich solle mich nicht schämen. Ich wünschte mir einen Kalender, allerdings mit Autogramm, weil ich ihr immer noch nicht glaubte.
    Nach Weihnachten besuchte ich sie, und fühlte meine Voruteile bestätigt. Kein Geschenk, nichts von Loriot. Auch die Tage später, als wir uns beim spazierengehen trafen gab es nichts. Ich hakte die Geschichte unter 'Arme verwirrte Frau' ab. Kurz danach hatte ich Geburtstag und diesmal stand die Dame vor unserer Tür und überreichte mir das Geschenk. Tatsächlich war es ein Kalender, tatsächlich von Loriot mit einem kleinen Schreiben, das er leider erst jetzt dazu gekommen sei mir dieses Geschenk zu machen.
    Ein halbes Jahr später verstarb die alte Dame. Aber den Kalender habe ich bis heute.

  6. #6
    Avatar von Lenin
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    Mein Bruder ist ein verheirateter von Bülow und seine Frau - eine geborene - erzählte mal, dass Vico v.B. alias Loriot immer gerne zu den umfänglichen Sippentreffen stieß und dort seine Einlagen ablieferte. Das machte diese Treffen natürlich sehr populär.
    ------------------
    Hab' mich nur umgeschaut, um zu schauen,
    ob sie sich umschaut, um zu schauen,
    ob ich mich umschau'

  7. #7
    Avatar von Die Wucht
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    Don hat sich soeben ein Eckchen in meinem Herz gesichert.

  8. #8
    Hobel Avatar von Ignaz Wrobel
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    Ein netter Strang! Möge er es bleiben.
    Ich muß Frau Maisch rechtgeben, sympathisch und ungekünstelt! Dabei ist es gar nicht ohne, jemandem, den man auch Höflichkeit nicht ansprach, zu schreiben! Übrigens hat ein Freund von mir, der öfter an Schauspieler und (klassische) Musiker schreibt, wenn er begeistert ist, folgende Erfahrung gemacht: Schauspieler antworten fast nie, Musiker (Dirigenten, Sänger, Pianisten, etc.) fast immer! Woran das wohl liegt?
    P.S. Don, auch eine überaus sympathische Geschichte!
    P.P.S. Lenin, in Adelskreisen nimmt man jetzt schon den Namen der Frau an? Besorgniserregend! (wenn auch aus geschlechtlichen Gleichstellungsgründen begrüßenswert) Wird Deutschland jetzt überschwemmt mit v. Bülows? Kann ich ein v.Bülow, geb. Wrobel werden?

  9. #9
    Large Member Avatar von vir
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    Zwei herzerfreuende Geschichten mit Belle Epoque-Nostalgie und erzieherischem Wert obendrein. Ganz besonders gefällt mir 'während des doch stellenweise zähen ersten Aufzugs' - was nun praktisch zu meinem Lieblingseuphemismus geworden ist, denn mir erscheint der Fluss der Zeit überhaupt nie so zäh wie während einer Parsifalaufführung, nie.

  10. #10
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    Da gebe ich Ihnen wirklich recht, und: Chapeau!, denn diese Phrase ist tatsächlich ein noch sehr zaghafter Euphemismus; der Raum wird dort tatsächlich zur Zeit. Komisch nur, daß, wenn gerade dies im ersten Aufzug festgestellt wird, die wohl aufregendste Passage der ganzen Oper folgt.

  11. #11
    Avatar von Lenin
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    @Ignaz
    Die Bülows sind schon stark bürgerlich, da geht das schon. Ich kann Dich ja mal meiner Nichte vorstellen, die ist allerdings erst 14. Mein Bruder hat allerdings für sich selbst die Variante Doppelnamen gewählt (autsch).
    @Don
    Leben am Krater des Vulkans, 'ruhig' auf Zeit.
    ------------------
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