Es gibt drei verschiedene Möglichkeiten, sich in München die Nacht um die Ohren zu schlagen. Man kann sich in das Schwabinger Nightlife stürzen, wenn man einen Parkplatz findet. Alternativ kann man sich auf irgendwelche Münchener V.I.P. Parties schleichen, wenn man einen Parkplatz findet. Oder man kann in Haidhausen einfach nur einen Parkplatz suchen. Damit kann man mehrere Stunden verbringen und sich einreden, dass das Münchener Nachtleben gar nicht so scheiße ist.
Ich kam gerade aus der S-Bahn, dem unerträglichsten Verkehrsmittel Münchens. Nur noch ein par Minuten Fußweg trennten mich von einem warmen Bett. München hatte sich in eisige Kälte gehüllt und ich ging zügig über den entstehenden Weihnachtsmarkt am Weißenburger Platz. Die Straßen waren leergefegt und mit der Kälte war eine angenehme Ruhe eingekehrt. Außer mir war niemand mehr unterwegs.
Ich hatte gerade den Platz überquert, als ein schwarzer Rolls Royce aus der Weißenburger Straße in den Halbkreisverkehr einbiegen wollte. Oder eben nicht wollte. Er bewegte äußerst langsam, tastete sich Millimeter für Millimeter um die Kurve, ängstlich, vorsichtig und alert wie ein wildes Kaninchen, das am frühen Morgen aus seinem Bau kriecht.
Nun ist der Anblick eines Rolls Royce in München nichts sonderlich Aufregendes. Die Stadt ist voll von edlen Karossen – Bentleys, Mercedes SLs und 7er BMWs. Doch normalerweise rauschen diese Fahrzeuge durch die Straßen, über Kreuzungen und durch Menschenmengen, als könnten andere Verkehrsteilnehmer meinen, sie hätten auch ein Recht auf Fortbewegung. Haben sie aber nicht.
Hinter dem Wagen bildete sich langsam ein Stau, wenn man bei einer stehenden Kolonne von drei Fahrzeugen schon von Stau reden kann. Und da mir die Szene äußerst merkwürdig vorkam, versuchte ich, einen Blick in das Innere des noblen Schiffes zu werfen. Das war nicht schwer. Ich musste nur meine Augen in die Richtung des Autos bewegen und durch die Glasscheiben gucken.
Dort sah ich dann zum ersten Man in meinem Leben der echten Rudolph Mooshammer. Er wirkte wie sein Fahrstil – unsicher, umsichtig und unbeholfen. Scheinbar hatte er sich für die dritte Variante des Münchener Nightlifeangebots entschieden und kurvte bestimmt schon seit geraumer Zeit in den kleinen Straßen Haidhausens umher. Ich wunderte mich, dass er den Wagen selbst steuerte und fragte mich, wo denn sein Chauffeur geblieben sei. Hatte er gekündigt und den Modezar einfach im Fond sitzen lassen? Oder war Herr Mooshammer auf dem Weg zu einem geheimen Ort, den nicht einmal sein Chauffeur wissen durfte?
Ich wendete mich ab und ging weiter. Es war bestimmt besser, den Modemogul nicht länger in dieser peinlichen Situation zu beobachten. Die Fahrer hinter ihm lichthupteten ihn an, er war gestresst und schien verzweifelt. Er tat mir leid.
Ich kam gerade an den Pariser Platz, als sich mir Herr Mooshammer noch einmal von hinten näherte, im Rolls Royce, versteht sich, und auf meiner Höhe stehen blieb. Er hatte einen Parkplatz entdeckt, in den selbst ein versierter Fahrer nur mit größter Mühe einen smart hätte abstellen können, den er nun musterte, schätzte und vermutlich verfluchte, wie jeder Autofahrer schon smart-Parkplätze verflucht hat.
Da leuchteten plötzlich zwei rote Lichter auf der anderen Seite des Pariser Platzes auf. Bremsleuchten! Wollte da gar ein anderer Autofahrer eine Lücke für Moosis Fahrzeug räumen?
Moosi hatte das Licht auch gesehen. Und war er vorher so gefahren, als hätte er eine Feder auf das Gaspedal gelegt, trat er es nun mit all seiner Kraft. Der edle Motor heulte auf, die Reifen quietschten und die Nobelkarosse sprang in einem großen Satz los.
Ob er den Parkplatz bekommen hat, kann ich nicht sagen. Mir war kalt und ich wollte schlafen. Ich hoffe es sehr für ihn.
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