Nach einem erfolgreichen Aufenthalt an einer amerikanischen Unversität verbrachte ich die letzten fünf Wochen vor dem Abflug nach Hause in New York City. Meine damalige Freundin kam von dort. Ihr Vater war Anwalt und hatte einen Mandanten, der eine ausgedehnte Europa-Tour machte.
Dieser Mandant besaß eine Wohnung in der 153. (?) Straße, deren Nutzung er dem Vater meiner Freundin für die Zeit seiner Abwesenheit gestattete. Der wiederum gab seiner Tochter und mir sein Vertrauen, und wir durften in diesen fünf Wochen diese Wohnung nutzen.
Das ganze Ambiente war recht edel. Mich Landei faszinierte vor allem der wichtige Portier in säuberlicher Livree, der uns anfangs nach unserer Zugangslegitimation fragte, aber schnell vom rauhen Charme meines New-York-City-Girls überzeugt war. Fortan kam ich auch ohne sie unbefragt und unbeschadet ins Gebäude.
An einem dieser Tage wollten wir ins Weißnichtwas-Museum. Unten angekommen fiel meiner Freundin auf, dass sie ihre Sonnebrille in der Wohnung gelassen habe. Sie ging zurück. Ich wartete beim wichtigen Portier.
Die Türen des Aufzugs schlossen sich hinter meiner Freundin, die Türen des anderen Aufzugs gingen auf. Heraus kam Lou Reed. Gekleidet in Jeans und Lederjacke, ohne Sonnenbrille, einen Kopf kleiner als ich. Ohne Notiz vom wichtigen Portier und mir zu nehmen, verließ er das Gebäude. Beim Portier aber nahm ich eine leichte Verbeugung wahr.
Als meine Freundin kam, erzählte ich ihr sofort von meinem Erlebnis. Voller Verständnis antwortete sie: "Oh, fine."
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