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Thema: Flickenschildt, Elisabeth (tröstet mich)

  1. #1
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    Flickenschildt, Elisabeth (tröstet mich)

    Die Erinnerung an die Begegnung, von der ich berichten möchte, ist etwas verdunkelt. Dies liegt zum einen daran, dass sich diese vor nunmehr fast vier Jahrzehnten ereignet hat. Zum anderen war ich damals erst vier Jahre alt, so dass ich bezüglich einiger Details auf eine Zeitzeugin angewiesen bin, die ich hier "Mutter" nenne.

    Es begab sich also in einem Ort im Schwarzwald, der nicht beleidigt sein sollte, wenn man ihn als Provinz bezeichnet. Dafür hält er ein Superlativ namens "Deutschlands höchstgelegener Rosengarten". Durch diesen tapste ich an Mutters Hand - und wenn ich deren Erzählungen glauben darf, tat ich das heulenderweise, was offenbar zu jener Zeit des öfteren vorkam.

    Unseren Weg kreuzte plötzlich eine ältere Dame in Schwarz, deren Auftauchen meine Mutter mit einem überraschten, ja beinahe fassungslosen "Oh!" kommentierte.
    Ich schrie weiter.
    "Was hat er?", wollte die Dame wissen.
    Meine Mutter zuckte entschuldigend mit den Schultern. "Ich weiß es leider nicht."
    Elisabeth Flickenschildt, die am Abend im (klein)städtischen Theater auftreten sollte, erwies sich privat als ziemliches Gegenteil der Rollen, in denen sie meine Mutter bisher gesehen hatte.
    "Mag er Bonbons?", wollte sie freundlich wissen, was Mutter bejahte.
    Nun wurde ich ins Gespräch mit einbezogen: "Magst du ein Bonbon?", fragte sie nun mich, worauf ich zu weinen aufhörte, geräuschvoll die Nase hochzog und nickte.
    Frau Flickenschildt händigte mir also ein Fruchtbonbon einer Marke aus, nach der sich einige Jahre später ein nicht allzu musikalischer Düsseldorfer Punk benennen sollte.
    Geschmacksrichtung Orange, wie sich die Zeitzeugin zu erinnern glaubte.
    Genau wusste sie es nicht mehr, da das Beweisstück binnen weniger Sekunden verschwunden war.

    Nun entwickelten sich geradezu klassische Sätze.
    Mutter: "Wie sagt man?"
    Flickenschildt: "Ach, lassen Sie nur."
    Mutter: "Wie sagt man?"
    Kind (mit vollem Mund): "Danke."

    Daraufhin tätschelte die Dame meine Wangen, was ja zu den Dingen gehört, die Kinder am wenigsten mögen.
    Doch ich hielt diesmal meine Tränen zurück, was Frau Flickenschildt mit einem weiteren Bonbon belohnte.
    Kirsch.
    "Danke", mampfte ich diesmal ohne Aufforderung, was ein erneutes Tätscheln nach sich zog, ehe sich die freundliche Dame mit einem Nicken in Richtung Mutter verabschiedete und weiter den Rosengarten entlang zog.
    Mutter versuchte mir nun zu erklären, dass das eine berühmte Schauspielerin gewesen sei. Und dass es doch ebenso erstaunlich wie sympathisch sei, dass diese mit Fruchtbonbons in der Tasche herumlaufe.

    Den Sinn der Worte verstand ich damals nicht - es blieb jedoch die Erinnerung an die Bonbons. Über Monate, wenn nicht Jahre hinweg terrorisierte ich meine Mutter bei jedem Einkauf mit dem innigen Wunsch, solche Bonbons haben zu wollen wie die "berühmte Frau".

    Ich denke mit großer Sympathie an Elisabeth Flickenschildt, wenn sie wieder einmal im Fernseher meinen Weg kreuzt. Obwohl sie vermutlich auch ihren kleinen Anteil daran hat, dass meine Waage eine inzwischen dreistellige Kilo-Zahl anzeigt...

  2. #2
    Hühnergott Avatar von Freewheelin_Biller
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    Stand auf der Gottbegnadeten-Liste der Nazis und wurde später oft mit Anneliese Fleyenschmidt ("Was bin ich") verwechselt. Schöne Geschichte.

  3. #3
    Avatar von Die Wucht
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    Das Biller'sche Triviagedächtnis bewundere ich ja schon seit langem heimlich, denn im Unterschied zu ihm muss ich googlen, wie die andere von Verstehen Sie Spaß hieß. Kleines Glück: Dabei eine Uhu-Webcam entdecken, die gleich neben dem Elefantenkäfig installiert ist.
    "Mir läuft ein metaphysischer Schauer über den Rücken."

  4. #4
    Avatar von Klingeltonk
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    Nette Geschichte. Ich habe mir schon mehrfach dieses Interview angeschaut. Elisabeth ist weit vorn beim Zigarettehalten und Nichtnuscheln.

  5. #5

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    Ich war damals schon alt genug, um die Hörzu lesen zu können, und wegen meiner sozialdemokratischen Früherziehung fand ich, dass es nicht okay sein konnte, wenn jemand seine beiden Kühe CDU und CSU taufte. Das ist immer noch das erste, was mir zu Frau Flickenschildt einfällt.

  6. #6

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    Wie Hitler auch mochte ich immer sehr das "Unsterblich duften die Linden" der gottbegnadeten Seidel, Regenballade wahrscheinlich den meisten bekannt ("Es nebelte, es nieselte, es roch nach Schlamm, verfault und naß, es raschelte und rieselte und kroch und sprang im hohen Gras") - riesige Auflagen beim "Wunschkind" u.a., verlegt bis in die späten 80er, WP kennt hauptsächlich "Lichtdom" und den Führerquatsch, Klemperer liest alles von ihr, nicht allein für LTI, mit Begeisterung, stellt sie über Ricarda Huch, Lennacker klingt interessant; hat jemand zufällig mal was von ihr gelesen? Herr Cohn sicher, Bartholmy eventuell, Klingel würde mich interessieren.

  7. #7

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    Lennacker übrigens gerade nur amazon-Rang 1.018.111, irgendwo zwischen Frettsack und "Dialektik der Satire". Aber nicht ganz ohne:

    Gebundene Ausgabe: 650 Seiten
    Verlag: Dt. Verl.-Anst.; Auflage: [Ungekürzte Volksausg.], 213. - 232. Tsd. (1960)

  8. #8
    Avatar von Alberto Balsam
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    ab welchem Alter hört man eigentlich auf, Bonbons zu lutschen, und wann fängt man damit wieder an? Oder lutschen Opas von heute keine Bonbons mehr? Früher waren ja Drops der Marke "Werthers" klassische Seniorenbonbons, mich schauderts, eines Tages das Zeug lutschen zu müssen, noch schlimmer: Eukalyptusbonbons, Rachengold

  9. #9
    Avatar von Klingeltonk
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    Seidel (leider negativ. Das Wunschkind ist aber tatsächlich auf meiner Wunschliste, also Wunschwunschkindliste. Ich wollte es immer mal erwerben, wenn ich es irgendwo unverstunken antiquarisch sehe).

  10. #10
    Avatar von Wheezy Clausini
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    Gerade erst entdeckt. Liegt der Sack echt schon so gut? Wo kann man das kontrollieren?

  11. #11
    Avatar von Alberto Balsam
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    Hier kann man das kontrollieren, Glückwunsch, für 42 Verkäufe den zweitausendsten Platz

  12. #12

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    Ich hab irgendwo noch eine Schallplatte Flickenschildt spricht "Die Fliegen" von Sartre, etwas später, als das Klingelinterview. da ist ihre Stimme recht dunkel und resulut, aber in diesem Luft-Interview, was für eine Schäfchenstimme, so fein, so mit Kreide gefressen gesprochen, toll.

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