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Thema: Streep, Meryl kariert

  1. #1
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    Streep, Meryl kariert

    In der späten Mitte der Siebzigerjahre erhielt mein Vater einen Ruf nach P., einer renommierten Universität an der Ostküste der Vereinigten Staaten. Ich kam eben ans Ende meines Literaturstudiums, als er mir über meine Mutter ausrichten ließ, dass meine Gesellschaft dort ihn sehr froh machen würde. Da ich noch nie in den Staaten gelebt hatte und überdies in eine unglückselige Leidenschaft zu meinem Doktorvater verstrickt war, kam mir dieser väterliche Wunsch wie gerufen. Ich löste mich umgehend aus dem fatalen Dissertationsvorhaben, das eine in dramatischen Liebesgeschichten untergegangene österreichische Dichterin zum Inhalt hatte und folgte meinem Vater nach New Jersey. Diesen Schritt habe ich nie bereut, denn er zog nach sich, dass ich seither über Nachschub an Lieblingslektüre nicht zu klagen habe. Ich hoffe, diese Tatsache hält noch ein paar gute Jahre an.

    In P. angekommen, bekam ich meinen Vater praktisch nie zu Gesicht. Man muss dazu sagen, dass damals die Wissenschaft sowie das soziale Leben dort recht lebendig und kompetitiv waren und, soweit ich höre, heute noch sind. Ich inskribierte mich sofort und stürzte mich in mein eigenes akademisches und sentimentales Leben, dem ich den Professor verdanke, der heute noch an meiner Seite ist, wenn ich auch ebenso wenig von ihm sehe, wie seinerzeit von meinem Vater. So ist nun mal der Lauf der Welt. Wir haben drei exzellente Kinder gemacht, und zwar mit Verve. Das muss wohl reichen. Hin und wieder konversieren wir angeregt im Badezimmer über unsre elektrischen Zahnbürsten hinweg, und er sitzt mir bei meinen Dinners gerne dort, wo ich ihn hintue und macht mir weiter keine Schande. Er liebt, wie mein Vater, seine begabten Studentinnen und sorgt für mich, indem er auch seine gut aussehenden Assistenten ins Haus bringt. Wir haben seit jeher getrennte Schlafzimmer. So kann man ewig verheiratet bleiben und einander gut sein.

    In P. aber begegnete mir ein Inbegriff dessen, was ich seither mit Literatur und Schreiben verbinde, und ich bin glücklich darüber, dass ich die eine oder andre kleine Nähe mit meiner Literaturprofessorin, Joyce Smith und ihrem Mann Ray genießen durfte. Damit komme ich zum eigentlichen Gegenstand der hier anstehenden Paparazzierung, die in einen Winter an der Wende zu den Achtzigern zurückdatiert und in Chinatown stattfand. Der Creative Writing Kurs von Joyce Smith war seit Jahr und Tag mein Lieblingskurs in P. und ich hatte mich zu einer Art kontinentalen Faktotums im Smith’schen Haushalt hinaufgearbeitet. Das war vor allem dem Umstand zu verdanken, dass meine Professorin und ich unsere gegenseitigen Texte schätzten und freudig kommentierten, dass ich Chopin kannte, sowie meiner Bereitschaft, die Marschierwut meiner dünnen Lehrerin in der Gegend um P. zu teilen. Weiters war ich in der Lage, gegebenenfalls das Steuer des Wagens zu übernehmen. Sie war zu der Zeit dabei, eine bemerkenswerte literarische Größe zu werden. Man begegnete ihr allerdings von Seiten der Kritik mit manchem Vorbehalt, da sie so produktiv war (und blieb), dass es das Menschenmögliche schier zu übersteigen schien. Zu meiner Zeit hatte sie bald ihren ersten Bestseller unter ihrem Künstlernamen. Glücklicherweise ist sie bis heute so produktiv geblieben und ich hoffe, sie wird 120 Jahre alt, damit sie mich bin an mein seliges Ende mit Lesestoff versorgt.

    In jenem Winter also fuhren wir nach New York. Ich durfte mit, auch als Fahrerin, falls es einen Schneesturm gäbe und wir uns am Steuer abwechseln müssten, um nicht wahnsinnig zu werden im Blizzardwirbel. Ein Abend in New York war einem Treffen gewidmet, das meine Lehrerin mit einer Schauspielerin vereinbart hatte, für die sie ein Stück schreiben wollte. Zu dem Zweck waren wir in die Wohnung der Freundin der Schauspielerin in Chinatown zum Dinner geladen. Wir, Smith’es und ich, trugen abartig große Brillen, wie es so üblich war in den Siebzigern. Die beiden Gastgeberinnen trugen hingegen Holzfällerhemden. Der Abend entwickelte sich im üblichen Sinne: Joyce Smith geriet in lebhafte und anregende Diskussion mit den Gastgeberinnen, Ray und ich waren auch da. Das Essen war mäßig. Die Schauspielerin war in natura wesentlich weniger schön und ätherisch als auf der Leinwand. Sie trug kein Makeup und ihr langes blondes Haar in der Mitte gescheitelt und mit einem Gummiring lose im Nacken zusammengehalten. Der Haushalt der Freundin erinnerte stark an das Ambiente ihres letzten Erfolgsfilms, Kramer vs. Kramer.

    Meryl Streep gefiel mir lange nicht so gut wie C.D.. Nun gut, ich war ja auch schon wesentlich älter und nicht mehr leicht zu beeindrucken. Als mir aber vor circa 15 Jahren - etwas vor der Zeit von "Brücken am Fluss" - ein Mann in einem Altwiener Café sagte, ich erinnerte ihn an Meryl Streep als Karen Blixen, war ich dann doch sehr geschmeichelt.

  2. #2
    *glitzer* Avatar von Lotta Krach
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    "..ich hoffe, sie wird 120 Jahre alt, damit sie mich bin an mein seliges Ende mit Lesestoff versorgt."

  3. #3
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    Helmut Schmidt am Klavier, Meryl Streep zum Dinner, bald schaut auch der Papst mal herein, bestimmt.
    Aber das nur am Rande, ich finde diese Geschichten allesamt herzlos--perfekt dahingeschrieben zwar--aber immer ohne Wärme, ohne Gefühl.
    Die " angeregten Konversationen im Badezimmer" möchte ich mir nicht vorstellen müssen, da wird mir noch kälter als es ohnehin schon ist.
    Ein durch und durch perfekter Mensch, mit drei " exzellenten Kindern". Schrecklich.

  4. #4
    *glitzer* Avatar von Lotta Krach
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    Schrecklich?
    Vielleicht mal ein neues Internet installieren, Frau Malisch,
    die Norma L.-Geschichten in meinem sind großartig.

  5. #5
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    Wie ich sage: sie sind großartig--und das ein bisschen zu sehr. Großartig.

    Aber da ist ja nun mein dummes Internet schuld dran, hätt ich auch vorher drauf kommen können.

  6. #6

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    Es ist nicht das Internet, es ist der Kopf. Und zwar recht massiv.

  7. #7
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    Stimmen, wenn Ihnen der Kopf schmerzt, so zweifle ich keine Sekunde daran. Gute Besserung.

  8. #8
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    in meinem Internet kann ich auch nicht über einen Mangel an Wärme und Gefühl klagen, die mir über die Geschichten werden.
    Wenngleich Frau Norma eher mit einem Sprühzerstäuber als mit dem Dampfstrahler arbeitet.
    Tatsächlich findet man oben das Rezept für eine langzeitig gut funktionierende Ehe: Sich gegenseitig keine Schande machen und möglichst nicht zu oft und zu nah aufeinanderhängen.
    Das ist nicht herzlos, das ist pragmatisch.

  9. #9
    Avatar von Herr Genista
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    Malisch, redens doch nicht unentwegt so einen aufgeplusterten Bessermenschen-Blödsinn daher.

    Tolle Geschichte, und das obwohl ich mir die Turnpike vorstellen musste beim Lesen, erschwerte Toll-Bedingungen. Entschuldigung, schlechte Wortspiele, die man zudem gar nicht versteht, sind hier wirklich nicht angemessen.
    Zeterum zenseo.

  10. #10
    [Member] Avatar von bangen
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    Die Geschichten von Norma L funktionieren in diesem Forum wie Groschenromane. Oder hat jemand eine andere Erklärung?

  11. #11
    Avatar von Alberto Balsam
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    Der klassische Bangenreflex, immer wenn Genista etwas schreibt, muss Bangen, Achtung, alte Forumssprache, etwas dazusenfen

  12. #12
    Avatar von Alberto Balsam
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    gut auch, dass Bangen sich ziert zu schreiben "ist ein Groschenroman", stattdessen eben "funktioniert wie", dh? Viele Leute kaufen es, obwohl ein Groschen in Deutschland viel mehr wert war als in Österreich? Man versteht manchmal so wenig, und dann stößt man unverhofft auf Numispedia, dass der Groschen ein dicker schwerer Pfennig ist, obwohl er in Österreich ja ein billiges, dünnes Aluplättchen war

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