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Thema: Asserate, Asfa-Wossen

  1. #1
    Camembert Avatar von Edding Kaiser
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    Asserate, Asfa-Wossen

    Ob die Plätze an meinem Speisewagentisch noch frei seien – überaus höflich war diese Frage gestellt worden, sogar mit einem einleitenden »Entschuldigen Sie, mein Herr«, wie es meist nur Menschen benutzen, die ihr Deutsch im Ausland gelernt haben. Ich war vertieft in das sehr gute Buch »Ringe gedengelt kriegen ohne einen Funken zu schlagen« und sah daher nur kurz auf, als auf meine Bejahung hin zwei ältere Herren und eine Dame am Tisch Platz nahmen und sogleich in ein munteres Plaudergemisch aus Deutsch, Englisch und einer mir unbekannten Sprache verfielen. Als sie die Getränkefrage erörterten, zeigte sich der Herr neben mir sehr wählerisch. Er hätte gerne ein Radler, ließ er sein Gegenüber auf Deutsch wissen, ob es hier wohl so etwas gäbe? Und ob das wohl ein bereits als Radler abgefülltes Flaschenprodukt sei, oder vom Kellner per Hand gemischt werde. Und wenn dem so sei: Handelt es sich bei der Limonade um Zitronenlimonade oder um Sprite? Und werde das Bier frisch gezapft oder komme es aus der Flasche? Und welche Sorte gäbe es in der Flasche und welche vom Fass? Und ob er das wohl auch im Format 0,5 l bekommen könne. Neugierig auf diesen Verzettelten, schaute ich von meiner Lektüre des sehr guten Buches von Natascha Pogo und Martin Massig auf und blickte in das provozierend milde Gesicht von Prinz Asfa-Wossen Asserate, der auf eine Weise gut gekleidet und gepflegt neben einem zu sitzen vermag, dass man sich vorkommt wie die evolutionäre Vorstufe zu etwas, was einmal Olm werden will. Ich erinnerte mich, in seinem sehr guten Kochbuch »Panieren« gelesen zu haben, wie er einmal bei einem befreundeten Stammesoberhaupt in Eritrea ein Ei zu essen bekommen hat, das in einem Huhn steckte, welches in einem Lamm steckte, das in einem Kalb steckte, welches in einem Kamel steckte. »Gefülltes Kamel« nannte sich das und das ist ja auch der sinnvollere Name als »Ei im Tiermantel«. »Wer so komplizierte Modularküche gegessen hat, der bestellt natürlich nicht einfach so gedankenlos ein Radler« dachte ich und musste doch lachen, als der Kellner schließlich Asserates Nachfrage mit einem berlinerischen »Radler hamwa nur Becks Lemmen« beantwortete. Das trank der Prinz dann auch umstandslos.
    Geändert von Edding Kaiser (03.10.2008 um 16:23 Uhr)
    Für Inge.

  2. #2

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    Das ist sehr super, aber doch nicht ganz logisch, da die Kellnerantwort den Asseratenfragen ja schon nach einer Frage den Garaus gemacht haben würde. Es sei denn, der Prinz hat seine Fragen in einem selbst von einem Berliner nicht unterbrechbaren Stakkato rausgeschossen, was ich bei seiner Höflichkeit für unwahrscheinlich halte. Oder handelte es sich um eine sadistische Antwortverschleppung?

  3. #3
    Camembert Avatar von Edding Kaiser
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    Nein, um einen Baufehler in der Geschichte. In Wahrheit hat der Prinz die Getränkefrage mit seinem Gegenüber erörtert und dem Kellner schließlich nur die erste Frage gestellt (Flasche oder Eigenbau). Ich fand es so lustiger - habe aber Deine Ausgefuchstheit unterschätzt.
    Für Inge.

  4. #4
    Camembert Avatar von Edding Kaiser
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    Geschichte nach Stimmens Lektorat korrigiert.
    Für Inge.

  5. #5
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    es ist und bleibt aber dennoch eine sehr supere Schilderung einer superen Begebenheit, die zu erleben Tobler zusteht, als erstem Massai der Schweiz.
    Sozusagen.

  6. #6
    Camembert Avatar von Edding Kaiser
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    Es verstößt ein wenig gegen die Forumsrichtlinien, aber dennoch möchte ich Euch wissen lassen, dass ich heute erneut dem Prinzen begegnet bin, diesmal auf dem Hautbahnhof von Berlin. Und ich verfolgte ihn und war zunächst verzückt, als er in einem der gesichtslosen Bahnhofsshops lange vor dem Bier- und also auch Radlersortiment stand; dann aber leider tief enttäuscht, als er schließlich nach Lipton-Green-Ice-Tea griff.
    Dazu dann noch ein lilanes Balisto.
    Damn, es hätte so schön sein können.
    Für Inge.

  7. #7

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    Ich hingegen traf den Prinzen Ende Februar, am Tag des Großen Sturms, im ICE von Erfurt nach Nirgendwo. Der ICE verreckte, Xynthia sei's geklagt, in Eisenach und ich nahm erst einen Mietwagen nach Frankfurt, dann ein Taxi nach Mainz und dann die S-Bahn von Mainz nach Köln. Der Prinz, glaubte ich, bis ich dein Foto sah, säße immer noch im Speisewagen auf dem Eisenacher Hauptbahnhof und warte ungerührt auf die Weiterfahrt.

  8. #8

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    Bitte jetzt keine Wortspiele mit "Speisewagen = Asseratenkammer".

  9. #9
    Moderator_S Avatar von U_Sterblich
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    Er wollte sicher auch Radler, aber die Stimme am Telefon befahl: Lipton-Green-Ice-Tea kaufen!

  10. #10

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    Gerade in Franz Schuhs sehr schönen »Memoiren« einen Satz gelesen, den der Autor Karl Heinz Bohrer zuschreibt: »Gemütlichkeit ist das Gebrüll im Winkel.« (S. 140) Gleich ins Internet, weil man den Satz richtig ablegen will im körpereigenen Aktenstoß, bloß noch mal sicherheitshalber nachprüfen.

    Nur auffindbar ohne den bestimmten Artikel, und auf einmal soll es Toblers Prinz geschrieben haben, mit Erweiterung: »Gemütlichkeit ist Gebrüll im Winkel, ist die mit Herzen vernagelte Aussicht ins Freie.« Hat einer das Buch und kann nachgucken, ob die Webseite da Schindluder treibt und falsch zitiert? Oder treibt der Prinz Schindluder? Erkennt eines der mnemonischen Talente in diesem Schuppen das Bohrer-Zitat wieder?

    Ich will doch nur _einmal_ ein bisschen Ordnung in meinen Ablagen.

  11. #11
    Seniorita Avatar von elinor
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    Ich habe eine seriöse Quelle angezapft, aus der es mir ziemlich vehement entgegentönte, dass das ganz bestimmt nicht von Bohrer stamme. Vor allem der Nebensatz des (zweiten) Zitats: Pures Gefasel! Außerdem würde sich Bohrer niemals so aphoristisch äußern. Es gebe zwar einige Invektiven Bohrers gegen Gemütlichkeit, diese gehörte jedenfalls nicht dazu. Schuhs Zitat-Behauptung erkläre sich aus seiner großen Bohrer-Verehrung, und Asserates Aufzeichnungen stammten übrigens von einem Ghostwriter. (Bekannt für Gefasel.)
    Den Namen des Ghostwriters verrate ich natürlich nicht.

  12. #12

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    Danke, prächtig. Dann lege ich es unter »Schuh« ab. Also nicht das Gefasel, sondern den Aphorismus (erste Hälfte).
    Schuh ist übrigens wirklich toll grad, ähnlich beglückend wie früher mal Barthes, nur ohne den ganzen akademischen Kram und die Selbststilisierung. Das ist nur ein Nachmittagseindruck, aber ich würde sagen, er ist haltbar.

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