Abendessen mit Kunden können anstrengend und langweilig sein, doch an diesem Abend gestaltete es sich eher kurzweilig und unterhaltsam. Vielleicht lag es am Champagner und dem sehr guten Essen? Mein Arbeitgeber hatte zum Essen ins Prunier am Place de la Madeleine in Paris geladen, elegant, understated aber trotzdem fast gemütlich. Die Konversation plätscherte dahin – fast alle Tische waren von Kunden oder Kollegen besetzt, bis auf einen, der reserviert war.
Der Gast, der dann eintraf, wurde im Rollstuhl an diesen Tisch geschoben. Die markante Lakritzbrille, der scheue Blick – kein Zweifel, es war der Meister persönlich – Yves Saint Laurent. Die Konversation im Raum erstarb für einen kurzen Moment – alle starrten, nur um sich dann übertrieben bemüht wieder ihren Gesprächspartnern zuzuwenden, und so zu tun, als sei eben nicht gerade eine lebende Legende in den Raum gekommen.
Yves war in Begleitung eines gut aussehenden jüngeren Herrn, und seines Hundes. Das Personal brachte beflissen einen Napf mit Wasser für den Wau-Wau, und alle Anwesenden wagten nun nur noch verstohlen näher zu beobachten, was denn der Meister ass, trank usw. Mir viel nur auf, dass seine Haare sehr dunkel waren, in seinem Alter höchstwahrscheinlich gefärbt.
Nur eine Anwesende hatte nicht erfasst, wer denn da hinter ihr sass – die Frau eines amerikanischen Kollegen hatte gleich Freundschaft mit dem Hund geschlossen, tätschelte ihn, und redete auf ihn in Klein-kindersprache ein. Yves und Begleitung aßen schnell, und waren schon nach ca einer Stunde wieder verschwunden – und wir klärten die gute Frau auf, wessen Hund sie denn da unterhalten hatte. Sie wurde bleich, einem Infarkt nahe – “YSL – und ich habe doch alle seine Kosmetika in meiner Handtasche!!!” Wahrscheinlich hat Sie sich die Hände bis heute nicht gewaschen…
Zitieren
Lesezeichen