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Thema: Schenk, Otto als Toter Mann

  1. #1
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    Schenk, Otto als Toter Mann

    Seit einigen langen Wochen habe ich eine für mich ganz erstaunliche Gewohnheit angenommen: Ich gehe schwimmen in der Stadt. In einem Schwimmbecken. Wenn mir das jemand vorhergesagt hätte, ich hätte vermutlich eine Wette mit desaströsem Einsatz dagegen gehalten.

    Das Schwimmbecken liegt unweit meiner Wohnung in einem tiefen Keller. Es ist erstaunlich ästhetisch ansprechend, nämlich ohne Schnickschnack, gestaltet und – das gab den Ausschlag für meine Bekehrung – es wird nicht mit Chlor sondern mit Sauerstoff desinfiziert. Ich finde es ein wenig kurz, aber man sagt mir, dass zwanzig Meter beachtlich wären. Ich habe festgestellt, dass mein Schwimmstil sich verkleinert hat, seit ich begann, zwei-, dreimal die Woche dort zu schwimmen. Anfangs brauchte ich seegewohnte 10 Tempi von einem Ende zum andren. Mittlerweile bin ich bei erstaunlichen 15 angelangt. Ich hoffe, ich wage mich dann im Sommer noch auf den See hinaus.

    Ich schwimme immer eine Länge Brust, und retour auf dem Rücken. Wie auf dem See – bäuchlings raus, rücklings zurück. Auf dem See mache ich das wegen der Aussicht. Im Schwimmbad eigentlich auch. Das Ende mit dem Brodelpool, in das ich nie und nimmer einsteigen würde, gefällt mir als Ausblick. Dort sitzen oft honorige Leute verschiedener Altersklassen mit beseeltem Ausdruck im Gesicht. Man sieht also, wenn man so schwimmt, den leicht erhöhten Beckenrand, Gebrodel vom Wasser und drüberschwebend seliges Mondgesicht, oder zwei. Kaum je mehr. Ich schwimme off peak.

    Heute nun, um endlich zur Sache zu kommen, trete ich mit bereits gewohnter Vorfreude durch die Glastür zum Pool und bin entzückt – es ist nur eine Person im Becken. Ein Mann mit einer petrolfarbenen Schwimmbrille. Ein Mann, den ich sofort erkenne, obwohl er den hierorts so genannten „Toten Mann“ gibt. Er liegt mit ausgebreiteten Armen auf dem Rücken, nur sein Gesicht ragt über die Wasseroberfläche. Ohren sind schon unter Wasser. Er macht es wirklich gut. Keine Bewegung. Der Mann ist Otto Schenk.

    Ich vermute, er hat nichts dagegen inkognito den Toten Mann zu machen. Ich fühle, dass ich kein Zeichen des Erkennens abzuliefern brauche. Wir sind beide eher vom meditativen Typ im Wasser, wie es scheint. Ich bin allerdings zirka zehnmal schneller pro Länge. Denn er schindet offenbar Zeit. Toter Mann, Stehen. Ein paar Schritte, bäuchlings Toter Mann. Stehen. Auf die Uhr sehen, kompliziert, wegen der Schwimmbrille. Ein paar Schritte, zwei Tempo Brustschwimmen, Gesicht unter Wasser solange die Luft reicht. Sie reicht lange. Toter Mann. Ein paar Laufschritte mit kleinem Absprung – sieht aus wie Zeitlupe. Alles, was er macht sieht aus wie Zeitlupe. Er mag es. Aber er ist dann nach einem weiteren Brillenauswaschen, Aufdieuhrsehen doch recht flink und behende aus dem Becken. Ich denke daran, dass eine seiner historischen Bühnenfiguren eine Ballerina ist. Diese langsame, bedächtige und irgendwie anmutige Körperbeherrschung hat er auch als Schwimmgenosse.

    Ansonsten, für die, die ihn nicht kennen, ist der Mann eine Wiener Theaterikone. Oft im Witzduett mit Helmuth Lohner. Waren beide Theaterdirektoren in der Josefstadt, Schenk vor Lohner, eventuell mit jemandem dazwischen. Und Otto Schenk hat Opern inszeniert. Auch an der Met. Ein trauriger Mann, langsam. Lebt über den Dächern mit Garten und Sommers am See. Eine – seine - gute Frau schaut auf ihn.

  2. #2
    Avatar von Elli Kny
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    Ich schwimme auch immer eine Länge Brust und eine Rücken, jetzt glaube ich sogar, dass wir im selben Pool schwimmen!
    Wenn das so wäre, dann bin ich mir sicher, dass ich Schenk 3 Stockwerke höher gesehen habe im Turngewand. Dort wirkte er lebendiger. Also wie gesagt, das ist nur eine Mutmaßung, aber ich erwarte eine präzise Aufklärung, wo dieses Ihr Schwimmen stattfindet. Schreiben Sie mir persönlich - ich möchte Sie paparazzen.
    Ypsilanti-Fürstin



  3. #3
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    Ich suche nun seit Jahren eine Aufnahme, die mal im Fernsehen gezeigt wurde, gut und gern 15 jahre her, da sang Otto Schenk Wiener Lieder, es war unglaublich komisch. Wenn ich einen Weg wüßte, wie man an diese Aufzeichnung kommt, das wäre ganz außerordentlich. Haben sie eine Idee, Norma?

  4. #4
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    @fürstin
    hinter der börse. es ist gewiss derselbe pool. sie erkennen mich daran, dass ich immer noch nicht verleugnen kann, dass meine mutter und catherine deneuve die ikonen meiner jungen jahre waren. noch kein botox oder lifting, also ein paar hübsche falten. ich trage einen schwarzen badeanzug, lippenstift und das schulterlange haar offen. keine schwimmbrille. ich bin, wie mir scheint, die einzige, die korksandalen mit keilabsatz trägt.

    @angelika maisch
    ja, ich weiß auch nicht. ich würde es jedenfalls im orf-archiv versuchen. die haben unendliche schätze und behaupten zunächst, dass sie nichts hergeben. tun sie dann aber doch. vielleicht anko vorschicken.

  5. #5
    Avatar von Alberto Balsam
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    Lippenstift und Korksandalen im Schwimmbecken, ich weiss schon warum ich solche Orte meide und lieber in die braune Brühe Donau gehe

  6. #6
    Avatar von Elli Kny
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    Sie Poolrebellin, Frau Norma!
    Ich hingegen trage mein überschulterlanges Haar zu einem Pferdeschwanz gebunden, einen scharz-weißen Badeanzug, rote Sandalen und eine sehr dunkle Schwimmbrille. Da ich mittlerweile sicher bin, dass wir dasselbe Wasser beschwimmen, werde ich künftig Ausschau halten, schon morgen abend werde ich vor Ort sein.
    Ypsilanti-Fürstin



  7. #7
    Member
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    gut, liebe fürstin, auch ich werde nach ihnen ausschau halten. ihre adjustierung scheint mir ja durchaus prägnant. ich bin erst seit gestern wieder in der stadt. man sieht sich - vermutlich demnächst. am samstag vormittag trifft man übrigens mitunter frau sarata in einem blasslila seidenkimono.

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