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Thema: Simonischek, Peter (kniet)

  1. #1
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    Simonischek, Peter (kniet)

    Zur Ertüchtigung meines Stoffwechsels habe ich mir angewöhnt, bei Wetterlage einige verschlungene Runden im Wiener Volksgarten zu gehen. Mit hoher Geschwindigkeit, möchte ich bemerken. Nach zirka zehn Minuten bin ich bereits in Trance, also schon kurz, nachdem ich den Park betreten habe, denn ich verlasse bereits mein Haus in flottem Schritt.

    Wenn sich die halbe Stunde dem Ende zuneigt, was mir die goldenen Zeiger der Turmuhr am Rathaus deutlich vor Augen führen, verlasse ich den Park. Immer dann durch den Ausgang hinter dem Burgtheater, wenn ich noch eine Besorgung zu machen habe, die mein Supermarkt nicht befriedigen kann. Man möchte kaum glauben, dass es so etwas gibt. Aber das gibt es.

    Neulich also passiere ich, wie so oft, die Rückseite der schmucken kleinen Design-Tankstelle hinter dem Burgtheater, wo auch ich – zugegeben zu Apothekerpreisen – zuweilen tanke. Neben dem Edelstahlkiosk, am Rande des Gehsteigs, stecken zwei Männer zirka auf Kniehöhe die Köpfe zusammen. Den einen erkenne ich unschwer als den glatzköpfigen Tankwart, der breitbeinig und in der Leibesmitte abgewinkelt, köpfüber mit der Reifenpumpe hantiert. Der andere beugt sich im hellen Mantel, als wolle er seinem Fahrrad die Referenz erweisen, auffallend elegant auf einem Knie. Sein weißmeliertes langes Haupthaar fällt ein wenig strähnig über sein Gesicht. Aber gerade daran erkenne ich ihn. Hier kniet Julius Cäsar.

    Peter Simonischek rüstet sein Fahrrad auf. Erfüllt von Grandezza, mit der er wohl soeben aus der Probe zum shakespearschen Drama hervorgegangen ist, das wir bald am Burgtheater sehen dürfen, wenn wir wollen (ich will nicht, glaube ich). Das Fahrrad scheint mir aus einer Zeit nach den Römern zu stammen, als der Mime seine volle und beachtliche Körpergröße noch nicht erreicht hatte. Es, das Rad, ein sogenanntes Herrenrad, ist blau und weiß, und ich kann mir kaum vorstellen, dass er nicht mit den Knien am Lenker anstößt, wenn er sich damit in Bewegung setzt. Es ist eines dieser Räder, deren Markenzeichen als kleines buntes Blechwappen um die Lenksäule gebogen und angeschraubt sind. Ich denke an meine eigene Adoleszenz. Meines war dunkelrot und weiß, ein Damenrad natürlich.

    Ich halte nicht inne in meinem raschen Schritt, denn ich mag Peter Simonischek nicht. Der arme Mann kann nichts dafür und ich verstehe es auch nicht. Aber es ist so.

    Er ist groß und fesch. Ja, er sieht doch wirklich gut aus. Und er ist überwiegend freundlich in seinen Presseauftritten. Er weist eine schöne Frau seines Alters auf, die, selber vielversprechende Schauspielerin, natürlich für Mann und Kind zurückgesteckt hat und nun manchmal den Tatort aufputzt oder Gedichte liest. Er ist aus der Steiermark, was man glücklicherweise nicht hört. Er ist seit einiger Zeit Jedermann am Salzburger Domplatz und ich mag ihn nicht. Jetzt redet er auch noch verständig aus dem mittäglichen Sonntagsradio mit seiner angenehmen Stimme. Ich glaube, er sagt gar keinen Blödsinn, aber ich höre nicht hin, sobald ich weiß, dass er es ist. Das ist doch wirklich unglaublich. Ich kenne das nicht von mir.

    Was ist das? Ich fand doch sogar Curd Jürgens, auch ein kleiderschrankartiges Mannsbild, recht ansprechend. Selbst Arnie, dem man die Steiermark maßgeblich anhört, hat meine kleine Sympathie. Vielleicht ist es doch die Frisur? Ein wenig Werbefuzzi. Oder die feine und aufgeklärte Bonhommie, mit der er seine Frau patronized?

    Ach, ist ja egal. Er hat jedenfalls ein Fahrrad und er wird den Cäsar ansprechend geben, wie ja auch den Jedermann. Ich bin wahrscheinlich neidisch auf seine Frisur.

  2. #2
    Seniorita Avatar von elinor
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    Also, ich würde mich gern von Herrn Simonischek patronizen lassen. Ich mag ihn auch, weil er rein äußerlich der Bruder von Michael Ballhaus sein könnte. Aber das ist ja nun wirklich völlig egal. Eigentlich wollte ich sagen, dass das sehr fein und höflich paparazzt ist!

  3. #3
    Nomember Avatar von maki
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    Mir geht es exakt so wie Frau L., und ich glaube auch, es ist die Frisur. Ich kenne den Mann kaum, und was ich von ihm lese, ist gar nicht unintelligent, trotzdem umweht ihn diese penetrant pilcherhaft gegerbte Aura, als sei er ausschliesslich zu dem Zweck hergestellt worden, angejahrte hündchentragende Theaterabonentinnen in Schmachtstarre zu versetzen.

    Was mich am Rande wundert, ist, wie man in dem kaum mehr als handtuchgroßen Volksgarten eine halbe Stunde lang "mit hoher Geschwindigkeit" herumlaufen kann.

  4. #4
    Avatar von slowtiger
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    Das nennt man hohldrehen, glaube ich. Also das schnelle Herumlaufen.

  5. #5
    psychohasi Avatar von Nicki Tuete
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    Auf mich wirkt Herr Simonischek ja immer etwas verwahrlost. Ich kenne zwei Obdachlose, deren Schnittmenge seinem Aussehen sehr nahe kommt, wobei man ihm jedoch, rein theoretisch, Ungewaschenheit nicht unterstellen möchte. Aber konkret hinriechen möchte ich auch nicht.

  6. #6
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    Ich sollte möglicherweise nicht so zugänglich für Randbemerkungen sein. Um dem „Hohldrehen“ im „kaum mehr als handtuchgroßen Wiener Volksgarten“ eine Variante hinzuzufügen, habe ich heute in der Abenddämmerung die andre Richtung eingeschlagen, um meinen Stoffwechsel auf Touren zu bringen. Schon nach wenigen Schritten – ich hatte kaum Tempo drauf, die Beschleunigung lässt fraglos noch zu wünschen übrig – passiere ich ein stadtbekanntes Paar.

    Sie ist eine leuchtendblonde alterslose Operettendiva, die in letzter Zeit deutlich an Umfang verloren hat ohne jedoch in irgendeiner Weise ihre unvergleichliche Operettenhaftigkeit eingebüßt zu haben. Vermutlich liegt es an ihrer jungen späten Liebe zu einem dünnen Marmeladenkönig – Konfitürenbaron, sollte ich vielleicht hinzufügen. Er rext auch Senfgurken ein und scheint eher diesem Segment seiner Produktpalette zuzusprechen. Dieser Mann führt die prächtige Dame an ihrem linken Ellbogen und er wirkt, obwohl er gewiss gleich groß ist wie sie, doch wie der bleiche Schatten Nosferatus neben ihr. Das mag auch davon kommen, dass er sich ein wenig gebeugt und rankenhaft hält und ihr – eigentlich fast hinter ihr gehend, von vorne unten ins Gesicht schaut. Sie hingegen trägt ihren stolzen Busen erhobenen Hauptes vor sich her. Mit jedem Schritt wogt er und sie leuchtet damit den gesamten Prachtboulevard nach vorne, oben und seitlich aus. Ich bin aber doch schnell vorbei und weiß noch: sie trug einen schwarzen Mantel, offen, und einen sicherlich unkorrekten langen Schal, der - weiß und schwarz geflochten - nach feinem Pelz aussah.

    Diese Leute heißen Birgit Sarata und Hans Staud, sie Kammersängerin, er Kommerzialrat. Die Marmeladen und auch das Saure sind in hübsche und zum Auswaschen unpraktische mehreckige Gläser mit schwarzen Deckeln abgefüllt. Kaufen, köstlich. Besonders Wachauer Marillen und Senfgurken, soweit es mich betrifft.

    Meine Schritte lenken mich dann mit stetig wachsender Geschwindigkeit durch allerlei Gassen der Wiener Innenstadt, die auch kaum mehr als handtuchgroß ist. Schließlich komme ich an einen verwunschenen Platz, den Heiligenkreuzer Hof, durch den gewiss auch Mozart et al. schon geschritten sind. Es ist richtig dunkel, im Fenster des Geigenbauers ein Lichtlein, der junge Mond eine liegende Sichel am samtblauen Firmament. Keine Seele außer meiner sichtbar auf dem Platze, immerhin doch ein Fußballfeld groß, würde ich sagen. Ich gelange mutig zum dunklen, flach und breit gewölbten Durchgang zur Schönlaterngasse. Mir naht ein Paar.

    Diesmal ist er größer und fast so breit wie ein Schrank, weißbärtig und prächtig im dunklen, langen Mantel - und diesmal leuchtet er mit seiner Präsenz den Durchgang aus. An der rechten Hand führt er eine schmale Frau, wie ein Mädchen neben sich. Sie trägt einen klassischen Kamelhaarmantel und ein Kopftuch. So ein großes Seidenfoulard, das von Hermès sein könnte, unter dem Kinn lose gebunden. Ihr Anblick versetzt mich zurück in meine Pariser Kindertage, als die Marquise von M., die neben Papa wohnte, damit ihre toupierte 60er Jahre Helmfrisur schützte (so eine trägt übrigens Frau Sarata bis heute). Diese Frau aber hat keine Frisur von Bedeutung unter dem Tuch. Ich bin sicher, sie trägt es zur Tarnung. Nützt nichts. Ich erkenne sie trotzdem, denn noch bevor ich sie sehe, höre ich ihre unverwechselbare Stimme, ein wenig scharf und sehr präzise sagt sie: „…Untherthithl? … aber das gehörth doch so…“ Reinstes Wiener Burgtheater, genetisch geprägt, dynastisch. Christiane Hörbiger sieht mich ein bisschen unsicher an, müsste sie mich kennen? Ich lächle höflich und beruhigend und bin vorbei. Gerhard Tötschinger ragt wie eine Burg. Und ich frage mich, ob der Volksgarten nicht doch besser ist für den Stoffwechsel.
    Geändert von Norma L. (22.03.2007 um 23:04 Uhr)

  7. #7
    Seniorita Avatar von elinor
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    Und das wird jetzt gebläut, Ihr Ignoranten!

  8. #8
    Seniorita Avatar von elinor
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    Oh, fein - das hat ja schon die Nicki eingetütet!

  9. #9
    Avatar von Alberto Balsam
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    Diese Laufrouten sind für mich nicht nachvollziebar, alles verwinkelt und eng und schlüpfriges Pflaster, und die Liebe der Soubrette zum Marmeladenkönig kann nur eine auf Fruchtfliegenbasis sein, denn Staud ist schwul wie die Nacht, die liegende Sichel hab ich eben auch gesehn, sie sieht eher aus wie ein abgeschnittener Fussnagel, in meinen Augen

  10. #10
    Seniorita Avatar von elinor
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    Tja, die einen sagen so, die andern so.

  11. #11
    Kolkrabe Avatar von Doctor Subtilis
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    Das Wort "Soubrettenhaftigkeit" passt nicht. Eine Soubrette verkörpert klassischerweise eine Diensmädchenrolle und zeichnet sich gerade nicht durch üppigen sondern eher durch zierlichen Körperbau aus. Ist auch, wenn ich Wikipedia richtig verstehe, nicht das Stimmfach von Frau Sarata gewesen.

  12. #12
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    Gut, danke, Doctor Subtilis. Dann zurück auf Operettenhaftigkeit, die ich wg. Verdoppelung geopfert hatte.

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