Das unweit entfernte Emsland ist für alle, die nicht von dort kommen, eine Art Vorhölle: Schweine- und Hühnerställe, groß wie Kleinstädte, Bauernhöfe in LPG- Dimensionen, Orte, die aus fünf Häusern bestehen. Auf jedes Haus kommen fünf Marienstatuen, auf jeden Hof fünfzehn. Keine Berge, keine Bäume, nur Wiesen, Felder und Moor. Wenn das Wetter schön ist, ist es diesig, Wenn es normal ist, regnet´s. Wenn es schlecht ist, sieht man vor Regen und Nebel keine einzige Kuh mehr.
Gebürtige Emsländer sind das Resultat katholischer, bäuerlicher Inzucht. Sie können nicht normal reden, nicht normal autofahren, dafür aber alles in sich hineinschütten, was rot, grün oder gelb ist, was klebrig und zuckerhaltig ist – und hochprozentig.
Die Emsländer, in deren Ahnenreihe ein wenig frisches Blut vorkommt, bestreiten all das. Sie mögen ihre Heimat. Wir aber lächeln milde und wissen es besser.
Auch die Macher der Emsland- Tatorte mit Maria Furtwängler kennen diesen Landstrich: Es ist dort immer diesig, und spätestens nach einer halben Stunde kriecht penetranter Güllegeruch aus dem Fernsehapparat. Ich liebe die Emsland – Tatorte.
Gestern abend erfuhr ich nun, dass Maria Furtwängler, die zur Zeit in Osnabrück ist, um hier einen Tatort zu drehen, im „Kultur- und Kommunikationszentrum Lagerhalle e.V.“ ihren Geburtstag feiern wolle. Der Liebste war gebeten worden, für das Lagerhallen- Album Fotos von der Feier zu machen und fragte mich, ob ich Lust hätte, vorbei zu kommen.
Vorort erfuhr ich, dass Frau Furtwängler und ihre Gäste in die drei Häuser entfernte Altstadtkneipe „Zwiebel“ umgezogen seien – die Lagerhalle sei ihr zu verraucht gewesen.
Um die Ecke, im Biergarten der „Zwiebel“ saß Frau Furtwängler mit ca. 25 Gästen. Wir setzten uns an die Theke und hatten die Geburtstagsgesellschaft vor der Tür gut im Blick. Maria Furtwängler rauchte. Eine nach der anderen.
Der Wirt war extrem genervt. Er hatte sich wohl auf einen frühen Feierabend gefreut und fand es gar nicht witzig, abends um elf eine unangemeldete Geburtstagsgesellschaft samt Büffet aufnehmen zu müssen. Ich wollte einen kleinen Scherz machen: „Da hast Du ja Glück, dass Frau Furtwängler nicht im „Tatort“ feiert!“ (Anm.: Es gibt in Osnabrück eine Kneipe namens Tatort). Der Wirt verstand den Witz nicht und wetterte: „Das ist mir scheißegal, der Papst ist auch gerade da, das interessiert mich überhaupt nicht!“ Mein Thekennachbar parierte: „Thomas Gottschalk ist ebenfalls da.“ Natürlich hielten wir diesen Satz für einen unwitzigen Kommentar zur Vervollständigung des demonstrativen „Was interessieren mich irgendwelche Promis – ich will ins Bett“ – Gemecker des Wirts, aber das war er keineswegs: Tatsächlich nahm in diesem Moment Thomas Gottschalk im Biergarten Platz.
Frau Furtwängler kam mehrmals in die Kneipe, schnitt den Geburtstagskuchen an, orderte Getränke, sprach mit dem Wirt. Sie hatte immer eine Kippe in der Hand.
Thomas Gottschalk blieb ungefähr eine Stunde. Als er ging, konnte man sehr deutlich sehen, wie unglaublich alt und verdorrt und zerfurcht sein Gesicht ist. Flankiert wurde er von einem ca. drei Meter fünfzig großen Leibwächter.
Frau Furtwängler hingegen sah keineswegs so aus, als sei sie soeben vierzig Jahre alt geworden. Klein, niedlich, ganz in hellblau und immer mit Zigarette in der Hand, hätte sie eine sehr, sehr gute Figur auf einer Landjugendparty im Emsland gemacht.
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