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Thema: Wennemann, Klaus - Fahndung in Bodennähe

  1. #1
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    Wennemann, Klaus - Fahndung in Bodennähe

    Vor einigen Jahren, es war an den frohen Tagen zwischen Weihnachten und Silvester, versackte ich mit einer Freundin auf dem Hamburger Berg, einer Seitenstraße der Reeperbahn. Wir schenkten uns in einer Bierstube namens Blauer Peter (damals noch ein absoluter Geheimtip unter denen, die das Leben studieren wollten, oder denen, die bereits ihr ganzes Leben studierend verbracht hatten) kräftig ein. Das Ziel war klar: betrunken werden, Sex haben, nachmittags Indianerfilme sehen, Käsekuchen im Bett. Da es zu Weihnachten den ein oder anderen Schein (damals Lübecker genannt) von Oma für ne anständige Jeans oder einen vorzeigbaren Haarschnitt gegeben hatte, saßen die Taler locker. Ich erinnere mich nicht mehr, ob auch zu jener Zeit schon ein Haarschnitt preislich einer Jeans nahe kam oder ob man für die Asche ein ganzes Jahr jeden Tag hätte zum Friesen-Klaus gehen können. Was unsere oder zumindest meine ungehemmte Trinkbereitschaft außerdem förderte, war der ebenfalls in dieser eigentlich besinnlichen Zeit ausgefochtene Krach mit meiner damaligen Freundin (wir trennten uns in viereinhalb Jahren 13 mal offiziell). Jedenfalls hatte sie mich des Feldes verwiesen und ich verbrachte einige Nächte bei meiner ehemaligen Nachbarin, die nicht unweit meiner damaligen Freundin lebte. Auf diese war ich eigentlich angewiesen, denn schlief ich nicht bei ihr, verbrachte ich die Nächte wahlweise zwischen Ziegen- und Kaninchenfellen auf dem Zuschneidetisch im Keller eines ehemaligen Kürschners in der Eidelstädter Ecke oder im nur 25% beruhigten Wasserbett meines damals besten Freundes. Beides keine wirklichen Alternativen zu der lacklila-bestuckten Einzimmerwohnung meiner kleinen Öko-Braut.

    Frau Sommer und ich waren also auf Piste und zogen uns so richtig zu, ein St. Pauli Gedeck nach dem anderen, nur unterbrochen von ein wenig Gezappel zu den unharmonischen Klängen der Pixies, dem Toilettengang oder einem Wodka-Lemon. Zu vorgeschrittener Stunde landeten wir in einem Tanzgeschäft in dem gleichgeschlechtlich gesinnte Damen ihre sündigen Körper aneinanderrieben. Mir wurde nur Einlass gewährt, weil Frau S. die Türsteherin kannte. Warum das so war, hab ich mich in dem Moment nicht gefragt, denn eigentlich war mir diese Neigung von Frau S. stets verborgen geblieben und auch ihr gemeinhin als umtriebig bekannter Körper wies keinerlei Merkmal auf. Männer hatten jedenfalls dort eigentlich keinen Zutritt. Was in dem Laden vor sich ging, kann ich leider nicht wiedergeben, da ich das Treiben im Trockeneisnebel nur schemenhaft erkennen konnte. Egal - wir tankten weiter und irgendwann hatten wir uns aus den Augen verloren. Ich stand ein bißchen fehl am Platz herum, sah Frau S. nicht mehr wieder und beschloß, einen vorläufig letzten Absacker im 'Goldenen Handschuh' zu nehmen.

    Der GH ist eine ehemalige Boxer Pinte, in dem heute wie damals nur die ihre Freizeit verbrachten, die vom Leben nichts mehr zu erwarten hatten, außer vielleicht einer Flasche Hardenberger am Tag. Ich hatte den Laden einige Wochen zuvor zum ersten mal betreten, ich war allein und als ich eintrat, lagen zwei betrunkene Frauen um die 40 in Trainingsanzügen auf dem Boden und versuchten sich gegenseitig blaue Flecken zuzufügen. Da wußte ich, hallo, das ist mein Laden. Ich möchte vorwegnehmen, dass ich im Laufe der Jahre dort viele, wenn auch oft genuschelte Gespräche geführt und sehr nette Menschen kennengelernt habe. Jedenfalls machte ich mich auf den Weg zum besagten Goldenen Handschuh, hielt noch kurz bei Rosies Bar inne, forschte im Anker und im Roschinsky nach Frau S's Verbleiben, traf sie aber nirgends an. Ich verweilte also noch das ein oder andere Holsten im Handschuh, unterhielt mich eine geschlagene Stunde mit einem Damenstrumpfhersteller, der es vorzog im Waidmannskostüm Trinken zu gehen (schlimmer hätte er in den von ihm hergestellten Stoff- und Wirkwaren auch nicht aussehen können) und wollte mich dann gegen 5 Uhr morgens schwer getränkt auf den Heimweg machen.

    Nur wohin? Also flux bei Frau S. zuhause angerufen, aber niemand nahm ab. Ich ging davon aus, dass sich meine Übernachtungsmöglichkeit und damit die Option auf Beischlaf, Winnetou II und Backwerk erledigt hatten. Ich sah Frau Sommer förmlich vor mir, eng umschlungen mit der Türsteherin, auf ihrem Hochbett, auf dem man dank der 4,30 m Deckenhöhe auch im Stehen keinen zumindest materiellen Schaden anrichten konnte. Und irgendwie sah ich mich auch zwischen den beiden ... Aber das wird wohl eine ewige Männerphantasie oder einigen nicht kamerascheuen muskulösen Osteuropäern vorbehalten bleiben. Also beschloß ich nach Finkenwerder, dem direkten Elbvorort zu fahren. Ich hatte noch einen Wohnungsschlüssel des o.g. Wasserbett-Freundes, mit dem ich einige Zeit zusammengewohnt hatte, und erdachte mir dort auszunüchtern. Dazu mußte ich allerdings vom Kiez durch den Elbtunnel jetten, was zu dieser Uhrzeit zumindest mit den öffentlichen Verkehrsmitteln (es fährt die Buslinie 150) nicht möglich war, denn um diese Uhrzeit war das einzige nutzbare öffentliche Verkehrsmittel das unangschlossene Fahrrad des Einlassers vom Kolibri. Als ich mich also in ein Taxi setzen wollte, ernüchterte mich die Tatsache, daß ich ca. 160 DM durch meine oder freundschaftlich gesonnene Kehlen hatte laufen lassen. Im Portemonnaie: nada, nix, niente, kein Geld fürs Taxi, nur die leicht vom Hartgeld angegriffene Naht meiner Mooshammer- (Gott hab ihn selig) Börse. Nachdem ich in meinem Brausebrand vergeblich einige Taxifahrer versucht hatte, davon zu überzeugen, mich umsonst nach hause zu fahren, kam mir eine, wie ich fand, zündende Idee: Bedingt durch die direkte Nähe Finkenwerders zum Hamburger Hafen, gehörte das ehemalige Fischerdorf zum Zollbezirk Hafenrand und die zuständigen Streifen der Polizei fuhren direkt von der Davidswache aus dorthin, um nach dem Rechten zu schauen. Und diese Wache lag verschwommen direkt vor meiner Nase.

    Da dachte ich mir, die Herren in Grün könnten mich doch mal eben rumbringen, wenn sie denn ohnehin in die Richtung fuhren. Diese kleine Gefälligkeit des Mitnehmens hatte ich noch in bester Erinnerung aus meiner Jugend. Kam ich doch aus einem Dorf südlich des Stroms, in dem jeder jeden kannte und es auch für örtliche Polizeioberdienst-Anwärter kein Problem war, ein bekanntes Gesicht nachts während einer Streifenfahrt aufzulesen und vor dem elterlichen Gehöft abzsetzen. Ich betrat also die Wache. Um Mitleid zu erschleichen, erzählte ich, ich wäre bestohlen worden (hicks!). Aber das kam irgendwie nicht an, denn ich war wohl schon der zweihundertdreiundsechzigste mit dieser Erklärung in jener Nacht. Der Herr Polizist empfahl mir sodann, zwei Stunden auf den Bus zu warten und als ich etwas ungehalten wurde, setzte er noch einen drauf und riet mir, dann doch durch den Elbtunnel zu laufen. Wer schon mal durchgefahren ist, ahnt, dass das nicht möglich ist. Trotzdem verabschiedete ich mich mit den Worten: Das mach ich jetzt auch! Ich war keine 10 Meter weit getorkelt, da holte mich der Wachtmeister ein und bat mich zurück in die Wache. Das wäre alles nicht so gemeint gewesen und er hätte einen Tip für mich. Na jetzt sieht er sich Orden, Schulterklappen und die Walther einem Nachfolger übergeben, dachte ich ...

    Folgenden Rat, den er mir wie folgt nahebrachte, hatte er für mich: Für zivile Beamte, die zu Fuß unterwegs sind, wird jeden Tag ein Passwort ausgegeben. Dieses kennen nur die Beamten selbst und alle, aber wirklich alle Hamburger Taxifahrer. Sollte also ein Polizist einmal einen Täter verfolgen müssen, könne er einem Taxifahrer das Codewort nennen und der müsse ihn dann fahren, egal wohin, egal wie weit. In meinem trunkenen Zustand gefiel mir diese Offerte. Ich hatte eh einen schon damals unmodernen Trenchcoat an und beim verlassen der Wache schlug ich den Kragen hoch, steckte mir eine Lucky in den Mund und fühlte mich schlagartig wie irgendwas zwischen Hinkebein Colombo und Breitkreuz Schimanski. Der Code für diesen Tag lautete nach Aussage des Polizisten 'Morgenstund hat Gold im Mund'. Ein bißchen mulmig war mir, aber Drang zur Aqua-Liege schien größer. Also wartete ich drei, vier Taxen ab, bis ich einen nicht ganz so helle aussehenden Fahrer ausgemacht hatte und stürzte aufs Taxi zu, riß die Tür auf und gröhlte: Mooooohhhhoooorgennnnstuuuhhhhund haaaat Goooollllllld immmmmm Muunnnnnd!

    Das der Taxifahrer nur mit 'Alles klar, wo solls hingehen?' antwortete, irritierte mich (noch) nicht. Gerade als ich Anweisung geben wollte, den Wagen vor uns zu verfolgen, fiel mir ein, das dieser von mir als Täterfahrzeug eingestufte ja vielleicht auch in eine ganz andere Richtung fahren könnte. Ich musste also kurzfristig umdisponieren und erfand die Drogenübergabe in Finkenwerder. Dieser war eine über einwöchige Observation vorausgegangen und ich hatte meinen vierten Einsatz vor Ort. Aber heute nacht sollte der Zugriff erfolgen und wie schlecht bezahlt wir Beamten doch wären, setzten wir doch täglich für die Allgemeinheit unser Leben aufs Spiel. Ich selbst hatte bei einem ähnlichen Einsatz einen Kollegen verloren und morgen am Sonntag, meinem einzigen freien Tag, würde ich mich um seine Hinterbliebenen kümmern. Aber heute erst mal Zugriff mit anschließender Sicherstellung der Betäubungsmittel und Sicherheitsverwahrung der Verdächtigen. Aber mehr als ein 'ja ja' war dem Fahrer aber nicht zu entlocken. Irgendwann während der mir endlos erscheinenden Fahrt sagte irgendetwas in mir, dass etwas ganz, ganz schief lief. Der Alkohol entriss mir seine Wirkung und ich startete einen letzten Versuch, in der Hoffnung, das es dieses Codewort wirklich gab. Während wir in meine Zielstraße einbogen, fragte ich, wo er als Fahrer denn für solche Fahrten wie diese, also eine eigentlich als Dienstfahrt zu verbuchende, das Geld herbekommen würde? Musste nicht der Hamburger Senat dafür aufkommen? Das war wohl keine gute Frage, denn er sah mich fragend an. Ich erzählte ihm von dem Passwort, das ja schließlich jeder Fahrer, also auch er, kennen müsse. Es war ihm nicht bekannt. Wenigstens war er verunsichert und er behauptete, er hätte an jenem Morgen später angefangen und er würde sich deshalb nochmal in der Zentrale rückversichern. An seinen verspäteten Dienstbeginn klammerte sich jetzt meine letzte Hoffnung. Und daran, dass dieses ominöse Passwort erst heute morgen in Hamburg eingeführt wurde und ich sozusagen einer der Erstnutzer wäre. Mein Chauffeur erzählte der Zentralendame, er hätte hier einen Fahrgast sitzen, der behauptet er wäre von der Kripo und bevor er die Codewort-Frage fragen konnte antworte die Dame aus der Zentrale kurz und knapp, dann müsse ich mich ja als solcher ausweisen können. Noch nebeliger als in der Mitte meines bunten Abends zuvor hörte ich ihre Worte: 'Ich schicke ne Streife vorbei'...

    Ich war zu platt um wegzurennen, also saßen der Fahrer und ich gute 10 Minuten wortlos nebeneinander, bis der grün-weiße Opel um die Ecke bog. Ohne Sirene, aber immerhin mit Blaulicht. Wankend ausgestiegen, wurde ich von der Obrigkeit per Handschlag begrüßt, wie man eben Kollegen begrüßt. Auch wenn sie nicht auf der gleichen Dienststelle ihren Auftrag verrichteten. Ich erzählte ich den beiden Herren meine Vorgehensweise und während der eine meine Personalien aufnahm, lag der andere sich den Bauch vor lachen haltend auf der Haube seines Einsatzfahrzeuges. Ich erwähnte noch unseren Kollegen auf der Davidswacheund seinen Tip, erntete aber nur böse Blicke. Nach schriftlicher Dokumentation der Begebenheit durfte ich schlafen gehen. Wenigstens das klappte. Als ich am frühen Nachmittag aufwachte, war an Käsekuchen nicht zu denken ...

    Um's jetzt kurz zu machen: die Fahrt habe ich per Überweisung wenige Tage danach beglichen. Jedoch wurde ich einige Monate später schriftlich zu einer Geldstrafe von 1000 DM wegen Erschleichung von Dienstleistungen und Amtsmissbrauch verurteilt.

    Was das Ganze mit Klaus Wennemann zu tun hat? Im Laufe dieser Nacht begegnete er mir im Albers-Eck. Er war allein, sternhagelvoll und krauchte auf dem Boden herum, raffte sich wieder auf, tanzte mit der Meute, die ihn natürlich erkannt hatte und immer dann Faaaaahhhhhnnnder gröhlte und mit dem Finger auf ihn zeigte, wenn Petula Clark aus der Liedermaschine Dooooowwwwnntoooownnn trällerte. Der gute Klaus, wo der jetzt wohl fahndet ...?


    Rabauke, formerly known as Rappeldickevoll

  2. #2
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    Ich glaube, wir haben einen grossen Schriftsteller entdeckt. Was meinst Du, Tex?
    Das Ei läßt sich aus dem Teig nicht mehr entfalten.

  3. #3
    Avatar von Alberto Balsam
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    Und? Was wollen Sie jetzt mit diesem Müll beweisen?

  4. #4
    Avatar von Alberto Balsam
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    Oh, ich hab Aleks´ Frage verpennt.
    Aha, ich weiss was er meint, ich bin etwas langsam, Aleks meint, wir haben es hier mit "ganz großer Literatur" zu tun, war das das was Aleks meint?

  5. #5
    Avatar von Klaus Caesar
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    Tex, in der Wikipedia wirst du als "Erfinder des strike tags in der ironischen Verwendung für etwas nicht Gesagtes" geführt, zweifellos eine grandiose und wichtige Erfindung, aber worum handelt es sich da?

  6. #6
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    Klaus, das ist die Internetversion von "hier sage ich was ganz bloedes", und hinterher behaupte ich, dass ich es gar nicht gesagt habe, und streiche es daher durch. Durchstreichen kann man allerdings in echt gar nicht. Man sieht es dann trotzdem noch und erkennt die augenzwinkernde, selbstdistanzierte Geisteshaltung des Autors. Eine durchweg bescheuerte Angelegenheit, und falls sie Tex erfunden hat, was ich bezweifle, dann.
    Das Ei läßt sich aus dem Teig nicht mehr entfalten.

  7. #7
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    Uebrigens ist der Quatsch da oben wirklich ganz unterhaltsam, nicht von Alberto irre machen lassen.
    Das Ei läßt sich aus dem Teig nicht mehr entfalten.

  8. #8
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    Lieber Herr Balsam, die von mir eingestellte Geschichte ist weder Müll noch grosse Literatur. Es ist einfach nur eine weitere von vielen tausenden Begebenheiten, die zumindest mein Leben bereichern. Ihres offensichtlich nicht, und deshalb möchte ich Ihnen mit den fogenden in der 1874 erschienenen Gazzetta del Spurado von Jaques LaCaque veröffentlichten Worten antworten: Macht gonnix.

  9. #9

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    Jaques LaCaque! Er hat das Codewort gesagt! Mein Adoptivsohn!

  10. #10
    [Member] Avatar von bangen
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    Sicher wird es Menschen geben die den Text unterhaltsam finden. Meinst du das?

  11. #11
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    Vater ...?

  12. #12
    Member Avatar von arbor reloaded
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    geht dich einen Scheiß an
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    moonwalked durch den Strang

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