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Thema: Nam June Paik - zeigt mir Lebendes

  1. #1
    Coincidentia
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    Nam June Paik - zeigt mir Lebendes

    Für Helsinki , aus Anlaß


    Von New York–City konnte ich die Stadtteile aufzählen und wußte, dass es auf dem selben Breitengrad wie Neapel liegt. Es hat mir nicht viel genutzt, denn ich fror nur einmal nach Cooney Island und weiß noch immer nicht zu welchem Bezirk es gehört, und weil es in Neapel im April schön warm ist, hatte ich nur mein dünnes Gestapo-Manterl dabei.
    New York war saukalt und der Dollarkurs 2000 viel zu hoch für einen Pulloverkauf. Im Guggenheim Museum aber, war es warm und windstill. Die Nam June Paik Ausstellung war schon vor ein paar Monaten eröffnet worden, für die Einheimischen ein alter Hut, für Touristen auch nicht sehr prickelnd. Maximal 40 Besucher im gesamten Guggenheim.
    Nam June Paik bepflanzte außer seinen Ausstellungsräumen sämtliche freie Flächen mit Fernsehern zwischen Grünpflanzen. Man sah sein Gesicht lächeln, und es lächelte IMMER, dazwischen Cuts auf Koreanische Märkte, auf Tokioter-Verkehr, und immer wieder echte TV-Pflanzen unter den Kunstpflanzen.
    In den Halbstöcken war die permanente Sammlung oder ein Teil dieser untergebracht, - aber man stolperte aus zwei Jahrhunderten immer in Nam June Paik. Ich sowieso.

    Er saß in seinem Halbsitz-Rollstuhl umgeben von drei kuratierenden Begleiterinnen und deutete als 2-Jähriger, der etwas im Supermarkt haben will, auf eine Säule. Seine Herrenhandtasche baumelte an seinem Handgelenk.
    Ich schaute mir weiter Bilder und Monitore an, bis mir diese Tasche vor die Füße flog, ich zwei Stufen nach unten stolperte und trotz der aufrechten Landung dezent "Scheiße" fluchte. Die Akustik im Guggenheim ist beeindruckend, sie wandelt die Treppen hoch.
    Zuerst entschuldigen sich die Ladies vielmals, dann entschuldigt sich Nam June Paik mit einem "Sorry", - und "Germany?" No Austrian, - und lege ihm seine Handtasche wieder in den Schoß. Er hat trotz seines Gebrechens ein ganzseitiges Lächeln, - aber das fiel mir erst im Nachhinein auf. Sein 100fach bildschirmvertretenes Gesicht habe ich im netten Herrn im Halbsitz-Rollstuhl nicht wiedererkannt.

    Im letzten Stock wurden seine ersten, seine Anfangs-Werke gezeigt. – u.a. Magnete auf 70er-Farb-TV-Geräte, die psychedelische Muster auf den Schirmen erzeugten. An die wirklich hinreißenden Dinge erinnere ich mich nicht mehr, wofür ich mich noch immer abwatschen könnte.
    - Er kam aus einem verbotenen Lift herangeschoben. Erzählte mir, heftig gestikulierend, dass er länger in Deutschland gewesen wäre und die Sprache noch immer verstehe. Aber es wäre eben lange her. Von Österreich kennt er leider nur Ars Electronica und einen der Lab-Science-Künstler. Seine restlichen Begleiterinnnen waren mittlerweile nachgekommen. Es dauerte aber weitere drei Minuten, bis mir klar wurde, wer mir denn gerade die Ausstellung erklärt hatte.

    Er fragte mich, ob er mir etwas wirklich Lebendiges zeigen dürfe. Wir verließen den Raum und kamen zu einem seiner Video-Kunstpflanzen-Dschungel-Installationen. Dort blühte ein einzelner Krokus, bzw. war gerade am Verblühen. „The only real D N A in here“, und grinste.
    Der Krokus stand nicht im Katalog.
    Geändert von Lis (01.02.2006 um 19:53 Uhr)

  2. #2
    Coincidentia
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    Ich würde mir gerne einreden, dass er nur diesem Krokus zuliebe, ganz ohne Ver- oder Finissage in seine Ausstellung gekommen ist. War aber wohl irgendwas Technisches.

  3. #3

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    Vielen Dank, Herlis.
    Das ist ja weit weniger divenhaft, als ich ursprünglich vermutet hatte.

    In Düsseldorf soll er Korrekturen seiner Studenten ja bisweilen in der VIP Lounge des Flughafens abgehalten haben. Ich hätte Ihnen so einiges geglaubt.
    Schön ist übrigens die Geschichte, in der er zufällig zusammen mit Beuys im selben Flugzeug reist, Paik allerdings nur in der Economy Class. Und so fragt er die Stewardess, ob in der Ersten Klasse ein exzentrischer Mann mit Hut sitze. Er läßt sich dann von Beuys zu einem upgrate einladen und sie unterhalten sich über Samuraischwerter und Insulinspritzen. Nun ist er also fast punktgenau 20 Jahre nach dem Niederrheiner verblichen.

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