In meiner Schulklasse war ich der Unsportlichste. Man schimpfte mich abwechselnd eine steife Bohnenstange oder einen schlaffen Schlacks. Jedenfalls gab es kaum eine im Unterricht angekündigte Sportart, die in mir nicht den Wunsch hervorrief, sofort im Boden zu versinken. An den Seilen klettern, Böcke bespringen, den Barren beschlenkern oder mit Medizinbällen rumeiern, aber auch eigentlich harmloses Laufen und Springen – nicht mein Ding. Ich war meist nach dem Warmlaufen schon KO. Ich gehörte deshalb schulzeitlebens zu denen, die im Fußball als letzte gewählt wurden. Hoffnungsloser Fall.
Was die meisten Sportlehrer auch begriffen und kaum Energie an meine sportliche Ausbildung verschwendeten.
Bis Schenk. In der 11. Klasse, man konnte die Sportart mittlerweile wählen, und ich hatte nach dem kleinsten Übel-Prinzip Leichtathletik gewählt, bekamen wir als Sportlehrer Schenk. Schenk war damals ein Prominenter. Ein für einige erfolgreiche Sportler verantwortlicher Trainer. Es reichte für einen Auftritt im Sportstudio, für Erwähnungen in Presse und Rundfunk. Er war Trainer von Wolfermann gewesen, dem Speerwurf-Olympiasieger in München und späteren Weltrekordhalter. Und während wir uns wöchentlich auf dem einen Platz warmhechelten, ließ Schenk auf dem anderen Tafelmeier den Speer auspacken. Den Tafelmeier hatte er entdeckt und zum Weltrekord trainiert.
Und Schenk zeigte uns Ahnungslosen natürlich auch, wie man einen Speer befördert.
Der Mann muss in einer Sekunde erkannt haben, dass es hoffnungslos war bei mir. Trotzdem mühte er sich, korrigierte, machte Schrittfolgen vor, zog den Arm am Körper mit und ohne Speer, mit Wurf und ohne, Speerwurf als Speerwurf und als Luftgitarre. Er tat das damals schon mehr als 25 Jahre lang, millionenmal diesen Bewegungsablauf, wahrscheinlich öfter als irgendjemand sonst. Der Mann war Speer. Und ich kopierte das so gut es ging. Am Ende hat es aber doch nicht gereicht für den Weltrekord.
(Hans Schenk ist vorgestern gestorben)
Lesezeichen