Einer lieben Gewohnheit folgend treffe ich mich bei jedem Hamburg-Besuch mit Hamburger Freunden zum Fünfuhrtee in der sog. Wohnhalle des Vier Jahreszeiten. Man wird angenehm in Ruhe gelassen, keine Anastacia knödelt einem ins Ohr wie in diesen neumodisch-abstoßenden To-Go-Cafés. Stattdessen sitzt man in feisten Sesseln, hört begleitende Klaviermusik und vergisst mal kurz sein Kontosoll. Zum Promigucken in HH ist die Wohnhalle prädestiniert, Frauke Ludowig beispielsweise ist ungeschminkt alienesk und mürrisch, das aber nur nebenbei.
So hätte es auch vor ca. 2 Jahren ein weiterer angenehm ereignisloser Nachmittagstee werden können, wären mein Begleiter und ich nicht schon nach der teppichgedämpften Drehtür von einem freundlich-diensteifrigen Portier abgefangen worden: „Möchten Sie auch zur Autogrammstunde mit Marie-Luise Marjan?“ Während ich zum Antworten zu perplex war, schnellte mein Freund pfeilschnell und quasi in einer self-fulfilling prophecy zurück „O Gott, bloß nicht!“ Wir wogen uns in Sicherheit, denn die Autogrammstunde der Mutter der TV-Nation sollte in einem anderen Gebäudeteil vonstatten gehen.
Auftritt La Beimähr.
Man soll ja niemals von der Lindenstraßenrolle auf die wahre Persönlichkeit der Schauspieler in real life schließen (bestes Positivbeispiel: Franz Rampelmann als Olaf Kling), aaaber:
Mit einem riesigem Foulard pseudolasziv über die Schultern drapiert stampft sie zu einer freien Couch. Hinterdrein tappert mißmutig der zur Divenhuldigung angeheuerte Photograph. Man erwartet ein paar Schnappschüsse und baldige Ruhe. Noch ist man beinahe vorurteilsfrei, als sie in höchster Phonstärke in die ehedem dezent-stille Wohnhalle ramentert: „Soll ich mich SO hier über die Lehne beugen? Oder der Länge nach auf das Chaiselongue? Wie triffst Du mich am besten?“.
Und tat‘s ohne Aufforderung Dritter, auch weil es ihr ES befahl, warf sich halb gebeugt, halb gekniet, auf ein bemitleidenswertes Sitzmöbel, gab sich also als Mischung aus wannabe-GanzDame und Blauer Engel der Fleischerinnung.
Sind die Ruf-mich-an-Spots vor allem wegen der gezwungen-wollüstigen Aura schon von „normalen“ Laienstöhnerinnen unerträglich, wird bei Marjan klar: so viel Zwangs(n)e(u)rotik des Alters bei gleichzeitiger bräsiger Selbstüberhöhung war selten.
So folgte auch die Strafe auf dem Fuße, derartige Nonchalance hätte ich den sonstigen Gästen gar nicht zugetraut: Wirklich niemand schaute hin, ihre um Aufmerksamkeit bettelnden Blicke über alle Louis-Seize-Tische schossen ins Leere.
In der Erwartung, dass sich Frau Marjan von diesem Trauma rasch genas, bleib‘ ich doch ganz Menschenfreund und wünsche trotzdem nicht, dass Sie irgendwann zur Letztverwertung in den RTL-Dschungel muss wie Lisa Fitz oder der Gurkenkönig.
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