Ich war noch sehr klein in dieser Samstagsabendwelt. Beim Fernsehgucken konnte ich noch unter dem Wohnzimmertisch liegen. Der Tisch hatte eine herausziehbare Kurbel zum Höherdrehen, das war damals modern. Zum Kaffeetrinken kurbelte man den Tisch einfach hoch und abends wieder herunter.
Bei der Erstausstrahlung von Raumschiff Enterprise im Mai 1972 wählte man die Episode mit einer Zeitreise. Das war gewiß ein guter Start und man hatte noch einen Bezug zur vertrauten Gegenwart. In dieser Folge „Heute war gestern“ gerät die Enterprise in einen Ionensturm und wird durch die Zeit in die Vergangenheit geschleudert, in unsere Gegenwart. Die Streitkräfte schicken einen Abfangjäger, und in höchster Not läßt Kirk den Piloten an Bord beamen.
Ich lag unter dem Tisch und sah die kleine Samstagabendwelt. Charterboote, Tierpfleger, und jetzt gab es Weltraum und Raumschiffe, das kannte ich noch überhaupt nicht, und das war interessanter. Nach einigen Folgen kannte sich mein Bruder schon so gut aus, daß er am Anfang immer zum Fernseher lief und den Finger auf jenen weißen Punkt legte, aus dem die Enterprise dann dem Bildschirm entgegenfliegt. Dafür war ich noch zu klein, und ich verstand auch nicht, was eine Sternzeit war.
Zunächst will Kirk verhindern, daß der Pilot in die Gegenwart zurückkehrt, weil er an Bord der Enterprise zu viel über die Zukunft erfahren hat. Außerdem müssen unbedingt Kameraaufnahmen, auf denen die Enterprise zu sehen ist, vom Luftwaffenstützpunkt entfernt werden. Mit Beamen und einigen Verwirrungen gelingt das schließlich. Jetzt stellt Spock aber plötzlich fest, daß der Pilot doch wieder zurückgeschickt werden muß, denn sein Sohn wird die erste Saturn-Expedition leiten.
Raumschiff Enterprise hatte eine ungeheure Wirkung. Es war Pflicht. In der Großen Pause erzählten wir uns gegenseitig die letzte Folge, obwohl es doch jeder gesehen hatte. Vorher hatte es nichts aus der großen Welt, aus der Welt da draußen, auf unsere Pausenhöfe geschafft. Jetzt gab es Beamen, und Faser, und Sol 8. Man war dabei, wenn man das alles wußte. Am Samstagabend lag ich unter den Wohnzimmertisch und suchte den Punkt, aus dem die Enterprise entgegenfliegt.
Um den Verhängnis zu entgehen, daß die Zukunft kollabiert, weil die Vergangenheit verändert wurde, gibt es nur eine Lösung: der Pilot muß zurückgebeamt werden, zu einem Punkt, bevor er die Enterprise entdeckte. Dann wird er sich an nichts erinnern, weil es nichts gibt, an das er sich erinnern könnte. Scotty findet die Lösung, eine extreme Beschleunigung durch das Kraftfeld der Sonne.
Recht schnell wußten wir gut Bescheid. Wenn ein unbekannter Schauspieler auf den unbekannten Planeten mit heruntergebeamt wurde, dann war er spätestens 10 Minuten später tot. Pille war immer auf Spock sauer, weil der so logisch war. Ich wußte erst gar nicht, was „logisch“ überhaupt bedeutete, aber dann gab es auf dem Pausenhof oder in der Schule auch Dinge, die logisch waren. Und die Momente, in denen man sich so gern woanders hinbeamen wollte.
Das Manöver gelingt: der Pilot landet wieder in seiner Maschine, die Enterprise verschwindet wieder in der Zukunft und diese Zukunft ist gerettet. Die Folge lief gestern, fast zum 30jährigen Jubiläum, auf Kabel 1. Es gibt keinen Wohnzimmertisch mehr. Nur das Beamen funktioniert immer noch, manchmal, jetzt.
Nachtrag:
Morgen ist auch noch mal gestern: Dienstag, 4.6., Kabel 1, um 5.50h morgens. Das Kabel-Logo sieht ein bißchen wie der Saturn aus, wenn man die Augen zusammenkneift.
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