Am letzten Urlaubstag machen wir einen Ausflug nach Nürnberg. Mein Sohn nervt mich bereits seit Tagen, er wolle dahin. Der einzige Grund: Nürnberg hat eine Fußball-Bundesligamannschaft. Die Ausflüge nach Dinkelsbühl, Ansbach und Rothenburg hat er mit interessierter Gleichmut ertragen, doch wichtig für ihn ist eine Stadt mit Bundesligamannschaft.
Im herbstlichen Sonnenschein flanieren wir durch Nürnberg, am Markt entlang und ersteigen die Burg. Dann führt unser Weg zum Albrecht-Dürer-Haus. Vorher aber genehmigen wir uns die berühmten Rostbratwürste.
Auf dem Weg zurück zum Auto wollen wir noch Bier trinkend die letzten Sonnenstrahlen genießen. Aber das wollen hunderte andere Menschen auch, und so finden wir nirgendwo einen Vierertisch. Mir fällt ein, dass mir gegenüber vom Ausgang des Parkhauses ein Brauhaus mit Außengastronomie aufgefallen ist. Da wird bestimmt nicht so viel los sein, vermute ich. Also nichts wie hin.
Das Brauhaus liegt am Anfang der Knorrstraße. Wir haben doppeltes Glück: dort ist kaum was los, und die Sonne bescheint die Tische. Ich nehme an einem Tisch Platz, von dem aus mein Blick auf einen Laden geht, der gebrauchte CDs und Bücher verkauft, auf Wunsch kilopreisig. Das Schaufenster zeigt gut erhaltene Bildbände über Astronomie und Erdkunde. Ich trinke an meinem Landbier und finde es leicht plörrig. Auf der anderen Straßenseite befindet sich ein Lagerverkauf für Fruchtgummierzeugnisse. Den möchten meine Kinder besuchen und dort ihr Geld lassen. Ich höre nur mit halbem Ohr zu.
Aus meiner Versunkenheit werde ich herausgeholt, als zwei große BMW-Limousinen, auf deren Dach sich je eine Miniaturausgabe eines Blaulichts befindet, anrauschen. Sie halten, beide hintereinander, mir gegenüber im absoluten Halteverbot. Aus beiden Wagen steigen drei Herren aus. Alle edel gekleidet. Einer zusätzlich mit edler Perücke, die seinen optischen Intelligenzquotienten leider beeinträchtigt. Das heißt: er sieht nicht nur doof aus, sondern er sieht aus, als ob er doof wäre. (Er erinnert mich kurz an meinen sehr belesenen Kollegen, der im Winter immer mit Pelzmütze mit herunterklappbaren Ohrenteilen, die dann auch noch mit Bändel unter dem Kinn miteinander verknotet sind. Der sieht dann auch sehr doof aus). Die Herren schauen sich kurz und auffällig um. Einer hat einen Knopf im Ohr. Aha. Es wird wichtig!
Aus dem ersten Wagen steigt ein Mann, den ich vom Fernsehen her kenne, aus Sendungen, die ich eigentlich nicht sehe. Unterm Arm trägt er eine dünne Aktenmappe. Will der CDs kaufen? Oder Bildbände im Kilopreis abstauben? Wie heißt der noch gleich? Beck? Beckmann? Ist das der Kultusminister? Würde vielleicht zu den Bildbänden passen. Wenn die Deutschen schon nicht mehr lesen können, sollen sie wenigstens Bildchen kucken. „Nee, das ist die Hohlmeier“,korrigiert mich meine Frau. Beck oder Beckmann will die Straße überqueren. Aber alle fahren schnell an ihm vorbei und lassen ihn nicht rüber. Vielleicht erkennen sie nicht, dass es Beck oder Beckmann ist. Oder vielleicht gerade deshalb lassen sie ihn nicht rüber. „Beckstein“, meint dann meine Frau. Da geht er auch schon über die Straße. Diagonal. Kann also nicht Kultusminister sein. Denn schon in der Grundschule lernt man, dass man die Straße im kürzesten Weg zu überqueren habe. Jetzt weiß ich´s: Innenminister! Der bayerische! Er verschwindet im CD- und Kilopreis-Haus, Seiteneingang. Ich blicke am Haus hoch. CSU steht an der Wand in dicken, schwarzen Lettern.
Auf der Rückfahrt haben meine Frau und ich noch lange überlegt, wie eigentlich „unserer“, also der Innenminister von NRW heißt. Und wie der wohl aussehen mag?
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