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Thema: Werup, Mick (Shizo, Sannyasin und hamburgpatriotisch)

  1. #13
    Avatar von Arthur Schlupfloch
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    Das eine schließt das andere nicht aus.

  2. #14
    Restaurator Avatar von Jeremy
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    [urspr. Posting #1, MC Hausmacherleberwurscht]

    Werup, Mick (Shizo, Sannyasin und hamburgpatriotisch)

    Karolina hatte das schwarz-weiße Portrait von Klaus Kinski in einen schmucken Bilderrahmen eingelassen und es neben den Haufen gebrauchter Kleidung, den alten Backofen, die vielen ausgelatschten Schuhe und dem ausgemusterten Modeschmuck auf die Ecke des Tapeziertisches drapiert, gleichsam als Blickfang und Warnung für Menschen, die selbst gebrauchten Schrott auf Flohmärkten klauen. Kinski wachte mit seinen tellergroßen, tiefseetiefen Augen über unseren Flohmarktstand und gab dem Nachmittag vor der Schlachthofhalle im Karolinenviertel einen irren Charme.

    Ich machte überraschend gute Geschäfte mit Überseekoffern, 12-saitigen Gitarren und Fahrrädern. Scheiße zu Sahne rühren, dachte ich fortwährend beim Blick in die in 50-Euro-Schritten anschwellende Flohmarktkasse. Je weniger ich feilzubieten hatte, desto weiter nach vorne arbeitete sich die alte Hamburg-Flagge aus Polyesther auf dem Tisch. Schließlich hing sie vorne über und zusammen mit dem Kinski-Portrait sah das jetzt so aus, als seien wir das Kommando Kinski und suchten Unterstützer für die Gründung einer Partei des lauteren Wahnsinns, der Ekstase und zügellosen, freien Liebe. Schon von weitem schien dies den Kahlkopf in seinem weiten, weißen Leinenanzug anzuziehen.

    Baghwan, eingearbeitet in ein Amulett, an einer Holz-Perlenkette um den Hals. Der Sannyasin griente ein seeliges Osho-Lächeln, während er einen Schwarzwaldklinik-Gedächtnisteller, eines unserer Bad-taste-Prunkstücke, in den Händen drehte. In seinem hageren Kopf funkelten huskieblaue Augen mitteilungsbedürftig. "Kultobjekt, wie?" sagte der Sannyasin. Als ich vorschlug, er könne sich ja den Teller statt des Osho um den Hals hängen, ich würde ihm einen Special-price machen, da nickte er nur lächelnd. "Da wickel ich mich lieber in die Hamburg-Flagge", sprach der Stricktaschenträger und begann an der polyesthergewordenen Patriotismus-Bekundung an unserem Tisch zu nesteln. Dann fiel sein Blick auf Kinski. "Ach, der Klaus", tat er so, als ob er damals in Poona zusammen mit ihm den kompletten Ashram wund gepoppt hatte. Ja, das sei der Klaus, bestätigte ich ihm und dass er den auch für Special-Price haben könne. "Nein, nein, ich bin ja auch Klaus, da brauch ich sein Bild nicht."

    Hä? Eine Türkin ohne Zähne kaufte mir gerade einen Tischbackofen für verschissene vier Euro ab und ich hatte wirklich keine Lust, mit dem Sannyasin auf die Shizo-Tour zu gehen. Doch er wollte seinen Spruch aufsagen. Also ließen wir ihn erzählen. "Bei nem Casting letztens - die Serie kennt ihr sicher, habt ihr bestimmt schon gesehen, heißt ,Balko', so'n Action-Serial (wir kannten die Serie nicht) - da sprach ich vor und der Regieseur war crazy drauf und wollte mich irgendwie einbauen, obwohl er keine Rolle mehr offen hatte. Meine Augen hatten es ihm angetan. Und dann kam dieser Kameramann und versaute mir die Tour. Das ist der Kinski, wie er leibt und lebt, sagte er. Der ist zu markant. Wir brauchen Mainstream-Fressen für die Nebenrollen. Ja, da war ich raus, obwohl ich gerade ein Schaupiel-Training in New York hinter mir hatte."

    Wer ist dieser Sponk? Tatsächlich, ja, er hatte was von Kinski, aber nur, weil er abgemagert, ausgeschissen, vom Leben enttäuscht, ungevögelt und vor allem komplett durchgeknallt wirkte. "Hamburg-Flagge: Machen wir drei Euro, ok?" versuchte ich ihn loszuwerden. Aus einem Lederbeutel kramte er tatsächlich die drei Euro hervor. "Nicht leicht, in diesen Tagen, als Charakterdarsteller. Was macht ihr denn so, außer Flohmarkt?" Ich drückte ihm die Flagge in die Hand. "Hamburg-Flaggen!" sagte ich.

    "Super! Danke, du, Glück für dich", sagte er und ging endlich. Karolina, die die ganze Zeit mit verschränkten Armen vor der Brust geschwiegen hatte, sagte, dass der Sannyasin dieser weinerliche Polizist von den Drombuschs sei und dass er sonst nicht viel gerissen habe im Schauspieler-Leben. Das deprimierte mich so sehr, dass ich einem kleinen Jungen sofort ein altes Computerspiel schenken musste, um die Aura der Hoffnungs- und Trostlosigkeit vor unserem Stand aufzulösen.

    Nachtrag, gefunden irgendwo im Netz:

    Mick Werup (44) ließ sich in seiner spießigen Polizisten-Rolle als ältester Drombusch-Sohn in Folge 31 (Titel: ???Liebe ist auch ein Recht“) begraben – und damit seine Zukunft als Schauspieler sterben. ???Außer bei einem Mini-Auftritt in der RTL-Serie «Schimpanski» im Jahre 1997 wurde der Hamburger vor allem durch bizarre Party-Auftritte auffällig. Die Fernseh-Welt ignorierte ihn. Der Einzelgänger suchte Mitte der 90er in Indien die Erleuchtung, seit 1998 ist er verschollen. Seine Großmutter hat Mick Werup vor Jahren enterbt“, meldet der ???Gong“.

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