Eines Samstagmittags kam ich auf dem Weg vom Flussufer wie zufällig an einem Lokal vorbei und beschloss, einen Kaffee zu haben. An der Theke stand, wenige Baarhocker entfernt, Anny O. Genau, DIE Anny O. Schneeweißer Teint, schwarzer sackartiger Anzug, die Hosenbeine umgeschlagen, Pilotenbrille. Anny trank schnell viel Bier und redete mit ihrer Piepsstimme auf den Barmann ein. Ich machte ein Foto genoss das Ambiente. Da drehte sie sich zu mir um, fixierte und lächelte. Ich lächelte zurück, sinnierend, ob sie mich wiedererkannt haben könnte; vor Jahren hatten wir uns ein paar Mal unterhalten, einmal an einem Sonntag auf dem Offenbacher Rathausvorplatz, ich auf dem Brunnen, die drin. So verharrten wir ein paar Minuten, dann kam sie bei. Anny begann ihren Vortrag mit der Feststellung, wir seien die Guten, die anderen seien die Bösen und deutete dabei auf einen braungebrannten Kerl, der sich gerade neben uns an die Bar gesetzt hatte. Wir beide liessen uns ja nicht verbiegen, und im Übrigen male die gerade an einem neuen Bild. Ich wollte wissen, warum sie so unförmige Kleidung trüge. Weil sie besoffen sei, brüllte sie und lachte schallend. Ich fragte, ob jetzt schon oder immer noch, und sie bedeutete letzteres. Sie hätte wieder angefangen mit dem Alkohol und dem ganzen Koks, alles wegen diesem Forum. Und abends liefe Pretty Woman in der Glotze, der mit dem Satz: Das war Zahnseide! Dann fing sie an zu weinen, doch es gelang mir irgendeine souveräne Bemerkung, die sie wieder zum Lachen brachte. Sie lachte und weinte und lachte und wollte mich zu einem Bier einladen, doch ich zog es vor, zu gehen. Als ich das Lokal verliess, piepste sie wieder auf den Barkeeper ein, als sei nichts gewesen. Ich überschlug im Kopf, dass sie knapp 25 sein müsste; irgendwie schon komisch, dass die Gute so weit gekommen war.
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