Gestern Abend habe ich im Kinofoyer die sehr huebsche Schauspielerin Susanne Bormann gesehen, die, mit dem Nachnamen!, so aussieht, dass sie meinen amerikanischen juedischen Freund, haette er sie auch gesehen, wahrscheinlich seine Standardfrage an mich haette stellen lassen: "Ob sie wohl als Eva Braun verkleidet mit mir Sex haben wuerde?". Ariertum hin oder her, in Bormanns Fall haette ich das verneinen muessen, so wohlerzogen sass sie im Foyer mit ihrer Mutter, um die sie sich sehr lieb kuemmerte. Bormann sieht in echt sehr viel besser aus als in den Filmen, in denen ich sie bisher als Junkie oder Oeko o.ä. sah, viel eleganter und graziler.
Ich war hingerissen und vergass sogar fuer Momente meine seit bald zwei Wochen entzuendete linke Achillessehne. Die Entzuendung habe ich bisher eisern geheimgehalten; manchmal beisse ich die Zaehne zusammen, wenn niemand schaut, das ist aber schon alles. Eingefangen habe ich mir die Entzuendung bei stundenlangen Wanderungen durch das schoene Suedtirol, und die gleich folgende Paparazzierung traegt wahrscheinlich Mitschuld an meinem Gebrechen.
Ich wohnte mit einem Freund knappe zwei Wochen lang im wunderbaren Rentnerparadies Meran. Dort assen wir eines Abends in der "Santer Klause", einem sehr netten Lokal, das vor allem lokale Spezialitaeten zubereitet (Kalbskopf, Kloesse). Wir sassen auf der von wildem Wein ueberwucherten Terrasse des Restaurants, ich ass Nudeln mit Speck und Knoblauch, mein Freund ein Schnitzel. Es dauerte nicht lange bis der grosse, zottelige Hund, der dem aelteren Paar am Nebentisch gehoerte, das Schnitzel gewittert hatte. Der Hund, von gleicher Hoehe wie der Tisch an dem wir sassen, kam dem Schnitzel immer naeher, schnaubend, sabbernd. Bevor es ungemuetlich wurde, reagierte der Hundebesitzer, zog den Hund (den Namen des Hundes habe ich leider nicht verstanden) an seiner Leine zurueck und entschuldigte sich bei uns. In diesem Moment fiel mir erst auf, dass der Hundebesitzer Sepp Maier war und er phaenomenal aussah: beige, sportliche Slipper, dunkelblaue Socken mit weissem Rand, weit ueber die sehnigen Waden gezogen, beige Bermudashorts, dunkelblaues Polohemd, aus dem ebenso sehnige Arme staken, oben drauf der Sepp Maier Kopf, diese sagenhafte Knautschfresse mit den buschigen Augenbrauen. Seine Begleitung war massiger als er, trug eine zu enge Jeans mit zu kurzem Oberteil, und auch sie entschuldigte sich freundlich bei uns.
Keine zehn Minuten spaeter gingen die Maiers (war es seine Frau? eine Maitresse?) und verabschiedeten sich mit einem lauten "Wiederschaun!", das an alle Gaeste gerichtet zu sein schien. Unserm Tisch nickte er noch einmal zu, wir fuehlten uns geehrt. Weitere dreissig Minuten spaeter sahen wir Maier auf dem Heimweg noch einmal. Sein Hund war dabei, das Arschloch eines anderen Hundes zu beschnueffeln. Der Besitzer des anderen Hundes war stolzerfuellt, konnte er sich doch kurz mit Sepp Maier ueber keine Ahnung was austauschen. Dann zog Maier auch schon wieder weiter und nun erst sah ich diesen unglaublichen Gang, dieses drahtige, zielgerichtete Schlendern, diese seltsame Mischung aus absoluter Anspannung, sehnigem, muskuloesem O-Bein-Federn, bei dem der Oberkoerper sich wie von Geisterhand nach vorne bewegt ohne nach oben unter unten zu wippen. Wie auf unsichtbaren Schienen gleitet der Oberkoerper dahin, nur die Arme und Beine schwingen wie an Sehnen aufgehaengt. Ich habe sowas schon oefter bei anderen aelteren Maennern gesehen, Marathonlaeufern, aber nie in solcher Vollendung wie bei Sepp Maier. Mein Freund und ich waren hellauf begeistert, und ich hatte es wahrscheinlich die naechsten Tage mit meiner Version des Maierschen Ganges uebertrieben und mir dabei die Achillessehne entzuendet, so meine ich zu wissen. Mein Koerper ist nicht der eines Hochleistungssportlers, er ist nicht fuer solche von Sehnenkraft getragene Fortbewegung geschaffen, soviel ist klar.
Kleiner Nachtrag: ein paar Tage spaeter (immer noch in Meran) fanden wir nach langer Suche endlich ein Lokal, in dem der Wirt bereit war, das Freundschaftsspiel Österreich-Deutschland auf seinem Fernseher einzustellen. Der Wirt war schwul und hatte offensichtlich etwas uebrig fuer mich, er beschenkte uns mit Oliven, Kaese und Speck, erzaehlte von seiner Zeit in Muenchen, obwohl ich nicht auf seinen Redeschwall reagierte und starr auf den Bildschirm starrte, in dem eben noch die deutsche Trainerbank zu sehen war, auf der auch Bundestorwarttrainer Sepp Maier Platz genommen hatte.
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