Eines Samstagmittags kam ich auf dem Weg vom Flussufer wie zufällig an einem Lokal vorbei und beschloss, einen Kaffee zu haben. An der Theke stand, wenige Baarhocker entfernt, Hamlet. Genau, Hamlet. Braungebrannt, weisses Hemd und dunkler Anzug, die obersten fünf Knöpfe offen, Goldkette mit weissen Sackhaaren durchwirkt, Hemdkragen auf dem Sakko aufliegend; Pilotenbrille. Hamlet trank schnell viel Bier und redete noch schneller auf den Barmann ein. Ich machte ein Foto genoss das Ambiente. Da drehte er sich zu mir um, fixierte und lächelte. Ich lächelte zurück, sinnierend, ob er mich wiedererkannt haben könnte; vor Jahren hatten wir uns ein paar Mal unterhalten, einmal an einem Sonntag im Park, ich auf dem Fahrrad, er im Morgenmantel, ein anderes Mal in einer Bar, die einer früheren Edelprostituierten gehört, in der wir uns an einem Nachmittag unter der Woche grandios betranken. So verharrten wir ein paar Minuten, dann kam er bei. Er begann seinen Vortrag mit der Fetstsellung, wir seien die Guten, die anderen seien die Bösen und deutete dabei auf einen blassen Kerl, der sich gerade neben uns an die Bar gesetzt hatte. Wir beide liessen uns ja nicht verbiegen, und im Übrigen schreibe er gerade an einem neuen Buch. Ich wollte wissen, warum er einen Anzug trüge. Weil er besoffen sei, brüllte er und lachte schallend. Ich fragte, ob jetzt schon oder immer noch, und er bedeutete letzteres. Er hätte wieder angefangen mit dem Alkohol und dem ganzen Koks. Und abends liefe Heat mit de Niro in der Glotze, der mit dem Satz: Binde Dich an nichts, was Du nicht innerhalb von fünf Sekunden zurücklassen kannst. Dann fing er an zu weinen, doch es gelang mir irgendeine verklemmte Bemerkung, die ihn wieder zum Lachen brachte. Er lachte und weinte und lachte und wollte mich zu Biers einladen, doch ich zog es vor, zu gehen. Als ich das Lokal verliess, sprach er wieder auf den Barkeeper ein, als sei nichts gewesen. Ich überschlug im Kopf, dass er gut 65 sein müsste; irgendwie schon komisch, dass die Guten auch mal überlebten.
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