Dass ich in einer schönen Wohnung lebe habe ich hier schon erwähnt. Sie ist auch gross. Da Québec für die USA in etwa ist was Osteuropa für Westeuropa, wird hier viel kostengünstig gefilmt, die etwas heruntergekommene Altstadtkulisse vor der Tür tut ihr Übriges. Ethan Hawke musste vergangenes Jahr einen halben Tag lang vor meiner Haustüre aus dem Auto steigen, „Taking lives“ heisst das Ergebnis und ist abgesehen von der Haustür nicht nennenswert. Beobachtet habe ich ihn nicht dabei und musste auch erst googlen um das Gesicht zum Namen zu haben. Angelina Joly erkannte ich erst auf dem Foto, dann doch. Ich bin den Andern peinlich, manchmal, mir selber auch, aber nicht in denselben Situationen.
Wen ich kenne, das sind Robin Williams und Sigourney Weaver. Die wurden mir versprochen, falls der von den Andern und dem befreundeten location scout eingefädelte Dreh von „Noël“ in unserer Wohnung wirklich zustande käme. Bei „location scout“ und der zugehörigen Gschaftlhuberei wurde mir schon schlecht, der Weaver-Name war es mir aber doch wert nicht gleich nein zu zicken. Vorsichtshalber kündigte ich an das würde eh alles nichts, zur Sicherheit, um hinterher Siehste sagen zu können und gut dazustehen.
Dann, nach wochenlangen Vorbesuchen von Beleuchtern oder Ähnlichem, öffne ich dem nur von einem Kamerahans und dem scout begleiteten Regisseur die Tür. Ich bin manchmal etwas förmlich, ich weiss das, und erwarte auf einen Gruss zumindest ein zur Kenntnis nehmendes Kopfnicken, zumal von Wildfremden bei mir zuhaus. Nichts. Dafür ist offenbar nur der schleimige scout zuständig, Regisseur und Hans laufen grummelnd zwanzig Minuten durch die Wohnung und durch mich hindurch, ich weiss es ja sie kommen nicht meinetwegen, sie arbeiten, es ist sicher die zehnte location heute, ärgre mich dann aber doch irgendwie. Bekräftige meine Territoriumsansprüche durch das Abstellen von Aschenbechern mit angezündeten Zigaretten darin, die ich langsam allein verglühen lasse, albern, ja, besseres fällt mir nicht ein. Selber Dreckhaufen. Als ich dann abends Theater mache, genre: dieses Arschloch kommt mir nicht noch mal ins Haus, werde ich belehrt es handele sich um Chazz Palminteri, Chazz ist schüchtern sagt der scout. Natürlich kenne ich den Name nicht, egal, Schmierenkomödiant, drittklassiger, schimpfe ich ins Blaue. Nicht, dass die Wirklichkeit (google) hier auf Anhieb einen grossen Irrtum zutage treten liesse. Oscar-Nominee, Stone-Partner in diesem überflüssigen Diabolique-remake und ansonsten abonniert auf Bulle/Mafioso. Neuerdings Regisseur. Überzeugender dann aber, da ich nämlich dem Gelde sehr zugetan bin, die in Aussicht gestellten tausend USD pro Drehtag, wert im Weiteren mein Maul zu halten. So wie das auch gedacht ist.
Beim zweiten Besuch, diesmal mit grossem Stab, wird mir eine ältere, gut duftende Mitarbeiterin zur Seite gestellt, the motherly type, die sofort erkennt, dass ich seelenpflegebedürftig bin, meine deutschsprachige Bibliothek kommentiert und mit mir über Kafka diskutieren möchte. Ich möchte lieber nicht über Kafka diskutieren, vielleicht sollte ich ein Glas Saft für alle servieren?, und um nicht weiter kindisch oder divenhaft zu sein rede ich mich mit Arbeit heraus und beobachte den Rest von hinter dem Computer weg. Palminteri hat den gleichen Jeanspulliparkakram und dieselbe Attitüde an wie das erste Mal, deutet mit grosser Geste im Raum herum, fass meine Sachen nicht an du Möchtegern-De Niro, denkt es in mir, die duftende Dame flüstert mir etwas von sechs Drehtagen ins Ohr, Hotel zusätzlich.
Der Dreh fand dann letztlich doch woanders statt und es ist wohl auch nicht Weaver sondern Sarandon.
Siehste.
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