Die Qualität eines Jahres wird oft in Sommertagen gerechnet.
Vorgestern war der erste Sommertag. Wir befinden uns zwar in der Mitte des unsicheren Monats April, der ja, dem Volksmund nach zu urteilen, macht, was er will, doch ist gerade dieses Wissen wahrscheinlich die Erklärung für unser gutes Wetter.
Freie Tage müssen gut geplant sein. Also nahmen meine Frau und ich uns vor, einen Tag in den Carolus-Thermen nebst Saunalandschaft zu verbringen. Schwitzen in der See-, Stollen- oder Aroma-Sauna, im türkischen Bad mit anschließender Erfrischung im Außenthermalbereich mit sprudelndem Wasserfall, hernach ruhen, lesen, dösen. Große Vorfreude. Die steigerte sich, als die sonnige Wettervorhersage stetig wahrscheinlicher wurde. Draußen in der Sonne liegen, kaum jemand redet, leises Plätschern dringt zärtlich ans Ohr. Außerdem erleidet man keinen Kälteschock beim Verlassen der Schwitzbäder, die sich im Außenbereich befinden. Ideale Voraussetzungen.
Nach dem zweiten Saunagang planschte ich fröhlich im Thermalwasser vor mich hin, als ich einen Herren sah: bekleidet im textilfreien Bereich! Das war das erste, was mir auffiel. Nackt kann ja jeder! Aber der hier trug eine übergroße Badeshorts mit einem schwer zu beschreibenden Design irgendwo zwischen breiig und floral: hellblau, hellgrün, hellgelb, weiß, ineinanderverschränkt. Mutig! Die Tasche, die der Herr in seiner Rechten hielt, war ebenso übergroß, aber dezenter gemustert.
Sein suchender Blick ging übers Wasser, dessen Oberfläche sich gerade durch meine Planschbewegungen heftig wellte. Suchte der mich? Nein, kein Erkennen bei ihm. Obwohl ich ihm doch so oft von meinem Stehplatz am Würselener Wall zuwinke. Ich erkannte ihn sofort, auch ohne das sportive Trainingsoutfit. „Ach“, dachte ich, „der Jörg Berger hat einen freien Tag. Und er verbringt seinen freien Tag so wie ich. Sehr sympathisch.“ Dann war er auch schon weg und reservierte sich in einiger Entfernung einen sonnenbeschienenen Liegestuhl.
Kurze Umbaupause.
Meine Frau und ich verließen das Thermalbecken und wollten zur Cafeteria, um den Flüssigkeitsverlust auszugleichen. Noch erzählte ich ihr von meiner Entdeckung, da sah ich drei adrett in Tücher gewickelte junge Herren auf der Bank vor der Aufguss-Sauna sitzen, mit gespanntem Gesichtsausdruck, der Entschlusslosigkeit signalisiert. Die Alemannia-Dreierkette Klitzpera – Michalke – Landgraf. Aha. Kollegiumsausflug.
Erfrischungspause.
Nach einem leckeren Bierchen, bei dem ich meiner Frau noch einmal kurz die letzten Heimspiele der Alemannia zusammenfasste, gingen wir in den unteren Bereich der Thermen, dort, wo sich die Dampfbäder befinden. Sie meinte, wenn die Spieler oben seien, würde man ja immer auf die kucken, und das wäre denen wohl peinlich. Dagegen hatte ich kein Argument. Also in die unteren Gemächer.
Ganz kurze Umbaupause.
Wir entschieden uns für das türkische Dampfbad. Da ich leicht und meine Frau schrecklich kurzsichtig ist, kam uns im weiten Rund des Bades niemand vom Gesicht bekannt vor. Doch dann: am Eingang vom türkischen Dampfbad saß auf dem Mäuerchen ein dunkelhäutiger, muskulöser Herr: Bachirou Salou. Was heißt sitzen? Er nahm eine Stellung ein zwischen Sitzen, Liegen und Hängen. Schlagartig wurde mir ein Mysterium des Fußballs klar: das war die hängende Spitze!
Schwitzpause.
Als wir dann ein freies Eckchen im Abkühlbecken gefunden hatten, wurde mein Blick schärfer: Meijer, van der Luer, Grlic, Pflipsen, Brinkmann und ein mir unbekannter Kicker mit Rückeninschrift in Fraktur. Herrjeh, wo war der Stift für Autogramme? Wo die Fläche zu schreiben? Meine Frau machte sich allmählich Sorgen darum, ob die armen Kerle sich nicht von mir beobachtet vorkämen, zumal sie festzustellen glaubte, dass niemand anderes von ihnen Notiz nahm. „Nu kuck doch nicht so.“, insistierte sie. Aber in welche Ecke sollte ich in einem runden Raum hinsehen? Also Ortswechsel.
Umbaupause.
Wir suchten uns also eine Sauna für den letzten Gang. Um 14:30 Uhr sollte ein Füchteaufguss durchgeführt werden in der Aufguss-Sauna. Dahin also. Doch, genau wie im Märchen vom Hasen und vom Igel, waren die Herren Fußballer schon an Ort und Stelle und hielten offenbar eine Mannschaftsbesprechung zum Thema Früchteaufguss ab. Wir entschieden uns dann doch für eine andere Sauna, denn meiner Frau war nicht nach Kickerschwänzen zumute.
Während wir uns nach diesem Gang wieder im Thermalbecken aufhielten, endete der Früchteaufguss und die Herren kühlten sich an den Duschen ab. Trainer Berger war der erste und begab sich im Anschluss auch in Richtung Becken, das meine Frau just in diesem Moment, noch wasserblind, verließ. Erst als sie Aug in Aug mit des Trainers Gemächt stand, änderte sie ihre Richtung, denn ich gab freundlich Winkzeichen.
Epilog
Ganz unbeeindruckt schien meine Frau von der geballten sportiven Virilität doch nicht zu sein. Beim Nachhauseweg bemerkte sie: „Der Pflipsen ist ja ein Süßer. Der hat eine tolle Figur.“
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