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Thema: Avignon, Jim (Aufzeichnungen aus einem Kellerloch)

  1. #1

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    Aufzeichnungen aus einem Kellerloch

    Vor ein paar Jahren hatten wir für wenig Geld ein Büro in einem Keller angemietet. Es war ein schönes Büro, wenn auch etwas feucht und unterhalb des Kanalisationsniveaus gelegen. Die nur durch einen Vorhang abgetrennte Toilette hatte eine elektrische Pumpe, die alles außer Tampons pürieren und anderthalb Meter nach oben pumpen konnte, und die Ratten lärmten zu allen Tageszeiten ungeniert in den Rohren an der Decke.

    Vor uns hatte ein Plattenlabel das Büro bewohnt, aus dessen Nachlass ein Schuhkarton voll hüllenloser CDs auf uns gekommen war. Die meisten konnte man nicht öfter als einmal hören, manche immerhin dann, wenn man besoffen wie ein Lurch war, aber eine war darunter, die hörten wir ständig. Es war eine grau gemusterte ohne aufschlussreiche Beschriftung, und sie lief etwa ein Jahr lang den ganzen Tag. Die Musikrichtung ließ sich noch am ehesten mit "wenn ich auf diese Taste drück, spielt er ein kleines Musikstück" umschreiben, jedenfalls von mir, da ich Musikrichtungen nur mit Müh und Not zu unterscheiden vermag, und auch nicht gerade viele.

    Aufklärung wurde mir eines Abends in der Flittchenbar zuteil, wo einige Damals-noch-nicht-Paparazzi und ich jeden Mittwoch hingingen, weil man dort ähnlich unbeholfen gekleidet war wie wir und weil das überqualifizierte Tresenpersonal in den Morgenstunden rührend zu singen pflegte. Bartholmy war, wie ich kürzlich erfuhr, auch regelmäßig dort, wir kannten uns aber noch nicht. Unsere Büro-CD wurde gespielt, was mich verwunderte und erfreute, da ich nicht ernsthaft damit gerechnet hatte, dass es mehr als ein einziges Exemplar davon gebe. Als ich nachsehen ging, handelte es sich sogar um Live-Musik, die von einem unscheinbaren kleinen Mann und seinem Keyboard hervorgebracht wurde. Da er außerordentlich harmlos aussah, sprach ich ihn später an der Bar an, berichtete von der namenlosen CD und dass sie uns viel Freude bereitet habe in unserem dunklen, feuchten Keller. Er heiße, sprach der harmlose und gütige Mann, Jim Avignon, und habe gerade eine zweite CD angefertigt. Die wolle er mir zuschicken, damit wir etwas Abwechslung hätten. So geschah es auch. Ich habe Jim Avignon seitdem noch ein paarmal gesehen, mich aber nicht mehr getraut, ihn anzusprechen, jetzt, wo ich weiß, dass er keineswegs nur von mir gekannt wird, sondern vielmehr unermesslich reich und berühmt ist.

  2. #2
    Moderator
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    Der gute Sonntagabendbeitrag. Funktioniert. In jeder Hinsicht.
    Ich glaube, auch ich traf einmal Jim Avingnon.
    Hätte ich nur gewußt, wie unermeßlich reich und berühmt er einst werden würde, ach wie hätte ich es mir gemerkt.
    we are in the army now.The Army of Sankt Immen.

  3. #3
    Member Avatar von Sabeta
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    hier hängt ein mikro ins leben!
    denn 1.) habe ich heute beim aufräumen die komplett vergessenen briefe wiedergefunden, die bei einer kurzkorrespondenz mit jim avignon entstanden sind, und
    2.) traf ich ihn auch ein zweites mal und traute mich nicht, ihn anzusprechen.
    dabei sieht er wirklich absolut harmlos aus.

  4. #4
    Member Avatar von Grover Watrous
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    Hab nach "Jim Avignon" gegoogelt, und mußte zu meiner Überraschung feststellen: Ich hab ihn auch bereits getroffen.
    Bei einem schlecht organsierten und sehr grindigen Festival in Salzburg, weiß der Kuckuck, warum Jim dafür extra angereist ist. Naja, die Organisatorin kannte ihn wohl persönlich und war auch recht ansehnlich, aber man will ja nichts unterstellen.
    Ich selbst war sehr angetan von Jim Avignons erdrückend harmloser Bühnenpräsenz, ich tänzelte sogar ein wenig, wenn ich mich recht entsinne, und das kommt selten vor. Die Mehrheit der problemlos zu zählenden zahlenden Gäste schien jedoch nicht zu gneissen, dass sich vor ihren kleinen unbedeutenden Äuglein gerade etwas unfassbar Großes abspielte.

    Als mir dann ein in subkulturellen Angelegenheiten sehr bewanderter Bekannter aus dem befreundeten Ausland zu Verstehen gab, daß Jim in Berlin vor 1000en Menschen aufzutreten pflegt und zu den angesagten acts in town gehört, war ich gar nicht argwöhnisch und fühlte mich sehr eins mit Berlin.

    Danke für das sonntagabendliche Staub-aus-meinen-Synapsen-wedeln.

    Grover Watrous



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  5. #5
    Member Avatar von chuck
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    Jim Avignon? Kenn' ich nicht, hab' ich nie getroffen. Damit bin ja wohl ganz allein und kann mich darauf konzentrieren, dies ausgesprochen schöne Erstposting zu loben. Ich wittere einen Hintergrund aus professioneller Schreiberei und bewahre "unbeholfen gekleidet" für die weitere Verwendung auf.

  6. #6
    Avatar von Benzini
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    Nette Geschichte, aber Sie haben sich nicht getraut diesen Avignon anzusprechen und verwenden gleichzeitig einen solchen Titel?

    Haben Sie das gelesen. Das Kellerloch. Ist das nicht ein bißchen, na sagen wir, arriviert?

  7. #7
    Avatar von Aporie
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    Verboten gut für ein erstes Posting. Gratuliere.

  8. #8
    Moderatorin
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    Mal abgesehen davon, dass das Ganze vergenueglich zu lesen ist. Auf die Formulierung "alles ausser Tampons puerieren" bin ich richtiggehend neidisch, VW.

  9. #9
    Moderator Avatar von rron
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    Hey, ich hab ja eine Jim Avignon-Swatch! Ich glaube, darauf ist er aber eher nicht stolz, oder?

  10. #10
    Embedded Senator Avatar von DerCaptain
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  11. #11
    Member Avatar von paule9999
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    Sehr schöne Geschichte von

    Don Wolf

    Mir war Jim Avignon bisher völlig unbekannt.

  12. #12

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    Erstposting? Das ist geschrieben wie nach 809 Postings...
    Ihr seid mir vielleicht Pfeifen - das ist doch... ja, genau, den Stil kenne ich doch von...
    Ich weiß bloß nicht, ob ich's verraten darf? Sag was!

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