Ob diese Person prominent ist weiß ich nicht, ich gehe nicht ins Theater. Aber vor einigen Tagen sagte mir ein befreundeter Schauspieler, Jochen Sandig sei sehr bekannt - Tanztheater usw. Wie auch immer, es ist egal, als ich ihm begegenete kannte ihn noch niemand, und ich bin ihm selten begegnet, er war ungefähr drei Klassen unter mir und das sind Welten.
S., die Freundin meines besten Freundes, ging mit ihm in eine Klasse (bei Junge/Mädchen-Sachen können die drei Klassenstufen gelegentlich doch problemlos überbrückt werden), und sie erzählte, das er Theater mache und/oder Tanz, wahrscheinlich beides, was sie toll fand, da sie das später auch machen wollte und sonst nur Mädchen das machten, hier aber einmal ein Junge und das auch besonders gut. Wir Jungs nickten verständnisvoll, es waren die 80er, und grinsten nur heimlich in uns hinein - Tanz, pff.
Dann war eine Schulaufführung von ich weiß nicht mehr was und Jochen Sandig tanzte, er war vielleicht 15, in einem engen knallroten Kostüm etwas vor - und er konnte das. Es sah überraschenderweise gar nicht lächerlich aus, elegant war es und, wäre das Wort nicht so uncool gewesen, hätten wir vielleicht sogar gesagt: anmutig. Aber das "anmutig"-sagen überließen wir für's Erste noch den Eltern.
Danach dachte ich immer wenn ich ihm auf dem Gang sah: "Hoppla, der kann tanzen." Und ich nickte dazu innerlich und fand das zwar seltsam, aber auch mutig und unzuordenbar gut. Wobei er, im Unterschied zu den ganzen klassisch-musikalischen Schülern die es auf der Schule gab, nicht einmal aus einer entsprechenden Familie kam. Seine Mutter kochte immer in der Cafeteria und reichte ziemlich unmusisch die Teller über die Theke, während sein Vater, mit dem ich bei einem Ferienjob einmal zu tun hatte, bei einem Autoteilezulieferer Ingenieur war und den Lichttunnel betreute. In einem Lichttunnel ist es sehr dunkel. Dann knipst man Scheinwerfer an und simuliert dies und das, Reflektion und so, und misst mit Instrumenten ob die Lichtstärke der jeweiligen Modelle den jeweiligen Normen der jeweiligen Länder genügen. Oder man blinkt in verschiedenen Farben. Tests für Fernlicht und Nebellampen gab es auch. Im Lichtunnel ist es stickig und still und die Arbeit ist einsam.
Aber, dachte ich mir, Begabungen gehen seltsame Wege, so wie manchmal auch das Licht im Lichttunnel, und weiter dachte ich mir nichts dabei. Dann war er irgendwann, drei Klassenstufen nach mir ungefähr, in Berlin, Tacheles und Sascha Waltz, und immer wieder ließ jemand seinen Namen fallen. Dann dachte ich jedesmal, 'ja, seltsam, der war auf der selben Schule. Was das wohl bedeutet?' Aber mir fällt dann doch immer nur der Lichttunnel ein.
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