Als ich noch in Heidelberg wohnte, arbeitete ich mal an einer Konferenz von spinnerten Akademikern, der Deutschen Gesellschaft fuer Englische Romantik. Die waren wirklich sehr memorabel (jaja, Anglizismus, ich weiss; die Umlautumschreibungen verraten vielleicht auch, wieso): Lady Patricia Soundso goss sich zB beim Fruehstueck gezielt Kaffee ueber ihr Broetchen waehrend sie mich ruegte, weil ich noch nicht verheiratet war, und eine mindestens 75jaehrige Dame machte in ein Bettlaken gehuellt Ausdruckstanz, waehrend ein Bratscher spielend im Sall umherschritt. ‚The Triumpf (sic) of Life’ nannte sie das.
Ich kam von den spinnerten Romantikern nach Hause und ging gegenueber zu Lidl was einkaufen. Nebenan gab es eine Neueroeffnung, also ging ich mal gucken. Das war einer von diesen ‚Teures – Billig’ Laeden, gegruendet von einem unangenehmen Herrn, genannt, glaube ich, ‚Der Schnaeppchenmillionaer’. Der war auch da und hielt seine selbsgebraeunte Fresse in die Pressekameras, waehrend er den Nutzen von Gasmasken fuer 0,99 und alten DDR Schulheften fuer 0,10 pries. Daneben standen ein duemmlich aussehender junger Herr in einem SAT1 Sacko und ein riesenhaftes Weibsbbild. Sie war sowieso schon sehr stattlich, trug aber auch sehr hohe Absaetze und einen Hut, der kaum durch die Tuer passte. Selbstgebraeunt, geliftet, gefaerbt, geschmirgelt auch sie. Sie sagte zu dem duemmlichen jungen Herrn immer sehr laut ‚Prinz’ und irgendwann wurde mir klar, dass es sich um den leicht lernbehinderten Prinz Alexander von Hohenzollern, damals in der Presse als ‚Der geile Depp’ bekannt, und seine damalige Frau, Angie von Sowieso, handelte. Sie war frueher mal mit Konsul Weyer verheiratet gewesen. Die Ehe ging bald darauf in die Brueche, aber den Herrn Prinz sah man regelmaessig, weil er naemlich im Schnaeppchenmarkt arbeitete (in einem ‚Was macht eigentlich...’ Interview des Stern erklaerte er dazu, der Herr Schnaeppchenillionaer habe ihn eingestellt ‚weil der suchte so eine Art Vertrauensperson fuer sein Leben’). Man sah den duemmlichen Prinz (‚meine Freunde tun Alex zu mir sagen’) oft im ‚Bistro Boulevard’ gegenueber sitzen, oft mit einer Kassiererin von Lidl, die ich als ‚Frau Kolpo’ kannte. Was mich aber aergerte, war, dass Frau Kolpo jedes Mal wenn ich sie sah eine voellig neue Frisur hatte. Eine Kollegin erklaerte mir viel, viel spaeter, dass Frau Kolpo eine Zwillingsschwester hatte, die auch im Bistro Boulevard rumhing und dass die beiden mitnichten dreimal die Woche die Frisur wechselten. Ich glaube, der duemmliche Prinz und Frau Kolpo waren noch sehr lange gluecklich, weil er in besagtem Interview mit ihr abgebildet war und liebevoll ueber ihre Kinder sprach (‚die tun in mir so eine Art Vaterersatz sehen’). Leider machte der Schnaeppchenmmarkt dicht, der unangenehme Besitzer verstarb und wurde in der RNZ von seinem Saunaclub als ‚einfallsreich’ gewuerdigt und ich verliess Heidelberg. Und draussen faellt sacht das Herbstlaub. Ist doch wahr. Klingt alles so nach Abschied.
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