Vor etwa drei Jahren besuchte ich Angela im Krankenhaus.
Diese saufende, krummbeinige Jakutin war wegen eines Innenohrinfarktes im Klinikum Friedrichshain stationiert, in dem sie nun eine Woche lang - als Folge des halbseitigen Ausfalls des Gleichgewichtsinnes augenrollend wie das Krümelmonster und sich an den Wänden der Gänge entlangdrückend - Möglichkeiten ersann, unbemerkt Zigaretten zu rauchen.
"Dusche" sagte sie zuvor am Telefon, "Egon Krrenz' Frrau ist mit mirrr im Zimmärrr! Auch wegen so einer Innenohrgeschichte, bring mirr Schnaps mit".

Egon Krenz' Frau zu sehen machte mich ein bisschen neugierig. Schnaps hatte ich nicht dabei, als ich das Zimmer betrat und Angela und Frau Krenz begrüßte. Sie stellte gerade ein paar Tassen auf den Tisch, denn ihr Mann wurde zum Kaffee erwartet.
Ich setzte mich kurz dazu und wir sprachen ein wenig und dann fragte ich sie, wie es ihr ginge, und ob denn ihr Dingsda hoffnungsvoller verlaufe als bei Angela und ob sie denn viel STRESS gehabt habe in der letzten Zeit. Das schob ich ihr so zartfühlend wie irgend möglich hinüber, doch Erika fiel nicht drauf rein. Sie riss die Augen auf und stieß aus: "Ohhhh jaaaa!".
Stille.
Ich sah sie an und wartete auf intime Details aus einer strapaziösen Ehe, die sie mir sicher gleich dankbar anvertrauen würde. Erika goss sich Kaffee ein.

Dann ging ich mit Angela rauchen.

Als wir zurückkamen und die Tür zum Zimmer öffneten, hörten wir nur das Klimpern der Kuchengabeln und wir spürten, dass vorher auch nicht viel zu hören gewesen war. Wir störten also nicht.
Verlegen und verstockt stupften sie die Krümel auf.
Egons Zähne! Sie sind wirklich lang.

Er verabschiedete sich bald und ich ging einige Minuten später ebenfalls. Umso erstaunter war ich, ihn gehetzt auf der Treppe vor mir zu sehen. Was hatte er bis eben getan? Er hörte mich hinter sich, drehte sich im Gehen halb um, erkannte mich, ging etwas schneller und fragte:
"Ach, gehen Sie auch nach hause?"
Falsche Frage. Damit sich niemand für dieses Zuhause interessiert, musst Du natürlich schneller gehen.
"Ja, Wiedersehen!"