„Das nenne ich Tempo!“ Das ist der erste Satz, den Wolfgang Thierse zur Einweihung der Backfabrik in Berlin findet. Wo früher unten das Cookie’s war, sind jetzt, zwei Jahre später, 24.000 qm überwiegend unvermieteter Bürofläche. Der Präsident sieht etwas rot im Gesicht aus, zappelt hinter dem Pult, als müsse er eigentlich austreten. Teile der Festgesellschaft beginnen sich schon lautstark dem Büffet zu widmen. Der Bauherr hat das Musikprogramm eben um zwei Stücke gekürzt. Jetzt tritt Thierse nach vorne und kann endlich reden. Er meint nicht die vorzeitig das Büffet Nutzenden als er sagt: „Das nenne ich Tempo!“ Aber da hatte ich schon eine Beschleunigung mit ihm erlebt.
Aber der Reihe nach. Ich hatte mir das neue Prunkstück unseres Bezirks ja nur mal anschauen wollen. Ich strolchte durch das Gebäude und war zufällig auf der Eröffnung im Dachgeschoss gelandet. Am Aufzug war ein Schild „Zur Garderobe“, und mit dem Liftmann fuhr ich aus der Partyetage hinunter. Als ich den Aufzug verließ, wurde dieser von einer Gruppe Gästen betreten. Hinter diesen kam Thierse auf mich zugestürmt. Schnurstracks. Oh Gott, ich musste sofort an eine schlichte Geschichte in diesem Forum denken. Er wollte den Lift erwischen. Ich wich ihm aus, verließ den mit Teelichten umrandeteten Ehrenteppich, auf dem er mir entgegenschritt. Er ging wirklich schnell. Er verschwand mit seinen Bodyguards im Aufzug; ich gab meine Jacke an der Garderobe ab.
So erleichtert kam ich zum Aufzug. Die Tür ging auf und ich schaute in Thierses Gesicht. Der Präsident im Aufzug und seine Entourage hatten auf mich gewartet. Sein Gesicht war etwas ungeduldig. „Da ist doch noch Platz für mich“, sagte ich und stieg zu. Der zweite Mann im Staat trat zurück, ein bisschen zumindest, es wurde eng. Die Tür schloss sich. Der Aufzug stand. Die Tür öffnete sich und wir sahen wieder in die Garderobe. Nervosität. Der Liftmann war irgendwo hinten eingekeilt. Wieder schloss sich die Tür vor meiner Nase. Thierse rechts hinter mir, ich links vor ihm. Eine Protokollfrage tauchte in meinem Kopf auf: Soll ich den Lift vor Thierse verlassen?
Die Tür ging wieder auf. Ich fragte nach hinten, ob wir zu schwer seien. Keine Antwort. Raus wollte natürlich keiner, ich auch nicht. Alle wollten schnell zu den Trögen und einmal mit Thierse Lift fahren. Der Liftmann hatte sich endlich aus seiner Ecke nach vorne gewurschtelt. Er war total verschwitzt, die Situation nagte an seinen Nerven, sein Lift bremste den Aufschwung Ost. Als der Schlitz sich wieder verengte, drückte er nun die Türflügel mit beiden Händen in der Mitte kräftig zusammen. Zurück blieben vor meinem Gesicht zwei fettigfeuchte Abdrücke auf dem Edelmetall. Von hinten links hörte ich ein Kommando von Thierse: „Jetzt aber umso schneller!“ Wir hoben ab und der Lift beschleunigte sehr stark. Oben verließ ich ihn als Erster.
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