Ich arbeite in einem deutschen Elektronik-Unternehmen und hatte im Dezember 2001 mit einem Kollegen dienstlich in Boston/USA zu tun. Es ging um erhebliche Qualitätsprobleme eines Gerätes, welches unsere Firma in grosser Stückzahl von einer amerikanischen Firma bezog. Wegen eines sich diesbezüglich anbahnenden Rechtsstreites wurden wir von einem örtlichen Anwalt, der unsere Firma vertrat, als Zeugen vorbereitet. Nach der ersten mehrstündigen Anhörung durch die gegnerische Partei gingen wir zur Nachbesprechung in das großzügige Foyer eines gegenüberliegenden Hotels. Gerade als wir uns eine ruhige Sitzecke ausgesucht hatten, wurde unser Anwalt unvermittelt von einem vorbeieilenden, hochgewachsenen, hageren und ergrauten Endfünziger in dunklem Anzug angesprochen und herzlich begrüsst. Die Beiden kannten sich offenbar sehr gut. Unser Anwalt stellte uns und den Grund unseres Besuches vor. Wir schüttelten dem sympathischen Unbekannten mit dem schmalen Gesicht unter Austausch der üblichen Höflichkeitsbekundungen ("nice to meet you") die Hand. Er hatte einen festen Griff, und blickte uns aus seinen tiefliegenden Augen direkt und intensiv an. Mir zwinkerte er dabei noch lächelnd zu , vielleicht, weil ich von ähnlicher Statur bin, jedoch ca. zwanzig Jahre jünger. Seine Ausstrahlung hatte etwas einnehmendes, man spürte sofort, das einem eine Person von Format gegenüberstand. Nach kurzem Small-talk entschwand er wieder, er hatte einen wichtigen Termin. Auf mich hatte diese Begegnung einen bleibenden Eindruck hinterlassen. Unser Anwalt bemerkte später, das dieser Mann Senator von Massachusetts sei und gute Chancen als künftiger Präsidentschaftskandidat hätte. Wie wahr, den Namen hatte ich mir damals gemerkt: Es war John Kerry.
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