»Letztlich soll dieses Buch das, was ein Buch in erster Linie tun sollte: seinen Leser unterhalten. Ich hoffe, dass dies der Fall sein wird und würde mich freuen, wenn es neben dem Unterhalten auch manchem noch gefällt.«
So stehts im "Ebbylog" von "Glanz und Elend", der Autobiografie des Box-Promoters Ebby Thust, die mir jüngst ein Besucher aus dem Hessischen mitbrachte, und die nun stattliche Teile meines Wochenendes in Anspruch nahm.
Abseits der Profiboxszene hat man von Ebby Thust zum ersten und einzigen Mal Mitte der neunziger Jahre gehört, als dieser versuchte, unter Zuhilfenahme seiner Vertrauten Nicole Meissner, mit dem Vater von Steffi Graf ins Geschäft zu kommen. Peter Graf unterhielt mit Frau Meissner damals eine Affäre, was Thust/Meissner zum Anlaß nahmen, zu versuchen, ihm ein Kind unterzujubeln, für das dieser selbstverständlich aufkommen sollte - hat aber nicht ganz geklappt.
Auch ich hatte einmal Gelegenheit mit Thust eine Übereinkunft zu erzielen. Ich arbeitete damals als Sportjournalist und aß Schnittchen am Rande des offiziellen Wiegens vor einem, ich glaube, Michalczewski-Kampf. Mit dem Kollegen L. lehnte ich an einem Stehtisch, als sich Thust auf uns zubewegte und L. erfreut begrüßte.
Thust sieht genauso aus wie die Zuhälter in den Derrick-Filmen. Fett und groß, Riesensonnenrille, solariumgebräunt, gestreifter Anzug, Goldkette, dicke Uhr. Ordentlich parfümiert ist er natürllich auch. Thust legt L. seine Riesenpranke auf die Schulter und beginnt sofort auf ihn einzureden. Irgendwie hessisch mit einem, wie ich finde, leicht enttäuschenden Stimmchen.
Ich selbst nehme an der Unterhaltung nicht teil, sondern lehne ziemlich nutzlos am Tisch. Unbemerkt gehen kann ich nicht. Ich bin gewissermaßen eingeklemmt zwischen L. und Thust zur Linken, während rechts der Korridor zwischen Wand und Tisch zu schmal ist, um ihn halbwegs würdevoll zu nutzen.
Es ist aber auch nicht wirklich unangenehm hier in der Ecke unweit des Mannes, den in der Welt des Boxens fast jeder kennt. Hagler, Holmes, Holyfield. Auch Ali. Für den David Lewin, der Besitzer des SANDS-Hotels in Las Vegas angeblich mal ein Dinner ausrichtete - für ihn und Max Schmeling.
Ebby Thust grüßt, redet, macht sich über die Schnittchen her. Ist buchstäblich zu einhundert Prozent im Reinen mit sich – und dabei unerträglich entwaffnend. Es dürfte unmöglich sein, jemanden zu finden, der weniger an sich zweifelt als Thust. Neben ihm erschiene selbst Dieter Bohlen wie ein Neffe von Kafka. Thust hat zu allem und jedem eine klare Meinung. Über den Tiger, den Kanzlerkandidaten Schröder. Über Viagra: "Ich zieh in jetzt hedda raus, als ich ihn zwanzig Jahr rei´steckt hab."
Zwischendurch bitte ich Thust, mehr um überhaupt was zu sagen, um das Tablett mit den Canapés, das er mir gleich reicht. "Wär lieb, wenn du was mit Lachs übrig läßt", sagt er, und das "wär lieb" trifft mich unvorbereitet.
Irgendwann verabschiedet sich Thust, langt über den Tisch zu seinem reservierten Brot und zieht weiter.
Lesezeichen