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Thema: Presskonferenz, unwillig mit Tante Käthe und Cousin Rolf

  1. #1
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    Presskonferenz, unwillig mit Tante Käthe und Cousin Rolf

    Presskonferenz, unwillig mit Tante Käthe und Cousin Rolf


    Ein Donnerstagnachmittagurlaubstag, regnerisch, langweilig, irgendwie gemütlich.
    Eine Tasse Kakao, selbstgemachte Plätzchen von Sina, dumme Menschen im Tevau.
    Mitten hinein ins Innerliche, träge plätschernde Geräusche angenehm sinnlos
    vertrödelter Minuten plötzlich schrill forderndes Telefonklingeln. Einmal,
    zweimal, dreimal ... keine Bewegung, vielleicht geht´s von selbst weg. Nein.
    Viermal, fünfmal ... arrgghhh ... ich nehme den Höhrer ab, kurz Stille. Aber nur
    ganz kurz, es folgt stakkatoartiges Geschnatter mit eingestreuten Kiekslauten.
    Cousin Rolf also, im wahrsten Sinne das, was man gemeinhin unter lästiger
    Verwandtschaft versteht. Ende 30, alleinstehend, Beruf Fotojournalist für
    irgendein unwichtiges Blättchen, dass sich mit irgendwelchem Frankfurter
    Halbprominententratsch mehr schlecht als recht über Wasser hält.

    Gut, er ist penetrant, klebrig und seine Auffassung von Frisur, die er mit Gel
    über die größtenteils verdorrten Haarwurzeln gekämmt trägt, für einen ästhetisch
    empfindenden Menschen per se eine Herausforderung. Doch das Schlimmste an ihm
    ist seine Art zu sprechen. Es ist schwer zu beschreiben. Dieses leichte
    Übersteuern bei jedem dritten oder vierten Wort, diese erstickten Luftschnapper
    zwischendrin und die Geschwindigkeit, besonders die Geschwindigkeit. Ich
    konzentriere mich kurz wieder auf das unmelodische Geräusch an meinem linken
    Ohr.

    "Einmalig ... Samstag ... Superbüffet ... Weiber ... kieks ... bestimmt auch
    Autogramme ... was Rang und Namen ... schnapp ... sogar Rudi ... Spitzenspiel
    ... weißt schon ... vorletzte Minute ... Presskonferenz ... zwei Karten ...
    kieks ... grade angerufen. Was sagst du?"

    "Ich?", denke ich kurz, leicht erschrocken über die unerwartete Pause und
    darüber, dass man nach diesem akustischen Überfall von mir erwartet, irgendetwas
    zu kommentieren.

    "Ich ... ähh ... warum ...", stottere ich hilflos und leicht schwächlich in die
    Muschel.

    "Also Samstag dann, 17 Uhr, Interconti ... einmalig ... nicht alle Tage ...
    gleich noch Fred anrufen ... selbstverständlich ... schließlich Familie ...
    sehen uns dann. Kieks ... klick."

    Ich lausche noch ein, zwei Minuten in die plötzliche Stille der toten Leitung.
    Dann lege ich auf und mein schockiertes Hirn versucht, den empfangenen
    Wortfragmenten einen Sinn zu geben.

    Eine Pressekonferenz also, in irgendeinem Hotel und Rolf darf dort
    fotografieren. Irgendwas mit Fußball. Ich hasse Fußball. Und ich soll mit.
    Nachdem diese Erkenntnis langsam in mein Bewusstsein getropft ist, spüre ich
    Unwohlsein in mir aufsteigen.

    Hatte ich überhaupt wirklich zugesagt? Eher nicht, aber es würde wohl leichter
    werden, die Sache mit Anstand hinter sich zu bringen, als mit Rolf zu
    diskutieren. Man konnte mit Rolf gar nicht diskutieren. Er hörte einfach nicht
    zu und die Pausen zwischen den Kieks- und Schnapplauten waren einfach zu kurz
    für irgendwelche Argumente.

    Den Rest des Donnerstagnachmittag und den Freitag über spürte ich immer wieder
    dieses ekelhaft kitzlige Gefühl in meinem Magen aufsteigen, wenn die Erinnerung
    an meine unfreiwillige Verabredung sich meldete. Aber ich spülte sie mehrfach
    erfolgreich mit einem warmen Kakao mit Sahne wieder runter.

    Warmer Kakao ist gut für meine Nerven, es ist immer als fühlte ich wieder die
    harten Spülhände meiner verstorbenen Mutter auf meinem Arm, wenn die anderen
    Jungs mir wieder mal einen schmutzigen Fußball ins Gesicht geschossen hatten und
    sie mich tröstete. Aber diesmal half es nicht lange.

    Der Samstag kam unweigerlich und die Minuten plätscherten nicht gemächlich
    vorüber, sondern sie tickten hämisch wie das Geräusch einer altmodischen
    Stoppuhr. Ich kämmte mich, putzte noch einmal die Zähne und zog den schwarzen
    Rolli an. Schwarze Rollies wirken irgendwie intellektuell. Vielleicht würde man
    mich für eine Art Künstler halten, einen, der experimentelle Kurzfilme dreht.

    Mein Taxi stoppte auf dem Parkplatz vor dem Hotel. Noch während ich das Geld für
    den Fahrer herauskramte, sah ich ihn schon. Er stand vor dem Eingang des Hotels,
    trug einen furchtbaren, cremefarbigen Anzug, eine rote Krawatte und redete grade
    wild gestikulierend auf eine unglücklich wirkende, kleine Frau im grauen Mantel
    ein. Als ich ausstieg, traf mich sein Blick und er winkte dramatisch in meine
    Richtung. Die kleine Frau sah erleichtert aus.

    Entschlossen ging ich auf ihn zu, versuchte, seinen Redeschwall bestmöglich zu
    ignorieren und fasste ihn am Arm, um ihn zur Tür herüberzuziehen.

    "Komm jetzt, Rolf, es ist gleich fünf."

    Der Raum war im Erdgeschoss, ein paar hohläugige Journalisten drückten sich
    bereits auf diese seltsamen Stühle mit dem klappbaren Tischchen davor, manche
    mit Notizblöcken, andere mit riesigen Kameramonstern und Fototaschen aus
    Kunstleder.

    Rolf befreite sich gleich am Eingang von meinem Griff und stürzte sich auf
    irgendeinen Bekannten, wobei er wieder in seine hektische Gestik verfiel. Ich
    atmete hörbar auf und stellte mich im hinteren Teil des Raumes an eine seitliche
    Wand. Durch eine Tür ganz links konnte ich das Büffet sehen, das nach der
    Pressekonferenz auf die Journalisten wartete. Naja, das Übliche. Häppchen mit
    Kochschinken und halben Weintrauben, leicht angetrocknet, kalter Schweinbraten,
    lustige kleine Partybrötchen mit Sesam oder Mohn, verdächtig aussehender
    Nudelsalat, eine halbierte Dekorationsananas.

    Nach zehn Minuten kam eine bedeutungsvoll wirkende Bewegung in die braunen und
    schwarzen Lederjacken, Zopfpullover und fiesfarbigen Sakkos. Man setzte sich.
    Der Raum war inzwischen ziemlich voll geworden. Ungefähr 15 Meter vor mir befand
    sich das behelfsmäßig wirkende Podest mit einem etwas besseren Stuhl, einem
    Mikrofonständer und reichlich Kabelgewirr.

    Plötzlich Blitzgewitter, ich schließe reflexartig die Augen. Als ich sie wieder
    aufmache, ist der Stuhl bereits besetzt von einem im grellen Licht etwas blass
    wirkenden Herrn mir sehr grauer und sehr geschmackloser Frisur und irgendwie gar
    nicht zu ihm passenden, grauen Boss-Anzug.

    Das also ist er, der Nationaltrainer, das angestrebte Vorbild der deutschen
    Jugend, der Sympathieträger von Sendungen wie "Ran", die ich nur vom Hörensagen
    her kenne.

    Die kleine, unglückliche Frau vom Eingang erteilt den Journalisten die
    Frageerlaubnis. Bitte fragen Sie mich nicht, um was es ging, es fielen Worte wie
    "Abseitsfalle", "Flügelspiel", "Libero", "Vertragsverlängerung" oder "rotgelbe
    Karte in der zweiten Hälfte".

    Rudi war gut. Er wusste auf alle Fragen ausführlich zu antworten, lächelte in
    die Blitzlichter, ohne zu zwinkern und brachte die beflissene Meute mehr als
    einmal zum Lachen. Er schien sich sehr wohl zu fühlen. Ich nicht. In der
    vordersten Reihe sah ich etwas Cremefarbiges. Glücklicherweise war es ziemlich
    laut, so konnte ich nicht hören, was er seinem Nachbarn ins Ohr zu schreien
    schien. Nach einer halben Stunde war es plötzlich vorbei, "Tante Käthe" längst
    irgendwo im Gewirr unter- und weggetaucht und die aufgeregt plappernde Meute
    drängte bereits zum Büffet, um sich der Häppchen und des Nudelsalates
    anzunehmen.

    Ich blieb an meiner Wand stehen, sehnte mich nach warmem Kakao und nach meiner
    Couch. Rolf war nirgends zu sehen. Als der Raum sich schon größtenteils geleert
    hatte, fiel mein Blick auf die gegenüberliegende Wand.

    Da stand sie, wirkte noch kleiner als zuvor und noch unglücklicher. Sie schaute
    zu mir. Ihre Augen waren dunkelgrün und als sie bemerkte, wie ich sie anstarrte,
    leuchteten sie kurz auf. Dann kam sie herüber.

    "Sind sie vielleicht Künstler? Ich liebe ja experimentelle Kurzfilme."

    "Ich auch. Hätten Sie vielleicht Lust auf eine Tasse warmen Kakao ?"

  2. #2

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    Schon nach dem fünfzehnten Absatz hatte ich den Eindruck, die Promi-Begegnung würde wahrscheinlich marginal ausfallen, möglicherweise sogar langweilig.

  3. #3
    MaybachMember Avatar von Der Admiral
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    Ausserdem ist Völler nicht Nationaltrainer, sondern Teamchef, da er bis heute keinen Trainerschein gemacht hat; wie Beckenbauer übrigens. Lausige Geschichte.
    Embedded Senator

  4. #4
    Avatar von Benzini
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    Kann man nicht mal einen 1A-Pseudonym-Trottel-Indikator installieren. Ich ertrage keinen weiteren warmen Kakao mehr.

  5. #5
    sqm
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    gestern mit murmel gesoffen, von zwei bis drei habe ich murmel immer wieder gezwungen, eine szene aus sein leben nachzuspielen (diese, wo er gesagt hat ... und sie hat dann ... gesagt und er hat dann nichts mehr gesagt) gegen drei hat der kellner uns ungefragt und gratis eine flasche whisky auf den tisch gestellt, weil er es müde war, ständig zu unserem tisch zu kommen und uns nachzufüllen (nach dem whisky war mürmel übrings ziemlich lustig) und dann haben wir bis vier abwechselnd über die preise fürs essen gelacht und allzeit- lieblingssätze aus dem forum ausgetauscht und einer, für den ich wirklich viel geben würde, dass er meiner wäre, passt hier so ausgezeichnet, dass ich ihn zitieren muss, er ist von rron:
    "diese geschichte ist so brachial misslungen, dass ich unverzüglich 9 völlig unbeteiligte auf ignore gesetzt habe".

    gegen inge.


  6. #6
    Avatar von Alberto Balsam
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    Psoting Nr 5, sehr schön, rettet den Starng, wo kommen eigentlich all die ganzen Idioten her? War wieder mal was im Spiegel?

  7. #7
    Abebe Lowumbo Avatar von joq
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    was für ein entsetzlicher schluss. der schluss ist wirklich das allerschlimmste an der geschichte.
    More gin in teacups

  8. #8
    Moderator Avatar von Ruebenkraut
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    Ich hatte zunächst eigentlich nur den Titel und die letzten zwei Sätze gelesen und dachte: immerhin, der Typ ist mit Tante Käthe Kakao trinken gegangen und außerdem (was mir völlig neu war) ist unser Rudi Kurzfilmfan. Nach den Reaktionen hier schwante mir, dass da doch eine andere Pointe drin steckt, bzw. gar keine. So war es dann auch. Verprasste Zeit.

  9. #9
    Restaurator Avatar von Jeremy
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    Für mich hat der Strang aber auch was Gutes, nicht nur weil ich über Stimmens Kommentar beinahe gelacht hätte, sondern auch, weil ich mich bei den letzten Worten von Rübencrowd an einen lustigen Spruch von einem englischen Sportler erinnert habe. Es war Best oder Graham Hill oder so, der gefragt wurde, was er mit dem vielen Geld gemacht hätte, das er verdient hat. "Ich habe es für Alkohol, schnelle Autos und Frauen ausgegeben und den Rest habe ich verprasst."

    Es kann aber auch jemand anders gewesen sein und der Spruch ist auch nur sinngemäss zitiert.
    Ich bin nicht so gut in zitieren, das war mir immer ein wissenschaftlich übertriebenes Ding mit Erscheinungsjahr, Verlag und allem, es gibt ja Quellenangabe-Fetischisten und zu denen gehöre ich nicht.

  10. #10
    Avatar von Benzini
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    rettich rettich

  11. #11
    Avatar von Die Wucht
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    Kürzlich erst über die Weisheit von Fussballer-Sprüchen sinniert, zu Unrecht gebasht, die Männer mit dem Ball.

    "Erst hatte ich kein Glück und dann kam auch noch Pech dazu.", sagte einer, der das Runde in das Eckige tut, während der 90 Minuten, die vor dem Spiel ist nach dem Spiel trennen und mehr bedeuten als Leben und Tod.

    Der glückliche Finder eines Gegenarguments kann sich, äh, glücklich schätzen.
    "Mir läuft ein metaphysischer Schauer über den Rücken."

  12. #12
    Member Avatar von Knappe Wamba
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    Cremefarbener Anzug mit roter Krawatte-> Hrundi V. Bakshi.

    PS: George Best.

    Pst: Zwei Namen, die ich ohne die Geschichte nie in Zusammenhang gebracht hätte. Was ist das für eine wundervolle Welt, in der man viel aufpassen muss um die Nuggets zu entdecken !

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