Vor einer dreiviertel Ewigkeit besuchte ich einen Klassenkameraden, der mich zu seiner Geburtstagsfeier eingeladen hatte. Sein Hauptwunsch, ein roter Kunststoff-Blouson, war ihm von seinen Eltern strikt verwehrt worden, was ihm schon nächtelang den Schlaf geraubt hatte, denn ein Mädchen aus unserer Klasse hatte angedeutet, ihn darin gewandet möglicherweise zu erhören. Er war so schwer verliebt, dass ihn der Gedanke an den Blouson nicht mehr losließ. Als ich zu Besuch kam, wurde ich kurz ins Wohnzimmer zu den Erwachsenen geführt und begrüßte sie, darunter Ilse Werner, die eine Freundin der Familie war. Danach gingen wir ins Zimmer meines Klassenkameraden, wo er mich gleich in den Plan einweihte, den er in der letzten Nacht geschmiedet hatte. Anschließend verließ er das Zimmer, in der Hand eine Plastiktüte, die er aus der hintersten Ecke seines Kleiderschranks hervorgeholt hatte. Gleich darauf klingelte es an der Haustür, und mein Bekannter kam ins Zimmer zurückgesaust. Ein wenig später kam seine Mutter ins Zimmer und zeigte die Plastiktüte, an der ein Schild befestigt war: Für Jochen! Die Tüte habe auf der Fußmatte vor der Tür gelegen, aber es sei niemand zu sehen gewesen. Mein Bekannter entgegnete, dass es sich wahrscheinlich um ein Mädchen gehandelt habe, welches er kenne. Es sei sehr schüchtern, wahrscheinlich habe es sich nicht getraut, ihn zu Hause zu besuchen, aber auch nicht sein Geburtstagsgeschenk verspätet abgeben wollen. Dann entnahm er der Tüte den roten Blouson und zog ihn unter den säuerlichen Blicken seiner Mutter sofort an. Anschließend führte er sein neues Kleidungsstück im Wohnzimmer vor, wo Ilse Werner spontan ausrief: „Ach, das sieht aber hübsch aus!“ Und, „Wie entzückend!“, als sie von den Abgabeumständen erfuhr. Damit war die Jacke abgesegnet. Wenn ich mich recht erinnere, „ging“ er anschließend zwei Wochen mit dem Mädchen.
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