Ende Oktober 1996, Indian Summer in Santa Barbara/Kalifornien, ein paar Autostunden vor Los Angeles, knapp über 20 Grad, Sonnenschein, wunderbar. Eine schöne und überschaubare Stadt für einen Shoppingtag. Nachmittags flaniere ich eine unspektakuläre Straße entlang und sehe, dass ausgerechnet an diesem Abend Bruce Springsteen hier auftritt. Es ist die Tom-Joad-Tour, unplugged, ein akustisches Set also, in einer eher kleinen Konzerthalle, genau das Meine. Natürlich ist der Gig längst ausverkauft, aber einige schwarze Hünen, Riesenlackel, allesamt um die 1,90 m groß, versuchen ihr Glück auf dem Schwarzmarkt. 100 US-$ sind mir dann aber doch zu viel. Ich bleibe vor dem Eingang stehen, an die Wand gelehnt, beobachte das amerikanische Springsteen-Publikum, sehe einige Look-a-likes, ganz witzig, einer trägt sogar noch so ein blau-weißes Bandolero, das Springsteen auch mal aufm Schädel hatte. Es ist schon kurz nach acht, die Ordner an der Eingangstür mahnen die noch draußen Stehenden zur Eile. Ich will gerade aufbrechen, Essen gehen, da schlendert ein mir sehr bekanntes Gesicht um die Ecke, Jeans, Lederjacke, eine hübsche blonde Frau im Arm. Es ist Sean Penn, einer meiner Lieblingsschauspieler der Neuzeit, der gerade in "Dead Man Walking" einen furiosen, oscarnominierten Kinoauftritt hatte, und dem Springsteen auf eben dieser Tour mit dem Titelsong dieses Films über das Für und Wider der Todesstrafe einen Track auf den Leib gezimmert hat. Der hässliche Bart aus dem Film ist längst wieder ab, Penn sieht auch privat gut aus. Später, als ich mit meiner XL-Coke (das bedeutet in den USA eine Gallone, das sind 3,8 Liter, was ich wiederum nicht wusste - ich ging von einer McDonald's-XL-Cola und damit von 0,5 Litern aus...) und einer wagenradgroßen Pizza gleich nebenan sitze und amerikanische Tageszeitungen lese, denke ich darüber nach, was wohl in Sean Penn vorgeht, wenn er da unten im Publikum sitzt und Bruce Springsteen "Dead Man Walking" singt. Ob er Springsteen nachher noch trifft? Ich wäre doch gern dabei gewesen.
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