Ich schalte den Rückwärtsgang ein und fahre diesmal überaus vorsichtig in die Parklücke. In den Spiegel zu schauen ist beim Rückwärtsfahren wichtig. Nicht nur so tun als ob, bzw. nicht nur das Make-up überprüfen wie damals in der Fahrstunde, als man vom schnuckeligen, lässig rauchenden Fahrleher mit den fluffigen Löckchen abgelenkt war, sondern wirklich reinschauen. Am Besten zusätzlich noch in die Außenspiegel, sofern man diese richtig positioniert hat. Ich habe dazugelernt und vermeide nun sinnlose Lackschrammen und kleine fiese Beulchen.
Da sehe ich sie. Hera Lind steht vor dem Schaukasten des ortsansässigen Fotografen. Dort hängt ihre schwarz-weisse Portraitaufnahme in ca. Originalgröße auf welcher sie, ihrer Meinung nach, charmant den/die Betrachter anlächelt und ihre Extensions präsentiert. Die kann man auf dem Foto nämlich genau erkennen. Schaut nicht gut aus. Mir kommt vor sie will sowieso immer jünger, sportlicher, dynamischer, schlagfertiger und unwiderstehlicher wirken als sie wirklich ist. Da steht sie nun vor sich selbst und blickt ihrer eigenen Holzigkeit direkt ins Auge. Sie hat zwei dickliche Blagen an der Hand und redet unermüdlich auf eine andere weibliche Begleitperson ein. Sie zeigt auf das Foto, fährt sich mit den Fingern durchs Haar und letztendlich kratzt sie mit dem Zeigefinger kurz auf der Scheibe herum. Ob es sich dabei um Fliegendreck oder einen schlecht retouchierten Pickel handelt läßt sich vom Auto aus schwer erkennen. Dann verschwinden alle im Geschäft.
Das Foto hängt heute noch dort.
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