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Thema: Zaimoglu, Feridun (in Mainz)

  1. #1
    Avatar von Joachim Lottmann
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    Feridun Zaimoglu in Mainz

    Feridun Zaimoglu. Plötzlich sah ich ihn. Am hinteren, sonnendurchfluteten Ende des Lokals "Alte Patrone" im SWR-Gelände am Judensand in Mainz, der ZDF-Hochburg am Rhein. Er war gerade aus dem Hotel Hammer gekommen, wie ich. Ich ging auf ihn zu, umarmte ihn. Bruder! Er war sehr berühmt geworden, aber er erkannte mich noch. Vor Jahren hatte ich ihn einmal in seinem Ghetto in Kiel besucht und zum Schreiben überredet. Ich weiß noch, wie ungläubig er war.
    "Wie ich sollen schreiben deutsche Sprak?! Ich nicht können!"
    Ich sagte, er solle auf eine deutsche Schule gehen, um die Buchstaben zu lernen. Später solle er in seiner eigenen Kanak Sprak schreiben. Für ihn und all die Brüder draußen. Nun das Wiedersehen.
    Er lebte immer noch mit seiner Possi in Kiel, mit seinen Leuten, nur daß inzwischen ganz Kiel ein Ghetto war und Feriduns Viertel allen Reichtum und alle Pracht anhäufte. Feridun trug silberne Schuhe, brokatbesetzte Hosen, einen Siegelring und fünf weitere Ringe. Um sein Handgelenk schmiegten sich zwei schwarze Uhren von unschätzbarem Wert. Jetzt merkte ich erst, daß auch noch Thomas Meinecke und Jana Simon mit am Tisch saßen. Nacheinander wurden sie von Sheriffs des Fernsehens abgeführt, alle zehn Minuten ein anderer.
    Auch ich wurde befragt, natürlich nach Zaimoglu. Ich sagte, er könne gar kein Untermensch oder so sein, da seine Eltern reiche Großgrundbesitzer seien und Diplomaten dazu, mit einer Bildung, die die meine bei weitem übersteige. Feridun könne zum Beispiel die Bibel auswendig. Die Bibel!, nicht den Koran.
    Später fragte mich Feri, warum ich das gesagt hätte. Ich meinte, man müsse in den Medien immer Erwartungen brechen.
    "Was ich sollen sagen Brider? Bei dem Quatsch? Die mir sagen: du bescheuert, eh?? Du Diplomat, eh?! Eh, was kuckst du?"
    "Ich gucke gar nicht. Aber ich weise darauf hin, daß Du Medizin und Theaterwissenschaften studiert hast, mit Auszeichnung!"
    Es gab eine Lesung. Ausverkauftes Haus, standing ovations, ein Erfolg, der schwer zu beschreiben ist. Feridun berserkerte in einem Ausmaß, das die Leute vom Stuhl fielen. Mit alttestamentarischer Wucht dröhnte, nein zelebrierte er seine Unterschichtssprache, daß es ein Fest war. Wir atmeten tief durch. SO EINER müßte Bundestagspräsident werden, nicht der schwache Thierse aus dem Osten! Das sah selbst Super-Ossi Jana Simon so.
    Danach fuhren sechs Taxis in die Mainzer Nobel-Disco "Effenberg's", wo der Buchhändler und seine Frau sowie die hübsche Gunda Kurz noch mit den Autoren ein bißchen "weiterplaudern" wollte. In den anderen Taxis saßen die Leute vom ZDF, vom SWR, vom Mannheimer Morgen, ein paar Honoratioren, z.B. ein angeblich aufstrebender CDU-Landtagsabgeordneter, die Freundin von der schönen Gunda Kurz, die hieß wohl Sigrid und sah auch nicht schlecht aus. Eigentlich sogar ein schönes Gesicht, ein schöner Mensch, rote Lippen, alles wohlgeformt und fehlerfrei. Ihr Pech war es freilich, daß sie sich immer in der Nähe von dieser Gunda Kurz, einer wahren Schönheit, befand. Verglichen mit ihr konnte jede andere Frau getrost als häßlich gelten. Ich fragte Feridun, ob er auch so empfinde. Die Antwort kann ich hier nicht wiedergeben. Ja, wer war noch in den Taxis? Kulturbetriebler, bedeutende Funktionäre, die Organisatoren, befreundete Ausländer, Türken die Feridun kannten.
    "Was machst du eigentlich hier?" fragte Feridun. Ich sagte, ich sei in Mainz, um ihn für das Forum zu paparazzen. Er wußte nicht, was das ist. Ich erklärte es ihm.
    "Das ist, wenn man im Internet über Stars und Sternchen schreibt. Also wie sie so sind in Wirklichkeit. Ob sie heimlich schwanger sind und so weiter. Übrigens, wo wir schon dabei sind: Kommst du zu meiner großen Joachim-Lottmann-Berlinparty im Kurvenstar am 28. Juni?"
    "Was ist denn der Kurvenstar?"
    "Kleine Präsidentenstraße drei, im denkmalsgeschützten Kurvenstar-Haus. Meine Nichte Hase ist auch da."
    "Was?! Wer?"
    "Hase! Meine Nichte!"
    "Was? Eine... Nichte?!"
    Er wandte sich ab. Das war nichts für ihn. Mit meiner Nichte konnte ich einfach keinen Staat machen. Ich sollte sie durch jemand bekannteres ersetzen, z.B. durch Katja Riemann. Na, die war nun auch schon wieder gänzlich unbekannt geworden. Ich schrie:
    "Die Schwestern von t.A.T.u. sind auch da!"
    "Tatü? Eh?"
    "Das... sind die, die beim Prix d'eurovision auftreten, nackt wahrscheinlich!" Es war so furchtbar laut. Ich hasse Lokale deswegen. Feridun hatte nicht einmal das Wort "prix d'eurovision" verstanden und fragte erneut nach. Ich sagte:
    "Prix d'eurovision, diese Fußballweltmeisterschaft für Schwule!!"
    Da er immer noch mit dem Kopf schüttelte - er saß weiter weg - überlegte ich, ob es für die Verständigung nicht besser wäre, ihm etwas von mir zu lesen zu geben. Dann fiel mir Holm Friebe ein. Der zog immer.
    "Holm Friebe kommt übrigens vielleicht auch zur großen Joachim-Lottmann-Berlinparty."
    "Echt? Holm? Der Mastermind von Zentrale Intelligenz Agentur?"
    Ich nickte befriedigt.
    Nun kramte ich das Manuskript von "Frauen in Freiheit" aus der Tasche und reichte es Feridun, der es tatsächlich las. Gleichsam wie Reich-Ranicki sprach er danach bedächtig von einem "guten Text, wirklich guten Text". Ich war natürlich froh. Endlich etwas richtig gemacht an diesem Tag. Um den guten Eindruck nicht mehr zu gefährden, wandte ich mich der wirklich gutaussehenden Gunda zu, die links neben mir saß. Noch nie hatte ich ein so schönes Mädchen gesehen. Wir unterhielten uns natürlich über Literatur, also über Zuckmayer, der einen Roman über Mainz geschrieben hatte. Als Feridun uns so nett sprechen sah, schaltete er sich ein. Im feinsten Hochdeutsch beleuchteten wir zu dritt die linguistischen Feinheiten des alten Meisters, der einst im Literarischen Colloquium Berlin den "Fröhlichen Weinberg" geschrieben hatte. Insgeheim dachte ich, daß es doch schön sei, endlich wieder in einer Zeit zu leben, in der Sex kein Thema mehr war. Später schwärmte Zaimoglu von neuen Romanciers aus der Population der Rußlanddeutschen. Er sprach so ernsthaft und leidenschaftlich, daß er mich überzeugte und ich mich nun für diese Leute zu interessieren beginne. So klang der Abend nett aus.
    Am nächsten Morgen frühstückten wir zu viert im Hotel Hammer. Thomas Meinecke erzählte vom Zündfunk, Feridun von seinem Wikingerfreund Gunter. Es war schon spät am Morgen, die Hotelleitung forderte uns auf, das Frühstück abzubrechen und auszuchecken. So verabschiedeten wir uns. Feridun fuhr nach Kiel, Thomas nach München, ich nach Berlin.

  2. #2
    attention whore
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    Es heißt "Posse", mein lieber Herr schriftlicher Berufsjugendlicher.

  3. #3
    Abebe Lowumbo Avatar von joq
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    Das weiß Lottmann, das ist meta und Du bist reingefallen. Hui!
    More gin in teacups

  4. #4
    Abebe Lowumbo Avatar von joq
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    Ansonsten ein recht fader Lottmann, es gab wesentlich schönere, finde ich. Der Grand-Prix-Vergleich funkelt indes ein wenig.
    More gin in teacups

  5. #5
    Moderator Avatar von DonDahlmann
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    Es ist doppelt Meta und soll Pussy heißen.

  6. #6

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    Den Spruch wollte ich auch erst bringen - aber dann war's mir doch zu blöd.

  7. #7
    Moderator Avatar von DonDahlmann
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    Gute Entscheidung

  8. #8
    Moderator Avatar von DonDahlmann
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    Hilfe, ich fange an zu jockeln.

  9. #9
    Moderater Avatar von Murmel
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    Feriduns Schwester

    Ich hatte einen Anzug an, als ich Belhe traf. Den hatte ich gekauft, als ich auf die Hochzeit von Alis Schwester eingeladen worden war. Ich hatte Ali am Autobahnrasthof Hermsdorf kennengelernt. Er stand mit seiner Reisetasche vor der Tankstelle und sah mich mit seinen schwarzen Augen freundlich an.

    - Berlin?
    - Ja. Mein Auto ist kaputt.
    - Kein Problem. Steig schon mal ein.

    Ich bin in die Tankstelle, habe bezahlt. Dann sind wir im Stau gestanden. Totalsperre der Autobahn, vier Tote. Umleitung über dunkle Landstraßen, durch kleine Dörfer und tiefe Wälder. Nach fünf Stunden dann in Kreuzberg. Als Dank sollte ich am nächsten Abend als Ehrengast zur Hochzeit seiner Schwester kommen. Ich lachte und sagte zu. Obgleich ich keinen Anzug hatte, was von einem Ehrengast aber erwartet wird. Dachte ich.

    Den nächsten Vormittag verbrachte ich in einem Notausgangstreppenhaus der Potsdamer Arkaden. Mit meinem neuen Anzug von H&M. Grau, billig, nicht recht sitzen wollend. Der Notausgang war verriegelt. Erst nach Stunden hört ein Passant mein Klopfen und holte Hilfe. Aber das ist alles unwichtig. Ebenso die Hochzeit, auf der mich Alis Vater in seine Arme nahm, mir dankte, seinen Sohn nach Berlin gebracht zu haben, mir ein freies Abendessen in seinem Restaurant versprach und mir einen Kuss auf die Wange gab. Dass ich traditionelle türkische Tänze lernte und der einzige Deutsche in der neonlichtgefluteten Halle war. Der Anisschnaps mit Cola, die restliche Familie, die sich immer wieder bei mir bedankte und mir zunickte, mich abfüllte und all das.

    Wichtig war, dass ich diesen Anzug trug, als ich Belhe Zaimoglu am Flughafen München traf. Dass ich smart aussah, wie sie es ausdrückte. Sie wartete wie ich auf den Flieger nach Berlin. Wir hatten uns wenige Stunden zuvor bei einem Casting getroffen, das uns beide nur einen Tag gekostet und nichts gebracht hat.
    Also tranken wir und warteten gemeinsam, redeten, erklärten uns, und sie fuhr sich immer wieder durch die schwarzen, lockigen Haare, die ihr ins Gesicht fielen, wenn sie lachte. Ein lautes, warmes, vollkommen gelöstes Lachen, das den Menschen auffiel, sie starren ließ. Das sie in ihr zartes Gesicht starren ließ, gaffen und starren ließ, weil es ihnen nicht möglich war, wieder wegzusehen. Weil sie Spanner waren, Gaffer und Spanner, die warteten, sich langweilten und Belhes Lachen diesen sterilen, widerwärtigen Flughafen störte. Dieses Wartezimmer, in dem die Menschen sitzen und beklommen auf ihren Flieger warten, mit den selben Gefühlen, die einem beim Warten in der Zahnarztpraxis nicht in Ruhe lassen.

    Im Flugzeug saßen wir getrennt. Ich drehte mich in meinem Sitz und blickte über die trüben Gesichter der Mitfliegenden, denen ich allen wünschte, abzustürzen, mit ihrer Launigkeit, ihrem Gaffen und Starren, das nun mir entgegenkam, aus dem Himmel zur Erde zu stürzen. Belhe konnte ich nicht sehen. Und ich hörte sie auch nicht mehr lachen, was mich beruhigte, da sie demnach nicht neben dem nächsten smarten Mann saß. Sie hatte mich smart genannt und ich hatte mich gefreut und sie dafür gehasst, ein Kompliment so hässlich auszudrücken. Sie hatte nach dem Wort sophisticated gesucht, ich habe es für sie gefunden. Doch war ich am Ende nur smart für sie und sie hat gelacht.

    Sie nahm mich vom Flughafen mit in ihrem Twingo, bracht mich nach hause und wollte mich wiedersehen. Wegen Feridun, der einen Film schrieb. Und ich doch auch. Ob ich Kanak Attack kenne? Ja, davon habe ich gehört. Sie lacht, ja, das sei eine höfliche und smarte Antwort.

    Wir haben uns wiedergesehen. Sie hatte ein Handy gefunden, auf der Straße und war ganz aufgeregt, wollte es unter keinen Umständen wieder hergeben. Warum auch? Wir waren am Weißensee, auf dem Fernsehturm, und ich war smart genug, zu gehen, als ich erfuhr, dass sie einen Freund habe, mit dem es aber schwierig sei. Ich bin gegangen und sie hat nicht gelacht.

  10. #10
    Avatar von Goodwill
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    Pass bloß auf, Murmel. Sonst wirst Du noch ein richtiger Literat und Herr Lottmann lässt Dich nicht mehr in seine Stränge schreiben aus vorgefühlter Eifersucht.

    Mit Kanak Attack verbinde ich eines der enttäuschendsten Kino-Erlebnisse der vergangenen Jahre. Der Film kam mir doppelt so langweilig vor, wie er war, weil die Vorab-Interviews mit F. Zaimoglu so interessant gewirkt hatten.

  11. #11
    Avatar von Joachim Lottmann
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    Ursprünglich gepostet von Goodwill
    Pass bloß auf, Murmel. Sonst wirst Du noch ein richtiger Literat und Herr Lottmann lässt Dich nicht mehr in seine Stränge schreiben aus vorgefühlter Eifersucht.

    Mit Kanak Attack verbinde ich eines der enttäuschendsten Kino-Erlebnisse der vergangenen Jahre. Der Film kam mir doppelt so langweilig vor, wie er war, weil die Vorab-Interviews mit F. Zaimoglu so interessant gewirkt hatten.
    Ja, über Feriduns Schwester Behle ist LEGENDÄR, und das schon von Anfang an. Ich erinnere mich, dass Joseph von Westphalen mir einmal beichtete, das sei die einzige Frau gewesen, nach der er jemals verrückt gewesen sei. Und das in seinem Alter! Also vor sechs Jahren muß das gewesen sein. Ich kann es ihm gut nachfühlen. Und Murmels Gefühle verstehe ich erst recht. Daß er so schnell aufgab, lag sicher an seiner bemerkenswerten Freundin "unsterblich" (Forumsname). Bemerkenswert in intellektueller Hinsicht und auch physisch anziehend. Was mich darauf bringt, noch einmal auf die gutaussehende Frau aus Mainz zu sprechen zu kommen. Ich habe die traurige Pflicht, einige Berichtigungen vorzunehmen, da es Ärger gegeben hat. Die Schöne hat sich anschließend bei mir beschwert und mir das Versprechen abgenommen, ihren Namen zu anonymisieren. Sie heißt jetzt nicht mehr Kurz, sondern Langbein, was angesichts ihrer endlos langen Beine sowieso passender ist. Und sie darf nicht mehr eine Praktikandin sein, sondern ist nun das, was sie auch wirklich ist, nämlich die Leitende Geschäftsführerin des angesehenen Literaturbüros Mainz. Mit 31 Jahren sollte man das auch sein, wenn man so gut aussieht wie sie. Ich mag sie immer noch sehr gern, obwohl sie mich gezwungen hat, folgende endslangweilige Version der ohnehin "faden" Feridungeschichte (ich zitiere) nachzureichen:
    ...Feridun Zaimoglu! Schon Stunden vor Beginn der phantastischen Veranstaltung sah ich ihn am hinteren, sonnendurchfluteten Ende des Lokals "Alte Patrone" im SWR-Gelände am Judensand. Ja, auch der SWR war in Mainz. Alle wollten über das bedeutende Multikulti-Ereignis berichten, das der rührige Kulturkommissar Dietmar Gaumann und seine beiden noch sympathischeren Assistenten (im Verbund mit der attraktiven Geschäftsführerin des Literaturbüros Mainz Gunda Langbein) auf die Beine gestellt hatten. Zaimoglu war gerade aus dem Hotel Hammer gekommen, wie ich. Ich ging auf ihn zu, umarmte ihn. Bruder! Er war sehr berühmt geworden in den Jahren, aber er erkannte mich noch. Einst hatte ich ihn einmal in seinem Ghetto in Kiel besucht und zum Schreiben überredet. Ich weiß noch, wie ungläubig er war.
    "Wie ich sollen schreiben deutsche Sprak?! Ich nicht können!"
    Ich sagte, er solle auf eine deutsche Schule gehen, um die Buchstaben zu lernen. Später solle er in seiner eigenen Kanak Sprak schreiben. Für ihn und all die Brüder draußen. Nun das Wiedersehen.
    Er lebte immer noch mit seinen Homies in Kiel, mit seinen Leuten, nur daß inzwischen ganz Kiel ein Ghetto war und Feriduns Viertel allen Reichtum und alle Pracht anhäufte. Feridun trug silberne Schuhe, brokatbesetzte Hosen, einen Siegelring und fünf weitere Ringe. Um sein Handgelenk schmiegten sich zwei schwarze Uhren von unschätzbarem Wert. Er wirkte äußerst selbstsicher und hochzufrieden mit dem Stand seines Lebens. Er breitete seine Arme aus, als wollte er sagen: Umarme mich, wenn Du echtes, richtiges Geld umarmen willst! Wenn Du keine Angst hast vor dem Geruch des Geldes! (Und nicht nur so ein bißchen Klöterkram, sondern verdammt fettes GROSSES Geld, Mann, ha ha!). Er wirkte wirklich sehr sympathisch und ich mochte ihn wieder wie früher. Jetzt merkte ich erst, daß auch noch Thomas Meinecke und Jana Simon mit am Tisch saßen. Nacheinander wurden sie von Sheriffs des Fernsehens zum Einzelinterview abgeführt, alle zehn Minuten ein anderer.
    Auch ich wurde befragt, natürlich nach Zaimoglu. Ich sagte, er könne gar kein böser Türke oder so sein, da seine Eltern reiche Großgrundbesitzer seien und Diplomaten dazu, mit einer Bildung, die die meine bei weitem übersteige. Feridun könne zum Beispiel die Bibel auswendig. Die Bibel!, nicht den Koran.
    Später fragte mich Feri, warum ich das gesagt hätte. Ich meinte, man müsse in den Medien immer Erwartungen brechen.
    "Was ich sollen sagen Brider? Bei dem Quatsch? Die mir sagen: du bescheuert, eh?? Du Diplomat, eh? Du, was kuckst du!?"
    "Ich gucke gar nicht. Aber ich weise darauf hin, daß Du Medizin und Theaterwissenschaften studiert hast, mit Auszeichnung!"
    Es gab eine Lesung. Ausverkauftes Haus, standing ovations, ein Erfolg, der schwer zu beschreiben ist. Feridun berserkerte in einem Ausmaß, daß die Leute vom Stuhl fielen. Mit alttestamentarischer Wucht dröhnte, nein zelebrierte er seine Unterschichtssprache, daß es ein Fest war. Wir atmeten tief durch. SO EINER müßte Bundestagspräsident werden, nicht der schwache Thierse aus dem Osten! Das sah selbst Super-Ossi Jana Simon so. Die las ja auch nicht schlecht. Genau genommen war sie die beste an dem Abend. Sie war noch jung, sah gut aus. Ihr Beitrag war sogar eine richtige Geschichte und wurde immer spannender, je mehr man von ihr erfuhr. Jana Simon wird mit Sicherheit einmal eine unserer großen Schriftstellerinnen, und Plätze werden nach ihr benannt werden, wie nach Elke Naters. Schon jetzt gibt es ja Stimmen, die den Ebert-Platz in Köln in Elke-Naters-Platz umbenennen wollen...
    Danach fuhren sechs Taxis in die Mainzer Nobel-Bar "Effenberg's" (wahrer Name vergessen), wo der Buchhändler und seine Frau sowie die superhübsche Geschäftsführerin des Literaturbüros Mainz Gunda Langbein noch mit den Autoren ein bißchen "weiterplaudern" wollten. In den anderen Taxen saßen die Leute vom ZDF, vom SWR, vom Mannheimer Morgen, ein paar Honoratioren, z.B. ein angeblich aufstrebender CDU-Landtagsabgeordneter, die Freundin von der attraktiven Gunda Langbein, die hieß wohl Sigrid und sah auch nicht schlecht aus. Eigentlich sogar ein schönes Gesicht, ein schöner Mensch, rote Lippen, alles wohlgeformt und fehlerfrei. Ihr Pech war es freilich, daß sie sich immer in der Nähe von dieser Gunda Langbein, weiß Gott einer WAHREN Attraktion, befand. Verglichen mit ihr konnte jede andere Frau getrost als häßlich gelten. Das Schöne an Gunda war nun, daß sie auch noch ein sympathisches Wesen hatte und eine Herzensbildung, die selbst dem alten Goethe gefallen hätte. Ich fragte Feridun, ob er auch so empfinde. Die Antwort kann ich hier nicht wiedergeben. Ja, wer war noch in den Taxis? Kulturbetriebler, bedeutende Funktionäre, die Organisatoren, der kluge Dietmar Gaumann und seine sympathischen Assistenten, befreundete Ausländer, Türken die Feridun kannten.
    "Was machst du eigentlich hier?" fragte Feridun. Ich sagte, ich sei in Mainz, um die Veranstaltung zu moderieren. Er wußte nicht, warum ich es nicht getan hatte. Ich erklärte es ihm.
    "Ich bin einfach zu schüchtern, wenn Sven Lager nicht dabei ist. Übrigens, wo wir schon dabei sind: Kommst du zu meiner großen Joachim-Lottmann-Berlinparty im Kurvenstar am 28. Juni?"
    "Was ist denn der Kurvenstar?"
    "Kleine Präsidentenstraße drei, im denkmalsgeschützten Kurvenstar-Haus. Meine Nichte Hase ist auch da."
    "Was?! Wer?" Es war sehr laut.
    "Hase! Meine Nichte!"
    "Was, eine Nichte?!"
    Er wandte sich ab. Das war nichts für ihn. Mit meiner Nichte konnte ich einfach keinen Staat machen, nirgendwo, das kannte ich schon. Ich sollte sie durch jemand bekannteres ersetzen, dachte ich, z.B. durch Katja Riemann. Na, die war nun auch schon wieder gänzlich unbekannt geworden. Ich schrie:
    "Die Schwestern von t.A.T.u. sind auch da!"
    "Tatü? Eh?"
    "Das... sind die, die beim Prix d'eurovision auftreten, nackt wahrscheinlich!" Es war so furchtbar laut. Ich hasse Lokale deswegen. Feridun hatte nicht einmal das Wort "prix d'eurovision" verstanden und fragte erneut nach. Ich sagte:
    "Prix d'eurovision, diese Fußballweltmeisterschaft für Schwule!!"
    Da er immer noch mit dem Kopf schüttelte - er saß weiter weg - überlegte ich, ob es für die Verständigung nicht besser wäre, ihm etwas von mir zu lesen zu geben. Dann fiel mir Holm Friebe ein. Der zog immer.
    "Holm Friebe kommt übrigens vielleicht auch zur großen Joachim-Lottmann-Berlinparty."
    "Echt? Holm? HOLM FRIEBE? Der Mastermind von der 'Zentrale Intelligenz Agentur'?"
    Ich nickte befriedigt.
    Nun kramte ich das Manuskript von "Frauen in Freiheit" aus der Tasche und reichte es Feridun, der es tatsächlich las. Gleichsam wie Reich-Ranicki sprach er danach bedächtig von einem "guten Text, wirklich guten Text!". Ich war natürlich froh. Endlich etwas richtig gemacht an diesem Tag. Um den guten Eindruck nicht mehr zu gefährden, wandte ich mich der wirklich gutaussehenden Geschäftsführerin des Literaturbüros Mainz Gunda Langbein (31) zu, die links neben mir saß. Noch nie hatte ich eine so schöne junge Frau gesehen. Sie war so strahlend schön, daß ich dachte, sie sei gerade erst, vor einer Sekunde, aus dem Ei geschlüpft. Dabei war sie unvorstellbar schlank und groß, hatte ein wunderbar fein geschnittenes, schmales Gesicht mit einem schön herausgemeißelten Kinn und sehr präzise gewachsenen dunklen Augenbrauen, dazu himmelblaue Augen und natürlich üppige goldfarbene Locken. Wir unterhielten uns streng über Literatur, also über Zuckmayer, der einen Roman über Mainz geschrieben hatte. Als Feridun uns so nett miteinander sprechen sah, schaltete er sich ein. Im besten Hochdeutsch beleuchteten wir zu dritt die linguistischen Raffinessen des alten Zuckmayer, der einst im Literarischen Colloquium Berlin den "Fröhlichen Weinberg" geschrieben hatte. Insgeheim dachte ich, daß es doch angenehm sei, endlich wieder in einer Zeit zu leben, in der Sex kein Thema mehr war. Später schwärmte Zaimoglu von neuen Romanciers aus der Population der Rußlanddeutschen. Er sprach so ernsthaft und leidenschaftlich, daß er mich überzeugte und ich mich nun für diese Leute zu interessieren beginne. So klang der Abend nett aus.
    Am nächsten Morgen frühstückten wir zu viert im Hotel Hammer. Thomas Meinecke erzählte vom Zündfunk, Feridun von seinem Wikingerfreund Gunter. Gunter war in der Tat eine äußerst literarische Persönlichkeit, einer, über den man gern einen Roman schriebe, wie über mich. Rainald Goetz hat ja dieses Projekt, hat aber Hemmungen, da er mich als Freund nicht verletzen möchte. Ähnlich geht es vielleicht Feridun gegenüber seinem 'Obelix' Gunter.
    "Feri, du stehst deinem Gunter zu nahe, um über ihn zu schreiben. Sollte ich es nicht tun?"
    "Du mußt immer über Frauen schreiben, mein Lieber. Das ist deine Bestimmung."
    "Apropos - wie fandet ihr Gunda, die hübsche Geschäftsführerin des Literaturbüros Mainz?"
    "Wen?" fragte Feridun befremdet und schüttelte irritiert seine teuren Ketten, Ringe und Armreife.
    "Mann, diese wahn-sin-nig gut-aus-sehende Blonde neben mir!" Ich sah Thomas hilfesuchend an. Er lächelte väterlich:
    "Du kannst sie haben!"
    Damit meinte er: ganz nett, das Mädchen, dankeschön, aber ich habe schon. Ich war ein bißchen verärgert. Warum sahen diese gestandenen Männer nicht, welches Juwel sie da vor sich gehabt hatten? Warum war ich immer der einzige, der ein Sinnesorgan für Frauenschönheit besaß? Die beiden schmunzelten über mich, machten sich über mich lustig. Ich sagte nun, daß sie "auch wirklich sehr nett" gewesen sei.
    "Ja, ja" tröteten beide wie aus einem Munde.
    "Doch! Ich mochte sie!"
    "Ha ha ha ha ha..."
    "Wir haben uns angeregt unterhalten! Über... Mainz 05... und über unsere Lieblingsbücher!"
    "So so, was liest sie denn?!"
    "Äh... im Moment nichts, weil sie gerade Stress im Studium hat. Sie schreibt ihre Abschlußarbeit... bestimmt wird es eine Eins!"
    "Ja, ja! Schreib du nur weiter deine Theorien über Frauen."
    "Wieso Theorien über Frauen? Ich rede NIE über Frauen, also nicht im Allgemeinen. Ich HASSE Theorien über Männer und Frauen. Ich mag es auch nicht, wenn einer sagt: 'Männer wollen immer das Auto selbst einparken' oder so. Widerwärtig. Da werf ich sofort den Autoschlüssel der Beifahrerin zu. Ich fühle mich durch alle "Männer sind immer..."-Sätze beleidigt, und genau dasselbe trifft auch auf die Frauen zu, logisch."
    Meinecke beugte sich vor:
    "Dann kannst du nächste Woche im Zündfunk mit Sven Lager gar nicht über Frauen diskutieren, oder was? Das steht aber auf dem Programmzettel!"
    "Nein, ich kann immer nur über EINE Frau reden und ihre Einzigartigkeit herausarbeiten, wie über Gunda Langbein, die kompetente Literaturfrau und blendende Schönheit, die Zierde der Stadt Mainz und so weiter, die Frau mit der hellen Haut, ja, einem Helligkeitsgrad der Haut und einer, wie soll ich sagen, äh, Transparenz? in der Haut, also in der... Pigmentierung?..."
    "Du klingst wie der typische Kellerkannibale! Der im Keller der Frau die Haut abzieht, ha ha ha..." lachte Feridun Zaimoglu, und ich sagte schnell:
    "... aber im Zündfunk reden wir sowieso mehr über Musik als über Frauen."
    "Ach - und über Musik geht's dann aber ganz allgemein bei dir?"
    "Oh ja, ich habe klare Musikvorlieben."
    Feridun kapperte unwirsch mit den dicken Siegelringen. "Und die wären?!"
    "Was niemand weiß, ist, daß ich sehr VIEL Musik höre und sehr ausgewählt. Mein Kriterium ist, daß ich ausschließlich allerneueste Musik höre. Genauer gesagt: die Top Twenty. Ich "lese" die neue Musik wie die entsprechende aktuelle Bild Zeitung und die F.A.Z. am Morgen und den SPIEGEL am Montag. Nie kommt es vor, daß ich ein ALTES Lied hören wollte, so wie es nie vorkommt, daß ich die Bild Zeitung vom letzten Monat läse. Konkret: Ich höre von morgens bis abens "Radio Energy", ein entsprechend programmiertes Radiogerät im Hasezimmer spielt ohne Unterbrechung 365 Tage im Jahr und 24 Stunden am Tag diesen wunderbaren Sender. Ich kenne alle aktuellen Hits auswendig und singe laut mit. Natürlich mag ich t.A.T.ü. zur Zeit am meisten sowie Kelly Rowland, Snoop Doggy Dog, Eminem, Nena, Grönemeyern, Marylin Manson, Pink, Avril Lavigne, Daniel Kühlblöck, Madonna, äh... ich mußte es erstmal ein Stündchen hören... Was hört ihr denn gern?"
    Thomas sagte, er höre die Freiwillige Selbstkontrolle am liebsten, das Motto der Band träfe auch auf ihn zu. Feridun bevorzugte Vicky Leandros.
    Es war schon spät am Morgen, die Hotelleitung forderte uns auf, das Frühstück abzubrechen und auszuchecken. So verabschiedeten wir uns sehr plötzlich. Als ich Feridun ins Gesicht sah, stiegen mir für einen Moment Tränen auf. "Er ist wie ich" dachte ich, ein absurder Gedanke, ich weiß, aber ich dachte ihn in dem Moment, warum, weiß ich nicht. Feridun fuhr nach Kiel, Thomas nach München, ich nach Berlin.
    Im Zug traf ich übrigens zufällig Stef

  12. #12
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    Und das lieben angeblich so einige - und finden supi hipliteraturemässig? Dieses öde plätschernde Namedropping?
    Geändert von tolomeo (07.06.2003 um 14:12 Uhr)

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