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Thema: Droste, Wiglaf (Ein Ständchen von Wiglaf Droste)

  1. #1
    Member Avatar von George Duck
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    Droste, Wiglaf (Ein Ständchen von Wiglaf Droste)

    Es war Silvester und ich hatte mal wieder nichts vor. Volker rief an und schlug vor, ich könne doch bei ihm vorbei kommen, wir würden zunächst ein wenig kniffeln. Später würde Daniel in der "Roten Harfe" auflegen, das wäre doch was. Ich also zu ihm, wir kniffelten (ich verlor), dann kamen noch einige Leute vorbei, dann stiegen wir auf das Dach von Volkers Wohnhaus und hatten einen schönen Blick über den Görlitzer Park. Dann war Jahreswechsel und wir hatten einen schönen Blick auf das Feuerwerk. Weiter ging es in die "Rote Harfe".

    Daniel legte auf. Und die Leute hatten Spass dabei und tanzten. Schöne Leute! Aparte junge Frauen türkischer Abstammung. Freundliche junge Männer türkischer Abstammung, die mir an der Theke einen Joint anboten. Freundliche, fröhliche Menschen jeglicher Abstammung. Viel Bier. Da lernte ich Susanne kennen. Oder Volker lernte sie kennen, das weiss ich nicht mehr genau. Einer von uns beiden jedenfalls lernte sie kennen und stellte sie dem anderen vor. Sie trug ein Kleid, das man phantasievoll nennen wollte, es bestand aus viel Tüll. Sie lernte Modedesign in Stuttgart und war auf Besuch hier. Mal tanzte sie mit Volker, mal mit mir, es war recht lustig. Irgendwann war Volker weg und wir knutschten. Später einigten wir uns darauf, dass sie bei mir übernachten würde.

    Ich wohnte damals zur Untermiete. Die Wohnungsinhaberin war eigentlich für ein Jahr nach Hamburg gegangen, um dort zu arbeiten. Ab und an kam sie aber, um in Berlin Freunde zu treffen. Gerade war sie da, um den Jahreswechsel zu feiern. Sie hatte gekocht und eine Festtafel im Wohnzimmer aufgebaut. Das Wohnzimmer grenzte an mein Schlafzimmer und war mit diesem durch eine Tür verbunden.

    Es war ungefähr halb sechs Uhr früh, als Susanne und ich ankamen. Draussen hatten die Vögel bereits aufgehört zu zwitschern und es war schon wieder hell. Leise sperrte ich die Wohnungstür auf, aber diese Rücksicht war unnötig - das Fest war noch im Gange. Durch die offene Wohnzimmertür sagten wir Hallo. Von ursprünglich wohl zwölf sassen noch vier Personen am Tisch: die Wohnungsinhaberin, ihr Freund, Wiglaf Droste und dessen Freundin. Sie waren sitzend K.O. Gerade, als wir hereinkamen, kippte der Freund der Wohnungsinhaberin mit seinem Stuhl nach hinten um. Mühsam rappelte er sich wieder hoch. Droste sprach; ich weiss nicht mehr, worüber.

    Ich weiss auch nicht, warum, aber wir setzten uns noch ein wenig dazu und tranken Wasser. Der Kreuzberger Satiriker mit den Glubschaugen war damals schon seiner Piratenhemdmanie verfallen und sah also nicht nur wegen seines Gesichtes, sondern auch wegen seiner Aufmachung recht auffällig aus. Susanne erkannte ihn nicht, kannte ihn wahrscheinlich überhaupt nicht. "Bist Du ein Opernsänger?", fragte sie unschuldig. Ein Gespräch war nicht mehr möglich.

    Wir verabschiedeten uns artig und zogen uns in mein Zimmer zurück. Während wir es uns auf dem Bett bequem machten, war aus dem Nebenzimmer zu hören, wie sich die Gäste zum Aufbruch bereit machten. Wir knutschten ein wenig, dann stand plötzlich Wiglaf Droste vor meinem Bett. "Hab' meinen Mantel hier", sagte er, und tatsächlich - da hing sein Gehrock über meinem Schreibtischstuhl. Er griff allerdings nicht danach, sondern blickte uns an bzw. Susanne. Einige Sekunden muss er so gestanden haben, wir blickten ihn verwundert an, da begann Wiglaf Droste zu singen. Es war wohl ein Cowboy-Lied in englischer Sprache. Nachdem er die erste Strophe beendet hatte, begann er die zweite. Mitten in der zweiten Strophe bekam Wiglaf Droste einen Hustenanfall. Er verlor das Gleichgewicht, beugte sich vornüber, hustend, zog sich an meinem Schreibtischstuhl wieder hoch. Sang weiter. Nach der zweiten Strophe applaudierten wir höflich, er sang noch eine dritte. Danach verbeugte sich Wiglaf Droste, nahm seinen Mantel, und ging links durch die Tür ins Wohnzimmer ab.

    Es könnte sein, dass Susanne immer noch denkt, sie habe in Berlin einen Opernsänger getroffen. Ich weiss es nicht, denn wir haben uns seither nicht mehr gesehen.
    Geändert von George Duck (26.03.2003 um 15:58 Uhr)

  2. #2
    Moderater Avatar von Murmel
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    Sehr schön. Genau darauf habe ich gewartet. Ich geh dann mal bläuen, das Ding.

  3. #3
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    Interessant an Wiglaf Droste finde ich, dass seine Augen seitlich am Kopf angebracht sind, wie bei einer Echse

  4. #4
    MaybachMember Avatar von Der Admiral
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    Stimmt, ich muß immer an Marty Feldmann denken, wenn ich Droste sehe. Bei der Geburt getrennt?
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  5. #5
    Member Avatar von JustDoIt
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    Das Schlafzimmer, Sabine im Bett und das Ständchen; super.

  6. #6
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    In diesem Droste steckt doch eigentlich ein guter Kern. Auch wenn er nie zum Vorschein kommt.

  7. #7
    Weber Member Avatar von Herr Weber
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    Ursprünglich gepostet von George Duck
    Er verlor das Gleichgewicht, beugte sich vornüber, hustend...

    Als ich das las, dachte ich: Ohje, gleich muss er sich übergeben, der Herr Droste.

  8. #8
    Seniorita Avatar von elinor
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    Ja, verblüffend!

  9. #9
    Member Avatar von Edgar_Biller
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    Mir hat die Geschichte auch ausnehmend gut gefallen.
    In diesem Forum wird generell zu wenig gelobt.
    George Duck, könnte es das folgende Cowboylied gewesen sein (nur damit der innere Film noch etwas detaillierter wird):

    Got a gun in my holster
    Got a horse between my knees
    And I'm goin' to Arizona
    Pardon me, boys, if you please

    I have been a desperado
    Raped and pillaged 'cross the plain
    Now, I'm goin' to Arizona
    Just a Rider In The Rain

    He's a Rider In The Rain
    He's a Rider In The Rain
    And I'm goin' to Arizona
    He's a Rider In The Rain
    ?

  10. #10
    Member Avatar von George Duck
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    Das war es wohl. Und vielen Dank für all das Lob.

  11. #11
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    Mannheim
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    7
    Ich habe den Unterschied zwischen Sabine und Susanne nicht verstanden. Sind sie identisch?

  12. #12
    Member Avatar von George Duck
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    Danke, Endlager. Das war ein Versehen. Schon geändert.

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