Wie bekloppt muß man eigentlich sein, um mit Willi Thomczyk zusammenzuarbeiten? Ich kann die Frage nicht zufriedenstellend beantworten, aber eingefallen ist es mir heute als ich Zeltinger hören mußte, der Zusammenhang läßt sich möglicherweise auf "Proll" reduzieren.
Jedenfalls fragte mich Willi auf der Premierenfeier meiner ersten Off-Produktion, ob ich ein Stück für ihn inszenieren würde. Ich sagte, nein du Arsch. Er bot mir DM 2000,- und ich sagte, mal sehen. Ich muß ihm dann noch meine Telefonnummer gegeben haben oder irgendeiner meiner illoyalen Darsteller hat sie ihm gegeben, er rief mich am nächsten Morgen an. Mir ging es sehr schlecht an diesem Morgen, sehrsehr schlecht. Abends war es nicht viel besser, aber ich bin hingefahren, nach Herne, und er hat mir sein Stück vorgelesen. Ja, sein Stück, er schreibt schon immer. Es war ein Monolog von einer Frau, die auf dem Klo sitzt. Furchtbar. (Ich möchte mich bitte an Details nicht erinnern, aber er hat Jahre später sogar einen Preis dafür bekommen. Vielleicht wars also doch nicht so schlecht, ich konnte nichts damit anfangen.)
Ich hörte mir das eine halbe Stunde lang an (es war absurd, ich war immer noch betrunken und Thomczyk saß breitbeinig in grauen Jogginghosen auf einem Stuhl in seinem Wohnzimmer und gab mit aller Kraft eine frustriert onanierende junge Frau), dann sagte ich: "Da läuft ein Käfer über deinen Teppich."
Er sagte: "Blöde Kuh, jetzt hast du mich rausgebracht."
Ich sagte: "3000,-"
Er sagte: "Ach Scheiße, okay, egal." und taxierte meine Brüste.
Ich probte die nächsten drei Wochen mit einer verzweifelnden aber gar nicht so unbegabten Darstellerin in einer Garage in Bochum-Hattingen, dann zogen wir um in die Flottmann-Hallen nach Herne wo Willi, ebenfalls seit drei Wochen mit einem verzweifelnden, aber nicht unbegabten Darsteller ein Stück von Tom Mega probte. Das ganze sollte ein Doppel-Abend werden: Ich mach Willis Stück, Willi macht Toms Stück, die Autoren überwachen vice versa die Proben und das Publikum bekommt die volle Packung Ruhrgebietspoetik an einem Abend für nicht viel Geld.
Ab dem Beginn unserer gemeinsamen Probenarbeit wurde es dann richtig lustig: Willi ging abwechselnd mir und der Schauspielerin an die Titten, Tom erzählte abwechselnd von dem Erwerb eines Pierre Cardin Morgenmantels und wie er sich mal mit Salzsäure überschüttet hatte. In den Probenpausen setzten sich Tom und Willi abwechselnd an den Flügel und spielten und sangen schöne, traurige Sachen. Und während die Darsteller ob des fragwürdigen Regie-Autoren-Teams zusehends nervöser wurden, fing ich langsam an, wirklich Spaß zu haben. Ich mochte diese beiden kindischen, kaputten Clowns und die tiefe, absolut unerschütterliche Freundschaft, die sie verbindet.
Auf der Premierenfeier (es war ein mäßiger Erfolg) übergab Willi mir meinen Scheck zusammen mit einer Geschichte über eine zugekokste Nutte, die er auf einem Autobahnparkplatz mit einem Bac-Deoroller befriedigt haben wollte. Ich sagte: "Tolle Geschichte Willi, vor allem in diesem Zusammenhang." steckte mein Geld ein und setzte mich zu meinem Vater, der nicht viel sagte, mir aber eine CD-Box mit Wagners komplettem Ring überreichte. Ich hatte an dem Abend nämlich Geburtstag.
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