Wer, wie ich, in den 60er Jahren aufwuchs und in München lebte, wusste, was an langen Sonntagnachmittagen zu tun war. Man ging ins Kino. Gemeinsam mit vielen anderen Halbwüchsigen verbrachte ich Jahre meines Lebens in kleinen und großen, plüschigen und kargen, schönen und hässlichen Kinosälen. Und in allen Filmen, die wir uns anschauten, spielte Eddie Constantine mit.
Eddie war unser Held und keiner von uns konnte ahnen, dass er Jahrzehnte später zur Kultfigur werden sollte. Seine Filme waren - man muss es so drastisch ausdrücken - grottenschlecht, aber wahnsinnig unterhaltsam. Und sie hatten herrliche Titel wie "Eddie, Miezen und Moneten" oder "Eddie, Tod und Teufel" oder "Eddie krault nur kesse Katzen" oder "Eddie, gib ihm Saures". In vielen Filmen verkörperte Eddie Constantine den FBI-Agenten Lemmy Caution, in anderen Streifen jedoch hieß er einfach nur Eddie. Später spielte er dann ein paar Mal den Detektiv Nick Carter, wobei mir hier vor allem der Film "Nick Carter schlägt alles zusammen" in allerbester Erinnerung blieb.
Nun aber zu meiner Begegnung mit Eddie. Lange bevor ein Film wie die Rocky Horror Picture Show das Publikum zum kollektiven Reiswerfen und Strapsetragen animierte, schaffte es Eddie Constantine, den Kinosaal zum Tollhaus zu machen. Es war nämlich so, dass wir, die Halbstarken, mit Eddie "sprachen". Im Film. Und das sah dann so aus: Schlug Eddie einen Bösewicht zusammen (was pro Film etwa 40 Mal der Fall war), johlte das ganze Kino und applaudierte!! Viele brüllten während des Films "Gib's ihm Eddie!" oder "Achtung, Eddie!". Und jedesmal, wenn Eddie einen umgenietet hatte, gab's ein ähnliches Gebrüll wie im Fußballstadion, wenn das entscheidende Tor gefallen ist.
Irgendwie muss sich das bei den Produzenten herumgesprochen haben. Denn eines Tages geschah das, was keiner von uns erwartet hatte. Es erscheint mir noch heute, über 30 Jahre später, sehr unwirklich und ich weiß nicht mehr, in welchem der unzähligen Filme sich die folgende, schicksalhafte Begegnung mit Eddie abspielte:
Es war wieder einer dieser Sonntagnachmittage und das Kino war bis auf den letzten Platz gefüllt. Alles Eddie-Fans, ganz klar. Man brüllte und johlte sich wieder durch den Film und Eddie hieb und drosch auf alles ein, was ihm in die Quere kam. Und dann kam es zur Szene, die mir noch heute eine Gänsehaut über den Rücken jagt. Eddie stand irgendwo alleine herum und von hinten nahte ein Bösewicht. Der finstre Geselle kam immer näher und Eddie schwebte in großer Gefahr. Das ganze Kino brüllte: "Eddie!!! Hinten!!! Pass auf!!!" Und dann drehte sich Eddie in letzter Sekunde um, drosch dem Bösewicht seine Faust mitten ins Gesicht, drehte sich zur Kamera, schaute direkt in die Kamera, hob lässig die rechte Hand nach oben, wie es Staatsmänner bei Paraden tun, blickte uns alle an und sagte: "Danke Jungs."
Im Kino wurde es mucksmäuschenstill. Keiner hatte damit gerechnet, dass Eddie jemals zu uns und mit uns sprechen würde.
Anschließend aber brach ein so ohrenbetäubendes Jubelgeschrei los, dass man vom Rest des Films nichts mehr mitbekam. War aber auch egal.
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