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Thema: Sommer, Ariane

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    Avatar von Joachim Lottmann
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    Ariane Sommer

    Ariane Sommer


    "Hallo Bel-Ami! Ich habe Sie mir viel älter vorgestellt!"
    Was für ein Entrée. Natürlich fand ich Ariane Sommer immer schon klasse. Aber als sie dann vor mir stand, im Café des Literaturhauses in der Fasanenstraße! Alles hatte ich erwartet, nur nicht, daß sie mich Bel-Ami nennen würde! Doch ich will der Reihe nach berichten. Jede Geschichte hat ihre ganz besondere Vorgeschichte, wußte schon Lukrez, und die von Ariane Sommer ist nicht nur besonders lang, sondern besonders einzigartig, ja verblüffend...
    Als Pubertierender sah ich einmal nachts im Fernseher unter dem Bett den Film "Ekel" von Roman Polanski, in dem die blutjunge Cathérine Deneuve eine verhaltensgestörte, autistische Blondine spielt, in Schwarzweiß. Ich komme noch darauf zurück.
    Am 19. Januar 1982, ich war nun schon ausgewachsen, erlebte ich den ersten und ganz sicher auch letzten epileptischen Anfall meines Lebens. Ich hatte mit einer jungen Frau, mit der ich einst die Schulbank "gedrückt" hatte, wie es so sinnig heißt (natürlich drückt man etwas ganz anderes), eine Woche lang nichtsexuellen Verkehr gehabt. Ich hatte sie immer morgens getroffen, in dieser Woche, dann waren wir spazieren gegangen, dann in die Museen (sie war kunstinteressiert, als Tochter eines großen deutschen Nachkriegsmalers), dann in die Cafés, dann wieder die Boulevards entlang (d.h. die Leopoldstraße in München herauf und herunter und wieder herauf), dann nach Hause, wo wir Alkohol tranken. Mein Ziel war es natürlich, mit der jungen Künstlerin zu schlafen. Wir hatten das nämlich schon auf dem Schulhof verabredet. Ich hatte sie damals gefragt: "Wenn ich keine Freundin hätt', gell, und Du amal keinen Freund... dann..." Sie nickte: "Dann gehn wir miteinander."
    Und so war es gekommen. Meine Freundin Kirstin Ruge hatte mit mir Schluß gemacht, und der Maler Jan Philipp v. Bertheaux hatte mit ihr aus Standesgründen die Trennung vollziehen müssen, was ihm gewiß nicht leicht gefallen war. Wir waren also beide solo. Ich löste das alte Gelöbnis ein und fuhr von Hamburg, wo ich geboren war, nach München, wo ich zur Schule gegangen war mit besagter Dame. Sie empfing mich mit offenen Armen, wie sich denken läßt. In ihrem kleinen Zimmer in der Maxvorstadt tranken wir Alkohol. Sie war wirklich ein schönes Mädchen geworden, fast schon eine richtige Frau und gut entwickelt. Sie hatte herrliche, leicht nach außen stehende Titten, eine sehr helle Haut und fast weiße, langsträhnige, glatte und dichte Blondhaare, die ihr nervös ins Gesicht hingen und die sie immer wieder ebenso nervös wegpustete. Die Haare waren gefärbt, aber das waren die von Cathérine Deneuve auch (die von Ariane nicht). In der Schule, auf den Innentüren der Knabentoiletten, hatten einst eingekratzte Botschaften auf Eva Maria, so hieß die Schöne, aufmerksam gemacht: "Try Eva fast hand Maria", "Eva fast hand Maria rides best", und so weiter. Es gab an der Schule mehrere Mädchen mit diesen in Bayern häufigen Vornamen, aber ich glaubte, es könne nur meine hübsche Banknachbarin sein. Ein Fehler? Ich war jedenfalls nervlich beschädigt ins Bett gegangen, als mich Eva Maria am ersten Abend nicht angefaßt hatte. Auch ich hatte sie natürlich nicht angefaßt, so etwas muß in unserem Kulturkreis stets die Frau machen; das ist ihr kulturhistorisch verbrieftes Recht, alles andere zählt als Vergewaltigung. Nun, die vielen Stunden des Redens, Lachens und geistreich-belanglosen Scherzens hatten mein Nervenkostüm wundgescheuert. Ich bin normalerweise ein nervlich sehr stabiler Mensch. Ich könnte Jahre auf einer einsamen Insel durchhalten, ohne depressiv zu werden. Aber das Soziale strengt mich an. Etwas in mir fordert anschließend eine Kompensation in Form von körperlicher Wärme. Das muß gar nicht Sex sein, da Sex ebenfalls etwas Soziales ist und anstrengt. Nein, ich muß meinen armen, vom Kommunizieren wirr gewordenen und heißgelaufenes Kopf auf eine wohlwollende, üppige, am besten noch junge Brust betten. Am liebsten ist es mir, die Frau schläft schon, und ich höre ihren ruhigen, gleichmäßigen Herzschlag. Das, nur das, zusammen mit der warmen, gut durchbluteten Haut, dem nachtwarmen Körper unter der gemeinsamen Decke, beruhigt mich und macht das grelle, sinnlose, uferlose Geplapper und Geschnatter des Tages vergessen. Die vielen "Meinungen", die keine sind, die ganze Verirrung und Fehlsteuerung eines jungen Menschen im Hoch- oder Spät- oder Postkapitalismus, diese ahnungslose Verzweiflung eines Gehirns ohne Bewußtsein... Welch ein Segen, wenn solch ein Geist endlich ruht und da nichts ist als ein blühender, aber gewissenhaft schlafender Frauenkörper.
    Jedoch, es kam ja nicht dazu. Ich wurde am ersten Abend nach 14 1/2 Stunden der charmantesten Konversation nervlich erschöpft und mental zugrundegerichtet ins Hotel abgeschoben, und am zweiten Tag wiederholte sich der Ablauf. Auch am dritten. Ich zitterte schon, konnte keine Zigarette mehr halten, hatte brüllende Kopfschmerzen. Und wie das so ist, jeder kennt das ja: Je länger das "reizende Verhältnis" körperloser Zugeneigtheit andauerte, desto unmöglicher wurde es, die aufgebaute physische Sperrmauer zu durchbrechen. Am Ende des siebenten Tages rief ich verzweifelt, nein, ich konnte es nur noch flüstern, nein, nur röcheln: "Wollen wir jetzt nicht zusammen ins Bett gehen?"
    Sie verstand nicht, was ich gesagt hatte. Ich glaube wirklich, sie zwang mich, den Satz zu wiederholen. Sie wich dann ruckartig einen halben Meter zurück und drehte dabei ihr Gesicht weg, stand dann auf, stand dann da im Raum auf ihren zwei strammen Beinen, irgendwie recht selbstbewußt. Sie sagte noch, obwohl sie gewiß fassungslos war: "Du... du meinst... ob ich dich als Mann will?!" Sie sprach das Wort Mann so seltsam aus, wie Martin Luther es getan hätte, wenn er über Mann und Waib gepredigt hätte. Als ich "Ja" sagte, geschah das Schrecklichste, was ich je erlebt habe. Eva Maria bekam einen hysterischen Lachkrampf. Das schreibt sich so einfach dahin, aber in echt ist es furchtbar. Noch heute höre ich manchmal dieses gekreischte Lachen, nachts, wenn ich alleine wach liege... Damals, in dieser Nacht vom 19. Auf den 20. Jänner 1982, vor über 20 Jahren also, bewegte ich mich rückwärts und angstgeschüttelt aus dem Zimmer, der dunklen Treppe entgegen, die ich Etage für Etage nach unten stürzte, ohne Jacke und Mantel. Auf der Plattform der ersten Etage erlitt ich den besagten Ausbruch von Epilepsie, den ich nicht weiter schildern will, um den Leser nicht zu verschrecken.
    Hannelore Kohl ist bekanntlich an einer Krankheit namens Lichtallergie gestorben. Sie hat sich nicht gekillt, weil der Alte sie schlecht behandelte, wie der stern behauptete, nein. Sie ertrug das Licht nicht, und eines Tages wurde sie immun gegen das Gegenmittel (Aluminiumhydroxid), mußte immer im Keller bleiben, was auf die Dauer doof war. Die Parallele zu mir liegt auf der Hand: Das Soziale war für mich das Licht, gegen das ich allergisch war, und der ruhende, mir nichts Böses wollende junge Frauenkörper das Gegenmittel. Ein alter Frauenkörper oder auch ein Tier wirkten nicht, da ich mich vor beidem fürchtete. Alte Frauen gemahnten mich an meine Mutter, die den armen Vater so gequält hatte, und Tiere waren geistesgestört und übertrugen Krankheiten. Nur überirdisch blonde, kratzerfreie Engel brachten die optimale Wirkung, Wesen wie die somnambule Cathérine Deneuve von 1964 oder die zugekokste Ariane Sommer ohne Slip auf der Stretchlimo-Rückbank von 2002. Frauen auf Drogen waren sowieso gut. Wenn sie in die tiefen Kissen versanken und in die endlose Ferne des Dämmers... aber greifen wir nicht vor, bleiben wir bei Hannelore Kohl und meiner Lichtallergie. Diese Eva fast hand Maria hatte also einen Nervenzusammenbruch bei mir herbei geführt. Was bedeutete das? Ich konnte fortan anderthalb Jahre lang nicht allein sein, nachts nicht schlafen, nicht schreiben, nicht Geld verdienen, und ich befand mich die ganze Zeit in einem Zustand der Angst. Das war wirklich nicht schön. Meine Freunde halfen mir, doch tatsächlich wußte niemand, wie es wieder aufwärts gehen solle mit mir, am wenigsten ich. Damals war es noch nicht üblich, junge Leute zum Psychiater zu schicken. Man hielt Zustände wie meine für normale Erscheinungen einer Selbstfindungsphase. Da ich so kaputt war, gelang es mir nicht, Frauen für die Nacht aufzutreiben, schon gar keine blonden und auch keine mit schönen strammen Brüsten. Wenn ich es versuchte, dachten sie, ich wolle bloß mit ihnen ins Bett und wandten sich angeekelt ab (genau wie dieDeneuve in Ekel, daher der Titel). Also, sie dachten, ich wolle sie penetrieren. Sie waren besessen von dem Gedanken. Hätte ich gesagt, ich wolle bloß neben ihnen liegen während sie schlafen und das blöde Penetrieren mache ich bloß so nebenbei, hätten sie wieder hysterisch gelacht wie Eva Fasthand und mich in die nächste Bedrouille gebracht. Ich hatte also kein "Gegenmittel" mehr. Meine ratlosen Freunde nahmen mich auf Partys mit. Diedrich Diederichsen nahm mich JEDEN ABEND mit in eine Bar mit vielen Menschen. Mit anderen Worten: Obwohl ohne Gegenmittel, war ich mehr denn je dem ausgesetzt, was mir so zusetzte wie Hannelore Kohl das Licht: dem Sozialen. Die Folge war, daß ich fast ein Jahr lang immer kurz vor der Epilepsie und auch dem Selbstmord stand. Ich hatte mir selbst das Versprechen gegeben, genau ein Jahr lang durchzuhalten. Erst am 20. Januar 1983 wollte ich das Gift nehmen. Diese Überlegungen wurden irgendwie publik, und meine Freunde beschworen irgendein Mädchen, sich doch um Gottes Willen mit mir einzulassen. Na, so "irgendeins" war es nicht, es war schon blond, sehr blond sogar und gut bestückt. Vom 14. Dezember 1982 an hatte ich wieder mein "Gegenmittel". Aber es dauerte bis in den Sommer 83 hinein, bis ich wieder ein Gleichgewicht zwischen Geselligkeit und Ruhe fand, und bis ins Jahr 1986 hinein, bis ich wieder schreiben konnte. Mein zerfetztes Nervenkostüm mußte erst wieder zusammenwachsen, und das brauchte, wie man sieht, viele Jahre. Ich wurde auch nie wieder so nett und naiv wie vordem. Ich bedaure das sehr. Meine ungewöhnliche Art hatte man früher für kindsköpfig gehalten und "verrückt" (das Wort, das die einfachen Leute gebrauchen, wenn sie lustig meinen), nun jedoch hielten mich manche für "böse", womit sie meinten, daß sie mich nicht verstanden. Und da sie mich nicht verstanden, hatten sie Angst vor mir. Nicht nur Rainald Goetz, auch viele junge Frauen empfanden so, was es mir schwer machte, sie zu erobern. Ich fand das schade.
    Ich will hier eines klarstellen: Es ist mir nie um Sex gegangen. Den Geschlechtsverkehr selbst finde ich oft langweilig. Also dann, wenn die Frau über dreißig ist, Frauenzeitschriften liest und "gut im Bett" sein will (und womöglich noch Glatze trägt und ein Tattoo am Oberschenkel, das mann "witzig" finden soll). Ich gebe zwar zu, daß mir nichts soviel Spaß gemacht hat wie das Vögeln mit der Superblondine Kirstin Ruge, woran ich heute noch seligen Auges und zu Tränen gerührt zurückdenke. Ja, ich kann mich an jedes einzelne Mal erinnern, an jede Sekunde, und es ist das einzige, weswegen mein Leben einen Sinn gehabt hat. Gut, das gebe ich ja alles zu. Aber was meine Nervenkrankheit anbelangt, so zählte der Sex überhaupt rein gar nicht. Es ging um die Nähe. Meine Mutter war überraschend gestorben, als ich sechs Monate alt war, und mein armer Vater hatte vergessen, einen Ersatz zu beschaffen. So erklärt sich das, um nur das Wichtigste zu nennen. Auch mein Vater mochte übrigens junge bzw. üppige Blondinen gern, weswegen er nach Bayern zog und dort ein Internat für Mädchen leitete. Zur Nachhilfe bei uns zu Hause erschienen ausschließlich wahre Busenwunder, sodaß meinem Bruder und mir die Ohren glühten, sobald wir nur die Tür aufmachten oder den Tee servierten. Papi hatte wirklich Geschmack, und ich verdankte ihm sogar jene so wichtige erste Freundin. Das war, als ich zum erstenmal auf eine Party eingeladen war und absolut kein einziges Mädchen wußte, praktisch nicht und theoretisch nicht, das ich fragen konnte mitzukommen. So wandte ich mich an Papi. Ich finde übrigens nicht, dass er Busenfetischist war. Das sah nur so aus. Er mochte eherdie Seelen jener armen Schülerinnen mit dem Sonderschicksal 'Objekt der Begierde', wofür sie nichts konnten. Jedenfalls teilte mir Vater in seiner wortkargen, pflichtbewußten Art mit, wo und wann ich das Mädchen treffen solle. Es handelte sich dann um ein blondes kleinwüchsiges Wesen mit derart überdimensionierten sekundären Geschlechtsmerkmalen, daß man sie im Zirkus hätte ausstellen können. Aber für mich war es gut, und wir teilten noch bis 1982 hinein das Bett, obwohl wir schon seit 1976 kein Paar mehr waren. Eine genial gute Konstruktion. Mein heutiger Nervenarzt kriegt feuchte Augen, wenn ich ihm davon erzähle...
    Doch was ist nun mit Ariane Sommer? Vielleicht war schon ihr Nachname ein Wink des nahenden Schicksals. Denn im Sommer des Jahres 2002 "überschlugen" sich die Ereignisse, wie es im schlechten Deutsch heißt. Da war zunächst eine Frau, die hieß, äh, das sagen wir jetzt mal nicht, aber mit der war ich seit dem Mauerbau oder länger liiert, bis sie sich von mir trennte. Der Leser ahnt es: da bahnt sich eine Wiederholung an! Und in der Tat, ich schlief nachts wieder allein, und das gesellige Trinken mit Fremden brachte mich um. Gewitzt wie ich (geworden) war, sah ich mich nach etwas Neuem um. Papi war nun leider schon tot. Ich war auch keine 15 mehr (oder 28 und aussehend wie Victor Ward). Die jungen Mädchen liefen nun schon vor mir weg, bevor ich überhaupt etwas Unsittliches gesagt hatte. Seltsam war das. Die starke nervliche Anspannung ließ mich nun sehr schnell altern. Nach nur vier Wochen ohne "Gegenmittel" sah ich bereits zehn Jahre älter aus. Da ich beruflich erfolgreich war, gab es durchaus Frauen, die mit mir schlafen wollten. Und keine üblen Weiber, mein lieber Scholli! Starke Frauen, die tough waren, etwas geleistet hatten im Leben! Die Kinder waren aus dem Haus und das Tattoo am Oberschenkel war keineswegs weniger witzig als sonst immer! Da war jemang jung geblieben, wow! Und ich konnte nicht mithalten. Der Sex strengte mich an, brachte meinen Kreislauf durcheinander. Es war nicht direkt schlecht, aber ich bekam einfach Depressionen davon. Wegen der widerwärtigen Worte, die dabei gesprochen wurden? Oder weil dabei geschwiegen wurde? Oder beides, weil meistens geschwiegen wurde und wenn nicht, man Worte hörte wie "... weil, weißt du, du mußt dich selbst lieben, dann werden dich auch alle anderen lieben, denn es ist ja so, daß..." und das Herz einen jähen Ausfallschritt hin zum Herzinfarkt machte, weil man gar nicht mehr wußte, was man und in welcher Schärfe... ach, es lohnt nicht, darüber zu schreiben, es ginge auch am Thema vorbei. Das Thema heißt ja: Wie begegnete ich meiner Traumfrau Ariane Sommer! Und wir waren gerade im Frühsommer 2002, beim Durchlaufen diverser Kandidatinnen, sozusagen im Vorlauf. Um nicht zu langweilen, mache ich es kurz: Eine junge Ossi-Frau wurde mir von einem Schriftstellerkollegen empfohlen. Sie sei sehr sauber, meinte er, sehr reinlich, außerdem könne er sich für sie verbürgen. Im Osten heiratete man ja früher jung; er war mit ihr von 1988 bis 1999 verheiratet gewesen, dennoch zählte sie kaum 30 Jahre. Mit ihr hatte er seine größten Erfolge als DDR-Underground-Geheimtip gehabt, mit ihr war er einst aufgestiegen: das sprach doch, glaube ich wirklich, total für das Girl (Thomas Meinecke, ein anderer Kollege, sagt zu allen Schriftstellerfrauen immer "girl", wohl weil er aus Amerika kommt). Sie war auch sofort bereit, mich zum Freunde zu nehmen. Leider war sie von Natur aus unsicher. Sehr unsicher. Diese Eigenschaft definierte sie. Der Kollege und Ex-Mann sagte es mir gleich. Es sei schon immer ihr alles überschattendes Problem gewesen. Man habe jahrelang daran gearbeitet. Doch umsonst. Mehrere Therapien habe sie abgebrochen. Und in der Tat: das Mädchen sagte nichts vor lauter Unsicherheit. Ich mußte für zwei reden. Umso anstrengender war das sogenannte Soziale für mich in diesem Fall. Es war, als müsse Hannelore Kohl ihre Schwiegertochter im Hochsommer in die Türkei begleiten. Ich brannte schon am ersten Abend vollkommen aus. Als ich mich dann zu ihr legte, schlief sie nicht ein, sondern war immer noch unsicher. Sie weinte dabei. Sagte aber nicht, warum. Es war entsetzlich. Die ganze Nacht lag sie wach und weinte, während ich aus schierer Nervenüberreizung und Totalerschöpfung einschlief. Wir trafen uns noch fünf weitere Nächte, immer geschah dasselbe, ich mußte reden bis kurz vorm epileptischen Anfall. Da floh ich aus der Stadt und erholte mich bei meiner Ex-Frau. Gott sei Dank ging das noch. Aber sie kannte mich ja und wußte, was ich brauchte und wie arg es um mich stand. Dennoch wollte ich die Beziehung zur 'Unsicheren' nicht verloren geben, denn ich fand die Frau rührend in ihrer Schüchternheit. Ich mochte sie. Ich war fast schon ein bißchen verliebt in sie (na, wollen wir mal nicht übertreiben). Ich wollte weiter mit ihr zusammen sein, sie aber nicht sehen, weil mich das doch "nervlich so anstrengte", wir erinnern uns. Das war doch "Die Soziale Situation", wie ich es in meinem Tagebuch nannte und auch meinen Freunden mitteilte. Das Schlimme ist immer, dass es niemand glaubt. Spöttisch werde ich manchmal gefragt "Na, kommst du mit in 'Gosworth Park', oder ist das schon wieder 'Die Soziale Situation'?" Und ich kann dann nur schief lächeln. Sie ahnen ja nicht, wie ich energetisch ausblute bei sowas. Vor allem bei der 'Unsicheren' blutete ich aus, und so verlegte ich die Beziehung ins Virtuelle. Jeden Tag bekam sie von mir Briefe, Geschenke, Blumen per Boten, Bücher und so weiter, nur sehen wollte ich sie nicht. Da war ich wie Kafka bei Milena. Sie aber konnte sich auf dieses ganze Verhalten keinen Reim machen. Eines Tages eröffnete sie mir mit belegter Stimme, sie würde mich für verrückt halten. Also wirklich verrückt. Nicht abweichend im Verhalten, sondern richtig gaga. Wie jemand, der glaubt, Außerirdische zündeten sein Haus an, so gaga. Sie scherzte nicht. Es war ihre Art, sich mein widersprüchliches Beziehungsverhalten (von großer Liebe schreiben, aber nie präsent sein) zu erklären. Andere Frauen reagierten auf andere und nicht minder schreckliche Art. Eine Frau sagte mir nach acht Wochen vorwiegend virtueller Liebe, sie glaube, ich sei pervers. Also wirklich pervers. Ich hätte eine tote Frau im Bett und die Einzelteile einer weiteren im Kühlschrank - das habe sie geträumt. Ich konnte nur meinen Hut nehmen und mich empfehlen. Einige wenige unterstellten mir eine dubiose sexuelle Beziehung zu meiner Nichte, aber diese eigentlich naheliegende Erklärungsvariante war zu nachvollziehbar und nicht unheimlich genug. Man stelle sich vor, die Dorfbewohner von Oggersheim hätten von der Lichtallergie nichts gewußt: sie hätten diese Frau, die da immer nur im dunklen Keller ausharrte, unheimlich gefunden und ihr alle möglichen perversen und unheimlichen Dinge angedichtet. Im Laufe der Jahre wäre sie ins Abseits gerutscht. Wie ich. Doch forsch weiter in der Geschichte. Als nächstes kam, im Mai 2002, eine junge Musikerin in mein Leben, die ich wählte, da offenbar sie mich gewählt hatte. Sie spielte die Erste Geige bei den Berliner Philharmonikern, war Anfang 30 und verrückt nach mir, wie es zunächst schien. Seit dem dritten Lebensjahr übte sie täglich vierzehn Stunden auf der kostbaren (sehr teuren) Violine. Aufgewachsen war sie in einem Barockschloß. Sie war ein durch und durch prä-moderner Charakter, in dem extremen Maße, wie ich ein postmoderner Charakter war. Wir hatten ideengeschichtlich keinerlei gemeinsame Schnittmenge und konnten uns, wenn kein Dritter im Raume war, nicht verständigen. Sie war sehr blond, hatte große, kobalt-, nein preußisch-blaue Augen, und als ich sie fragte, ob wir nicht heiraten wollten, hatte sie ja gesagt. Sicherlich war es halb im Scherz gewesen, aber eben auch halb im Ernst. Das reichte mir. Sie hielt mich für einen großen Dichter, für einen heutigen Hugo von Hoffmannthal wahrscheinlich, einen göttlichen Verseschmied. Sie war noch Jungfrau. Der einzige Freund, den sie einmal gehabt hatte, war von ihr fortgeschickt worden. Hatte er sie geschlagen? Betrogen? Beides? War er Trinker gewesen? Homosexuell? Gemein? Unsensibel? Blöd? Nein, er hatte gegen irgendeine juristische Petitesse verstoßen, irgendeine Prinzipienreiterei war das gewesen von ihrer Seite aus, niemand hatte einen Schaden gehabt, ganz im Gegenteil: der Mann hatte ein Foto von ihr mit Geige, das er gemacht hatte, sie züchtig angezogen und ernst blickend, einem Freund mit Galerie überlassen, ohne sie zu fragen. Das war der Trennungsgrund. Daß er nicht vorher gefragt habe. Natürlich hätte sie ja gesagt, aber er habe nicht gefragt. Das regte sie noch Jahre später auf, diese Verletzung eines Prinzips. Fast täglich fing sie davon an, und jedem neuen Bekannten erzählte sie den "Skandal". Man kann sich gut vorstellen, wie solch eine Frau tot umfiele, erführe sie auch nur von einem Promille meiner Tabu- und Prinzipienverletzungen, die ich täglich und vorsätzlich beging! Ich blickte in einen Abgrund, denn sie glaubte inzwischen wirklich, wir würden heiraten. Selbst Ringe hatten wir schon getauscht. So versuchte ich einmal äußerst vorsichtig, sie in Bezug auf den "Skandal" endlich milde zu stimmen. Ich erfuhr, daß das strittige Foto wohl recht gelungen war, der Blickfang der Ausstellung gewesen und für 8.000 Mark verkauft worden war. Der Verlobte kaufte es sofort zurück (anstatt die Hochzeitsreise davon zu bezahlen), als er den Ärger merkte. Tja, nicht einmal der humorloseste Winkeladvokat hätte bei solch einer erfreulichen realen Lage mit einem Geschäftspartner gebrochen. Ich versuchte unendlich behutsam, die Lage des Verlobten zu erklären. Die Frau bewegte sich in dieser mehrstündigen Psychositzung nicht einen Millimeter. Sie war in ihrer Kompromißlosigkeit nicht nur gnadenlos, sondern unmenschlich. Übersetzt ins praktische Leben hieß das: sie war böse. Und zwar so spezifisch böse, wie es wohl nur die Nachkommen jener sein können, die ohne jegliche Gewissensbisse, aus Prinzip sozusagen, 55 Millionen Menschen um die Ecke brachten. "Was?! Sie haben eine Schraube achtlos weggeworfen? Das ist Wehrkraftzersetzung! Abführen und erschießen!!" Ich weiß, solche Vergleiche sind out. Ich stelle sie auch nicht an. Ich nicht. Nicht, weil ich es nicht meinen würde, sondern weil Nazi-Vergleiche einfach total verbraucht sind. Nein, die attraktive Geigerin (denn das war sie) hatte absolut nichts mit dem Dritten Reich zu tun, sie hatte ideengeschichtlich das Barock nie verlassen. Ich sage nur, daß gnadenlose Maßlosigkeit, Kompromißlosigkeit und Unverhältnismäßigkeit der Mittel bei ihr stärker ausgeprägt waren als später bei Freisler und Konsorten. Sie selbst nannte sich liebevoll einen "westfälischen Dickschädel". Es wird Männer in ihrem langen Leben gegeben haben, die das erst auch so sahen, sich verliebten, alles taten, alles versuchten, sich selbst dabei fast verloren - und doch nicht anderes bekamen als einen eisernen Schlag ins Gesicht. Würde ich einer von ihnen werden?
    In Gesellschaft hatten wir wundervolle Erlebnisse, auch wenn mich das natürlich nervlich über alle Maßen und über jede Vorstellung, die sich ein normaler Mensch davon machen könnte, anstrengte. Wir begannen den Tag manchmal mit einer Wohltätigkeits-Matinée am Vormittag (sie spielte Geige), schüttelten Hände, machten small talk, wechselten dann zu einem Brunch bei befreundeten Musikern (sie spielte Geige), oder einer Geburtstags-Party in der ehemaligen Ossi-Theaterszene (sie spielte...), oder einem richtigen Konzertabend in der Staatsoper (sie...), der mit Kollegen, Librettisten und Verwandten in der Kantine ausklang. Danach fuhr ich sie nach Hause, nervlich schon das World Trade Center nach dem Anschlag. Ich fieberte der Nacht entgegen. Doch jedesmal, wenn ich die Treppen hochsprang, fragte sie befremdet, wieso ich mitginge. Ob ich vielleicht eine Intimität erzwingen wolle, die normalerweise niemals stattfände? Es kam stets zu äußerst häßlichen Szenen. Und immer wurde ich ungetröstet nach Hause geschickt, wo mich nur viele Valium ruhigstellen konnten.
    Für sie war der Fall klar. Ich konnte mich sogar in sie hineinversetzen: Es war ein sogenannter großartiger Abend gewesen, war das nicht genug im aktuellen Stadium der Verlobung? Was wollte er denn noch, der unersättliche Herr Dichter? Einen Kuß? Nun, dann zeige er wenigstens Mut und raube einen! Das trüge ihm eine saftige Ohrfeige ein, würde aber als Pluspunkt gewertet werden. Ja, das Burgfräulein hätte ihn nur noch lieber nach solch einer schneidigen Tat... aber sein Ohr auf ihre unberührte Brust legen, zum schieren Pennen, oh mein Gott! Der Mann war ja unmöglich!!
    Und so verlor ich sie wieder. Sie begriff, das einer, der sowas von ihr wollte, nicht v. Hoffmannsthal war, sondern ein niederträchtiger Schurke, der sich ins Schloß geschlichen hatte. Von einem Tag auf den anderen sprach sie kein Wort mehr mit mir, ohne sich zu erklären. Das war am 21. Juni des Jahres 2002, einem Freitag. Ich war schon wieder allein. Die Valium gingen mir aus, das Nervenkostüm war nach sieben Wochen Konversation über Mozart, Bach und Brahms bis auf den Stumpf niedergebrannt. Ich konnte nicht mehr schreiben. Meinen Freunden begann ich wieder leid zu tun, und sie nahmen mich zu Partys mit, wo ich weiter abfackelte. Es war ja die Zeit der Fußball Weltmeisterschaft, und die Freunde "kümmerten sich rührend" um mich. In großer Runde wurden die Spiele geguckt, mit viel Bier und Gelächter, immer auf niedrigstem Niveau, immer krachend lustig und derb, bis mir schwindlig wurde und ich fast vom Stuhl sank ins bewußtose Nichts. Nur das Endspiel war gut, das ein Freund von mir in einem italienischen Restaurant zelebrierte. Deutschland verlor, und das können sie immer gut, die Deutschen, verlieren. Mein mitfühlender Freund hatte mir vorher Beruhigungstabletten zugeschoben, und so ertrug ich diese "Soziale Situation" ohne den üblichen Nervenkollaps. Aber lange konnte es nicht mehr gutgehen mit mir. Denn ein weiteres Mal half mir die Ex-Frau nicht mehr. Ich schaffte mir zwei Haustiere an, wirklich intelligente Tiere, die mich gut verstanden, aber auch sie schliefen nachts lieber ohne mich. Es war zudem ein Paar, das sich sehr mochte. Bald würden sie Kinder haben.
    Als nächstes kam eine Frau, über die ich nicht schreiben darf. Dieses Versprechen hatte ich ihr ziemlich am Anfang gegeben. Sie hatte nämlich vermutet, die Violinistin habe sich zurückgezogen, damit ich nicht über sie schreiben könne (ohne sie vorher gefragt zu haben!). Daraufhin wollte ich von der neuen Frau wissen, ob sie denn Angst vor so etwas habe. Als sie lachend bejahte, gab ich ihr das Versprechen. Ich kann daher über diesen Teil des Sommers nichts sagen und muß direkt zum Ariane-Teil übergehen, der damit begann, daß ich in einem alten Männermagazin Nacktfotos von ihr entdeckte, zufällig, beim Zahnarzt. Ich hatte noch niemals vorher eine solch geile Frau gesehen, nicht in Wirklichkeit, nicht im Film, nicht auf Fotos. Ich wußte: Diese geniale Schlampe mußte ich treffen!
    Es war natürlich sehr einfach, sie zu treffen. Ich rief bei n-tv an, wo sie einmal beschäftigt gewesen war, wie mir ein Freund für solche Fälle, Christian Y Schmidt, gesteckt hatte. Ich ließ mir ein Video schicken, "Lebens Art" hieß die Sendung, die Ariane moderiert hatte. Das war zum Lachen schlecht. Ariane konnte überhaupt nicht moderieren. Es war, als würde der Fußballspieler Ballack versuchen, die Thomas Gottschalk Show zu machen. Im Abspann erfuhr ich den Namen ihres Managements, rief dort an. Der Manager nahm meine Nummer auf, und Ariane rief mich an. Ihre Stimme war viel netter, authentischer und somit erotischer als auf dem Video. Wir verabredeten uns für den nächsten Tag. Ich fand, daß sie nicht hübsch lief, als sie mir im Literaturhaus entgegentrippelte, und daß sie überschminkt war, als sie vor mir stand. Ich bat sie, die fetten Crèmes auf der Toilette abzuwaschen, und danach gefiel sie mir besser. Sozusagen noch besser. Ich mußte ihr vorspielen, ein Interview mit ihr zu machen, und damit es mir leichter fiel, machte ich das dann wirklich. In der Süddeutschen Zeitung erschien tags darauf - es war zufällig die allerletzte Ausgabe der Berliner Seite, für die ich regelmäßig schrieb - folgendes kleine und gewöhnliche Feuilleton:
    "Joachim Lottmanns Tagebuch. Über Ariane Sommer.
    Man sagt, sie habe eine Männerstimme, die das Aufreizende ihres Körpers konterkariere. Man sagt, die Mädels aus 'baise-moi' seien harmlose Kaugummi-Kids, verglichen mit ihr. Und es heißt zum Beispiel über ihre morbiden Halbweltfotos in der 'GQ' (brutales junges Weib wartet schlecht gelaunt und ziemlich nackt und breitbeinig/langbeinig im Fond eines Maybach auf die nächste Line), sie wirke wie Zuhälter und Hure in einem. Falsch! Richtig dagegen: Ariane Sommer ist im Moment die erotischte Frau in Deutschland. Und: Zumindest ihr Lachen ist das eines Mannes. Deswegen versucht sie, es möglichst selten zu tun. Aber es gelingt ihr nicht. Es überkommt sie immer wieder, von tief unten her rollt es heran, ist nicht mehr zu unterdrücken, donnert los, und es wackeln die Wände im ganzen Lokal. Leute drehen sich um, Kellner kommen aus dem Tritt, Media-Agenten werden aufmerksam. Ganz klar: diese Frau will jeder kennenlernen. Und, nota bene: diese Frau ist der Magnet, um den weite Teile des Berliner Nachtlebens sich formieren. Sie hat als PR-Chefin den Club '90 Grad' zur skandalumwitterten Muß-Disco gemacht, an die selbst Edmund Stoiber nicht vorbei kommt, wenn er auf Jungwähler magnetisch wirken will wie ein charismatisch-jugendlicher Führer. Oder die Sache mit der Schießerei. Berliner Zeitungsleser rieben sich monatelang die Augen: waren Puff Daddy und Jennifer Lopez in der Stadt, mit Colt und Ballerei? Ging es so heiß her inzwischen, war man so sehr Metropole geworden? Im '90 Grad' wohl schon. Und plötzlich wollten alle dieses blonde Model haben: Harald Schmidt, die Bunte, ntv, die ZEIT, der Playboy. Und überall machte sie mit. Sie schreibt, dreht, moderiert, modelt und so weiter, hat ihre Kolumne, irgendwo immer ihren Sendeplatz (egal ob bei n-tv oder ONYX), bringt jetzt ihr Buch heraus und so weiter. Das wäre alles noch nichts Besonderes. Nein, sie bleibt weiter der Star im Nachtleben. Sie tanzt auf den Tischen, lacht dieses herausplatzende Männerlachen, bringt in Kuhfell-Hotpants und Over-knee-Stiefeln die Media-Manager um den kleinen Verstand. Keiner kennt so viele Partys, kennt so viele Hip People wie Ariane. Mit ihrem Adressbuch allein könnte Schröder die nächste Wahl doch noch gewinnen. Wer ist dieses Mädchen, das alle so mögen? Diese Kreuzung aus Sharon Stone, Brigitte Nielson und Charlize Theron? Sie ist, natürlich, eine Verbündete der Männer ("Den Barbiepuppen rasierte ich die Haare ab, spielte lieber mit Autos"), mit dem Körper einer Männerphantasie, nicht von dieser Welt, zu schön um wahr zu sein: groß, blond, schlank, gut gebaut. Ihr Blick sagt: Laß uns Pferde stehlen gehen, oder noch was Heißeres machen! Die Frauen verharren in ohnmächtiger Wut. Den Menschenkenner wird nicht verwundern, daß dieses enfant terrible, das vor Friede Springers Augen Matthias Döpfner den Kopf verdrehte, vor allem eines ist, of course: intelligent. Mit sechs Jahren lebte die Tochter eines deutschen Generalkonsuls in Indien, später in Sierra Leone / Afrika, dann auf Madagaskar. Onkel Theo, damals der große ZEIT-mastermind, hielt Verbindung zu ihr. Mit 15 kam sie ins Internat in den USA und erlebte, wie alle männlichen Mitschüler sie triezen, pieksen und ärgern wollten. Das Prinzip "Was sich liebt, das neckt sich" kannte sie nicht aus Afrika. Prompt schlug sie immer zurück, mit aller Kraft. "Ich habe immer alle Jungen verdroschen. Und ich hatte einen sehr festen Schlag", lacht sie. Seltsam: die Geschlagenen trugen ihre blauen Flecken wie Trophäen herum, machten weiter. Mit 16 der erste Apfelkorn. Als Model entdeckt wurde sie schon vorher. Die ersten Aufträge hatte sie mit 13. Sie wußte somit immer, was sie wert war, hatte es nie nötig, sich Cliquen anzuschließen. Selbst als 'Neue' im Internat blieb sie so lange um sich schlagender Außenseiter, bis die tonangebenden Cliquen ("die Coolness-Clique und die Computer-Clique") Arianes dress code übernahmen... Dann übersprang sie eine Klasse ("weil ich einfach in allen Belangen überlegen war"), machte bald Abitur und studierte Politologie. Nur noch ab und zu ein Modeljob, um die nächsten zehn Riesen fürs geliebte Studium abzugreifen. Klar hätte sie Supermodel werden können, doch bevorzugte sie es bei weitem, über Montesquieu und Proudhon zu debattieren ("Wozu die Fleischbeschau?"). Ihr neues Buch handelt denn auch von der 'Tugend'. All die vielen Ideen, die jetzt in "Mitte" geboren und umgesetzt werden, sind ja nichts wert, meint Ariane Sommer, wenn sie nicht Neben- oder Folgeprodukte der Tugend sind. Sie hält Berlin immer noch für the place to be, gleichwohl: Herzensbildung ist der Schlüssel zum Glück. Und Zivilcourage. Man mag das nicht glauben, wenn man in den Gazetten liest, was sie wieder angestellt hat (wieder mal bei Minus drei Grad nackt in eine Badewanne voller Mousse au chocolate gestiegen etc.), aber es macht Sinn: Solange du keinen Mitmenschen in seinen Gefühlen oder seiner Würde verletzt, darfst du alles. Jedenfalls wenn du es dir selbst ausgedacht hast und es wirklich willst. Deswegen kommt ihr bei Reality TV das Kotzen, und deswegen ist es o.k., wenn sie Brücken baut im Nachtleben, wenn sie Politik und Show Biz, Medien und Literatur, Cem Özdemir und Mister Hunziger zusammen führt. Zuletzt stürmte ein Lyriker mit Gedichten (Thema: "Schöne Ariane") auf sie zu, auf der Käfer-Terrasse im Reichstag. Sie hat ihn prompt zum Lady's Lunch mitgenommen und später ins rive gauche. "Berlin ist kreativ und boomt, egal zu welcher Weltwirtschaftskrise. Der Tanz auf dem Vulkan, darin haben wir Übung. Hier haben alle Hummeln im Hintern. Sehr viele Ideen wurden umgesetzt, weil es keine geschlossenen Kreise à la Hamburg oder München gab."
    Ja, die Newcomer hatten es hier leicht, im Schröderstaat. Es war ihr Staat, ihre Stadt, ihre Dekade. Es war die Zeit der Ariane Sommer. Und wir alle können dereinst sagen: Kinder, wir sind dabei gewesen!"
    Soweit mein kleiner Aufsatz, ein beispielloses Geschleime, das ich natürlich nur für sie und ihre Handynummer geschrieben hatte, die sie mir nun endlich gab. Wir sahen uns jetzt häufiger. Eines Tages, als ich mit meiner Nichte Hase vor einem Premierenkino auf Ariane wartete, die uns auf die VIP-Liste wuchten wollte, dachte ich, es wäre allmählich Zeit, sich das nervenaufreibende Eventgetue zu ersparen und lieber gleich den epileptischen Anfall hinzulegen. Ich sagte zu Hase, es gehe mir schlecht, ich müsse nach Hause.
    "Zuviel Trubel hier, was?" sagte Hase mitfühlend. Da stand plötzlich Ariane hinter ihr. Hase jaulte:
    "Jolo will schon wieder los, dem isses hier zu voll!"
    Ariane fragte, was ich denn lieber wolle. Ich sagte, ich wolle nach Hause gehen und dort auf sie warten.
    "Okay" sagte sie und drückte, nein schlug mir ihren Schlüssel in die Hand. Sie sagte dieses berlinerische Jugendlichen-Okay, bei dem das y so dämlich überdehnt und irgendwie fragend stehengelassen wird, also okäiiii... und ich stand verblüfft da, in der Hand den Wohnungsschlüssel von Ariane Sommer, der geilsten Frau der Welt! Wie gesagt, sie war ein Kumpeltyp, eine Verbündete der Männer, sie zickte nicht lange rum.
    Sie kam, glaube ich, um zwei Uhr nachts. Am nächsten Tag wurde es drei, am dritten vier Uhr. Danach und seitdem pendelte es sich auf halb zwei Uhr ein. Sie legt sich neben mich, und da sie eine Frau ist, die schnarcht, merke ich meistens sehr schnell, daß sie schläft. Frauen, die schnarchen, sind nicht so fürchterlich und ekelerregend wie schnarchende Männer. Im Falle von Ariane kann ich sogar sagen: ich höre es gern.

  2. #2
    Abebe Lowumbo Avatar von joq
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    falscher Thread. Lesen muss ich es sowieso später.
    More gin in teacups

  3. #3
    Avatar von klesk
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    ach, was solls.
    (caradiert)
    Geändert von klesk (28.07.2002 um 20:48 Uhr)

  4. #4
    Abebe Lowumbo Avatar von joq
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    Anko, bitte verschieben ins HöPa-Forum (und wenn Du Lust hast, mach gleich Absätze mit rein, an den richtigen Stellen). Danke!
    More gin in teacups

  5. #5
    Member Avatar von Luca Brasi
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    Hilfe, ein Schriftsteller!
    Ich ist ein anderer.

  6. #6
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    Flache würden übrigens reichen (Absätze).

    Ach ja:
    Hofmannsthal, nicht Hoffmannsthal. Sagen Sie Ihr's bei Gelegenheit.
    Geändert von Tiffany Nudeldorf MD (29.07.2002 um 09:15 Uhr)

  7. #7
    Avatar von lacoste
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    Klesk, warum hast Du Dein Posting denn wegradiert??? Das war doch okay!

  8. #8
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    Willkommen, Neuankömmling Lottmann!

    Welcome newest member Lottmann!

    ________________
    Dafür bin ich doch da!

  9. #9

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    wer ist diese Frau, die alle so mögen?
    Lieber Herr Lottmann,
    wer ein Hirn hat, verachtet Ariane Sommer. Das ist keine originelle Meinung, sondern eine Tatsache: Kein Mensch kann diese Frau leiden.
    Und Ihr "elendes Geschleime" in der SZ ist sogar mehr als ein Geschleime: Es ist das naive Aufsitzen der Selbstinszenierung von Frau Sommer ("mein Onkel Theo von der 'ZEIT', Diplomatentochter, Salem, Klasse übersprungen, 1,2 Abischnitt, blablabla"). Wirklich intelligente Menschen sondern solche Informationen nicht andauernd und ungefragt ab.

    Hätten Sie nur ein wenig mehr Ahnung davon, wie die PR-Maschinerie der Yellow Press und der audiovisuellen Medien funktionieren (fragen Sie doch mal Ihren Freund Christian Y. Schmidt), wüssten Sie, was Frau Sommers naives 20er-Jahre-Erich-Kästner-Geschwätz von "Herzensbildung" und "Zivilcourage" wert ist: So viel wie ein Becher Mousse au chocolat mit abgelaufenem Haltbarkeitsdatum.

    Wie verlogen ist denn das bitte: "Solange man keinen anderen verletzt, ist alles erlaubt".

    Dieser kategorische Negativ entspringt doch einem BRAVO-Kleinmädchentraum von "Karriere" ("wiiieso? Ich tue doch keinem weh damit??? O.K. - ich finde es selber ja auch total beschissen, was ich mache, ich stehe ja mehr auf Herzensbildung und so - aber es muss sich ja keiner angucken...")

    Ihre Frauenprobleme interessieren mich eigentlich nicht - aber was mich schon überrascht: wie naiv Sie sind in bezug auf Frauen. Ein wenig mehr Kaputtheit stünde Ihnen gut zu Gesicht.
    Dann würden Sie nicht immer auf so billige, junge, naive, gerissene Flittchen hereinfallen. Sie sind ja sogar zu naiv für Blümchen oder Janin Reinhardt (leicht zu ergooglen).

    P.S.: Noch ein Riesentipp für Sie - Ihr nächster Schwarm, wird Jeanette Biedermann (googlen Sie!!!) heißen. Das ist ein ganz ein heißer Feger!
    Das mit dem Ficken wird aber schwer werden - aber das ist Ihnen ja auch nicht so wichtig...
    Geändert von Tristram Shandy (29.07.2002 um 11:47 Uhr)

  10. #10
    Embedded Senator Avatar von DerCaptain
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    Hammer.
    Der Lottmann wieder.
    Irgendwo hinschmeissen, is ja Internet.
    Aber schön zu lesen.
    Der Lottmann. Tse, tse, tse.

    Digital Immigrant

  11. #11
    sqm
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    Bitte Anko, stell das doch schnell mal an einen angemessenen Platz, damit das, was tristram begonnen hat, so richtig weitergehen kann, so macht das ja keine Art.

    gegen inge.


  12. #12
    Embedded Senator Avatar von DerCaptain
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    Blonde Trägerrakete

    Bist Du ein echtes Partyluder?

    Dann verpass nicht Deine Chance, die nächste Jenny Elvers oder Ariane Sommer zu werden. Kein Scherz, Michael Ammer sucht jetzt zusammen mit einer grossen Boulevardzeitung und einem TV Sender ein brandneues Partyluder. Zehn Bewerberrinnen fliegen zusammen zur Superparty in ein Schloss, dort findet dann die Wahl statt, prominente Jury (ob Dieter auch dabei ist?) inklusive. Und dann wird, wie sich das für ein echtes Partyluder gehört, nackich im Champagner gebadet :-)

    Das Ganze ist nichts für zarte Seelchen, soviel steht schonmal fest. Aber wer unseren Hamburger Partypromis wie Dieter Bohlen, Michael Ammer oder Ronald Schill immer schonmal einen Abend lang im Wollenberg auf dem Schoss sitzen wollte, bewirbt sich besser jetzt. Die Wahl findet am Wochenende vom 15.-17. März statt. Bewerbungen bitte an folgende Adresse:
    Michael Ammer Events
    Theodor-Storm-Strasse 1
    21502 Geesthacht

    Ach ja, neben dem perfekten Äusseren brauchts auch noch eine passende Story. Denn: "Es reicht nicht, wenn ein Hühnchen gackert. Es muss zumindest auch noch ein rosa Ei legen", O-Ton Ammer Events.

    Digital Immigrant

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