Vor einigen Wochen war ich mit meiner damaligen Freundin auf dem Flughafen Tegel. Es war ein Samstag, 9 Uhr morgens. Wir wollten nach Kalabrien fliegen. Sind wir dann auch. Zunächst hatte das Flugzeug aber eine Stunde Verspätung und wir nutzten die Gelegenheit recht häufig das Flughafengebäude zu umrunden. Dabei plauderten wir über das Leben und die Liebe, wir neckten uns und scherzten verliebt herum. Ich erzähle das mit einer gewissen Wehmut, denn im Augenblick sprechen wir nicht mal miteinander.
Im nachhinein war die Begegnung am Flughafen, am Beginn einer Reise, die in einem Desaster enden sollte, vielleicht so eine Art Omen. Wie hätte ich das aber ahnen können! Alles geschah so schnell, in 3 Sekunden, einer Zeitspanne, die vom Gehirn gar nicht als verstreichende Zeit sondern schlicht als Gegenwart wahrgenommen wird.
Wir schlenderten also ahnungslos herbei, eine Glastür öffnet sich und ein sehr großer, schlaksiger Mann in Freizeitkleidung – helles Hemd, graue Hose - tritt heraus. In der Hand eine braune Reisetasche und über dem Arm ein helles Sportsakko. Auf dem Gesicht trägt er einen ernsten ja, versteinerten Ausdruck, er ist blass, beinahe grau und älter als im Fernsehen. Auch größer. Hinter mir ruft eine Frau laut: der Günther Jauch! Und alle Köpfe drehen sich.
Ihr triumphierender Ruf trifft mich wie ein Blitzschlag und ich erstarre in dem Bemühen so zu tun, als würde ich (als einzige?) ihn nicht erkennen. Doch welchen Sinn hat das? Hat mich die unbekannte Dame in meinem Rücken durch ihren frechen Ausruf nicht bereits zur Komplizin ihrer Sensationsgier gemacht? Bin ich nur noch Teil einer Menschenmenge, die einen unausgeschlafenen Prominenten anstarrt? All meine sensiblen Regungen, meine natürliche Höflichkeit, meine freundliche Zurückhaltung, meine Menschlichkeit – in einem Moment zerschmettert?
Jauch aber lässt sich gar nichts anmerken. Mit ausdrucksloser Miene geht er an uns vorüber und steigt draußen in ein Taxi.
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