Heute habe ich mit Schwiegerelterns in Kunst gemacht. Die Sammlung Berggruen befindet sich im Stülerbau gegenüber dem Schloß Charlottenburg. Unter dem Titel "Picasso und seine Zeit" werden auf drei Etagen Gemälde, Skulpturen und Arbeiten auf Papier gezeigt. Mit "seine Zeit" sind offensichtlich Giacometti, Klee und Braque gemeint. Ein schöner Bau, eine Rotunde mit großer Kuppel. Als wir durch das Erdgeschoß durch sind, denke ich "Fein, ein Fahrstuhl, wir fahren hoch und arbeiten uns dann runter", aber die anderen wollen lieber die Treppe rauf. Ein älterer Herr hinter mir in Strickjacke nimmt den Lift.
Das Publikum ist geradezu typisch. Unglaublich gekleidete fette Amerikanerinnen, elegante ältere Damen und der klassische Kunststudent mit seinen beiden Ischen. Während er unglaublichen Unfug ("...durch seine Gestaltung weist er daraufhin, daß man der Gesellschaft gegenüber offen oder geschlossen auftreten kann...") über eine Giacometti-Plastik zum besten gibt, überlegt er gerade, welche von den ihn anhimmelnden Trienen er zuerst ficken wird. Meine Frau hört sich das Gesülze an und nennt das wenig später "in's Bett labern".
Mir gefällt am besten Picassos "Dora Maar mit grünem Nagellack" von 1936. Auch Klee, den ich nicht sonderlich schätze, überrascht mich durch seine erfreulich komische Kunst. Ein Bild mit dem Titel "Karge Antwort eines Sparsamen" verziert er mit den Wortfragmenten "Krg", "ntw" und Spr".
Weiter oben bemerkt meine Frau, daß ich fast mit Heinz Berggruen im Lift gefahren wäre. Er stand die ganze Zeit hinter mir. Ein kleiner Herr in guter Hose mit Strickjacke, edel und gelassen. Ich stelle ihn mir so vor, wie immer die SS-Offiziere beschrieben werden, denen nach langer Zeit dann doch der Prozeß gemacht wird. "So ein feiner Herr, mit so gutem Benehmen, das kann man sich gar nicht vorstellen, daß der das alles gemacht haben soll. Er sieht doch so kultiviert aus!" sagen dann immer Nachbarn über die. Ich weiß auch, daß dieser Vergleich grad im Zusammenhang mit Berggruen eine Unverschämtheit ist, aber bei Beschreibungen von alten, eleganten Herren mit untadeligem Benehmen muß ich immer zwanghaft an Kriegsverbrecher denken. Als wenn Kultur Verbrechen verhindern würde. Aber für einen SS-Offizier hat der berühmte Galerist auch etwas zu langes weißes Haar (ausserdem meinte Inge "Grad die Schlappen haben gefehlt").
Er hat seine wunderbare Sammlung dem Land Berlin für 10 Jahre geliehen und wohnt nun ganz oben im Museum, grad gegenüber vom Schloß Charlottenburg. Eine herrliche Vorstellung: Nach 18 Uhr, wenn geschlossen wird, schlendert er durch sein Haus mit seiner Sammlung, hat womöglich ein, zwei Hakle feucht dabei, und putzt die Fingertapser der gelangweilten Lehrerkinder von Bronzeskulpturen und Glasvitrinen. Nicht wie ein böser, grimmiger alter Mann, sondern eher wie der liebe Opa. Der, nachdem die doofen Enkel wieder weg sind, das gezeigte Briefmarkenalbum wieder vorholt und liebevoll alle Zacken wieder ausrichtet.
Hm. Ich merke gerade, so eine supertopcheckerbunnymäßige Paparazzierung war das nun nicht. Ich war physisch anwesend, stand direkt neben ihm, aber bemerkt hab ich Herrn Berggruen, den feinen, weißhaarigen Herren, nicht. Aber ich wollte halt mal wieder was anderes als "Hahahahahaha!" schreiben.
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