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Thema: Ehrenfried, Mark ist jetzt doch ein bißchen sauer

  1. #1
    Avatar von Klingeltonk
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    Ehrenfried, Mark ist jetzt doch ein bißchen sauer

    Ehrenfried, Mark, wer ist denn das? denkt der Leser und rollt schon einmal den Bildschirm etwas höher. Eigentlich kennt man Mark Ehrenfried nur, wenn man jemand ist, der wochentagsabends, langweilig, durch das Kabelfernsehen reitet und eventuell bei Stefan Raab, bei Stern TV oder Explosiv kurz den Rappen zügelt; dort dann etwas vom „kleinen Beethoven“, „zweiten Mozart“, „Klaviergenie“ hört und lange Zeit früh schlafen gegangen ist.

    Alle anderen: hier

    (Kurze Pause für: „Ach, der...“)

    Der Woolworth in der Wilmersdorfer Straße in Berlin unterscheidet sich nicht prinzipiell von andern Woolworthens irgendwo anders. Vielleicht ist er ein Woolworth in einer besonders reinen Form. Ausstattung, Belegschaft, Angebot, Publikum sind so sorgfältig aufeinander abgestimmt wie die Garderobe einer dänischen Prinzessin. In dieser Woolworthbeleuchtung würde allerdings die Garderobe einer dänischen Prinzessin so aussehen wie das Auspacken vom Rotkreuzcontainer. Ich bin gern dort. Es gibt Waffeleisen im Sonderangebot und Kellnersocken im Fünferpack. Schön da. Begrabt mein Herz im Woolworth, unter der Kundentoilette.

    „Wo bist du denn JETZT schon wieder hingelaufen?“

    Ich hörte es nur, sah aber noch nichts. Aber etwas stimmte nicht, irgendetwas war falsch, ganz falsch.

    „Wenn du dauernd wegrennst, dann – dann gehe ich NICHT mehr mit dir einkaufen.“

    Jetzt hatte ich es. Diese Kaufhaussätze schreien Mütter seit dreihunderttausend Jahren. Diesmal rief aber nicht die Mutter, sondern es rief das Kind. Da entdeckte ich sie, die Kasse 4, den kleinen Wunderpianisten und die Mutter des kleinen Wunderpianisten. Er preßte den Mund zusammen, er schüttelte den wutroten Kopf mit der beethovigen Frisur darauf, und tatsächlich, jetzt biegt er die Arme auseinander, er kneift die Fäuste zusammen, stampft einmal mit dem Fuß, ein zweitesmal, und:

    „MAMA...!“

    Seine Mutter ist schlank, dunkelhaarig und bescheiden unauffällig. Sie beugte sich über ihn, sie redete ein paar schnelle, leise Sätze, faßte ihn an der Schulter, zeigte in den kleinen Einkaufskorb, Mozarts Gesicht entspannte sich, es wurde einen Moment lang viel älter und dann wieder sehr klein. Dann schüttelte er den Kopf, als hätte sie ihn etwas anderes gefragt, ein halbes Lächeln, so wie es Kinder machen. Seine Mutter schaute kein einziges mal um sich. Sie haben Süßigkeiten gekauft.

    Ich weiß nicht, wie man sich das vorstellen kann, ein „Wunderkind“ zu sein. Er ist zehn Jahre alt. Ich wünsche ihm, daß seine Seele daran keine Schaden nehmen möge. Und auch nicht die Seele seiner Mutter.

  2. #2
    Embedded Senator Avatar von DerCaptain
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    Armes Schwein. Sehr fein beobachtet. Seine Homepage macht einen schon sehr supatopcheckerbunnig.

    Digital Immigrant

  3. #3
    Moderator Avatar von rron
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    Große Klasse, Klingel! Ich habe mir auf der Website gleich mal ein Autogramm bestellt. Wunschtext: "I didn't ask for a 20 inch long pianist!"

  4. #4
    Member Avatar von Leistenaal
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    Murmel ist Schuld. Zitat aus dem auf der Webseite zu lesendem Interview mit dem kleinen Klimper-Racker:

    "Als ich noch in der Paul-Eipper-Schule war, wars gar nicht schön. Die in der Klasse haben mich immer verprügelt und einmal eine Murmel ins Auge geworfen, so daß der Sehnerv entzündet war. Aber in der neuen Schule, der Hanns-Fechner-Schule ist es sehr gut, dort fühle ich mich wohl. "

    Und für das Bilder-Assoziationsforum gibt es auch was.

  5. #5
    attention whore
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    ich war auch in der hanns-fechner in wilmersdorf. es gab dort einen lehrer, der von seiner zeit in der wehrmacht erzaehlte, ansonsten ist es mark sicher sehr gut dort ergangen.

    jetzt haette ich es fast vergessen: schoene geschichte!
    Geändert von bettyford (28.06.2002 um 13:39 Uhr)

  6. #6
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    Hier ist ganz eindeutig Shirley Temple von den Toten auferstanden.
    Fein erzählt, Mister Klingelton.
    Auch bezeichnend, daß ausgerechnet unser Klingeltonkomponist den klingenden Wunderbuben, Tonkünstler und Wunschkomponisten beobachten durfte.
    Kann es Zufall sein?
    Muß Klede fragen.
    we are in the army now.The Army of Sankt Immen.

  7. #7
    Moderater Avatar von Murmel
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    Ich war ja auch ein Wunderkind und es war die Hölle. Nee, Quatsch. Wunschkind. Und war auch gar nicht schlimm, sonder super. Ich verwechsel das immer.

    Schöne Geschichte, Klingeling.

  8. #8
    Member Avatar von frosch2
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    Sehr schöne Geschichte, sehr anwenderfreundlich mit Link. Im Raabvideo macht die Seele des Wunderkindes einen robusten Eindruck. Warum so häufig diese Besorgnis um das bekanntermaßen gerade bei Prinzen und Prinzessinnen gefährdete Seelenheil? Vielleicht deswegen: Der ist zwar genial und/oder steinreich aber leider ziemlich unglücklich! Für nichts auf der Welt würde ich tauschen wollen! Die schönste Lebenszeit, die Kindheit haben sie ihm verwehrt. Geld allein macht nämlich nicht glücklich! Und Erfolg macht einsam!

    Har, har.

    Der Woolworth Wilmersdorfer ist tatsächlich exakt so, wie vom Klingeltonkomponist beschrieben.

  9. #9

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    ...
    Geändert von l_tu (18.10.2010 um 21:45 Uhr)

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