Ich weiß nicht, wie er heißt. Ich kenne das Gesicht, weiß, dass er im Fernsehen Sport moderiert und dass er nicht wirklich prominent ist. Bekannt, okay. Ich sitze da mit meinem Papa. Mein Papa flog früher viel. Deshalb dürfen wir in die Fielvlieger-Lounge von Lufthansa. Das ist der ort am Frankfurter Flughafen, an dem Champagner in kleinen Brunnen sprudelt, Kaviar direkt aus dem Stör gesaugt und Geldscheine zum Zeitvertreib verbrannt werden.
Wir waren zuvor in Griechenland gewesen, mit dem Auto über die gesamt Peleponnes gefahren und besonders auf dem Finger Maki Zeit verbracht. Maki ist unglaublich arm. Die Menschen dort ernähren sich noch wie unsere Vorfahren von Steinen. Schon deswegen war die Lufthansa-Lounge ein regelrechter Kulturschock.
Gut, Champganer sprudekt nirgends, aber es gibt Gummibärchen, Obst und Äppelwoi satt. Das hat auch der Sportmoderator begriffen. Hier darf er von allem so viel nehmen, wie er mag. Er streunt um die Gummibärchenplexiglasbehälter wie ein rolliger Kater. Es gibt dort die klassischen Bärchen, Lakritzrollen, Gemischtes und Colafläschchen. Zumindest sollte es die geben. Die letzten Colafläschchen hat jedoch ein kleiner Junge nur ein paar Minuten vorher genommen. Der Sportmoderator geht mit leeren Händen zu seinem Platz zurück.
Nach kurzer Zeit erscheint dann die gute Lufthansa-Haribo-Fee. Sie ist klein, dick und hellblau bekittelt. Sie sieht, dass es an Colaflöschen mangelt und geht vermutlich die Schritte, die das ISO-9001-Qualitätsmanagement-Worksheet in diesem Fall vorsieht. 1. Lächeln. 2. Ins Lager gehen. 3. Colafläschen auschecken (siehe Worksheet 249 b.) 4. Colafläschen in Plexiglasröhre füllen. 5. Verpissen. Dann führt sie die Arbeitsschritte gewissenhaft aus.
Der Sportmoderator sieht ihr zu. Als sie Step 5 erfolgreich abgeschlossen hat, steht er auf, schlendert unauffällig an die Naschkatzenbar und zückt eine dunkelrote Serviette aus der rechten Sakkotasche, breitet sie auf seiner linken Handfläsche aus und schaufelt ordenltich Colafläschchen mit der rechten darauf. Dann wickelt er die Serviette zu einem Knäul und läßt sie wieder in seine Sakkotasche gleiten. Ich habe es gesehen.
Zur Zeit moderiert der Mann die Fußball WM in Koreapan. Er führt durch das Programm und plaudert mit Toni Schumacher. Und ich denke mir, dass ihn das eigentlich prominent macht. Nur, dass ich den blöden Nam,en einfach nicht weiß. Ich gehe an den PC und versuche, das Geheimnis zu lüften. Nach einer halben Stunde googeln, reicht es mir. Wozu gibt es Service-Telefonnummern?
"Premiere World Service, mein Name ist XY, wie kann ich Ihnen helfen?"
"Guten Tag, ich habe nur eine kurze Frage: wie heißt eigentlich der Moderator, der bei Ihnen im Studio die WM moderiert? Der Blonde."
"Schumacher."
"Nein, ich meine den anderen, den blonden."
"Ach, der von uns. Der Hauptmoderator... das kann ich Ihnen nicht sagen."
"Oh. Das ist schlecht."
"Ach. Brauchen Sie den?"
"Ja."
"Dann warten Sie mal. Der ist gerade da. Ich frag den mal, wie der heißt."
Aus dem Hörer dudelt "I'm watching the day brake". Ich grinse still vor mich hin, male mir aus, wie der Moderator, dessen Namen ich nicht weiß, im Telefonservicecenter von Premiere herumschlendert. Vielleicht nimmt er ein Magazin von einem Tisch, blättert darin, legt es dann wieder weg. "I'm watching the day break..."
"Hallo? Hören Sie?"
"Ja."
"Tut mir leid, dass das so lange gedauert hat, aber wie der heißt, kann ich Ihnen noch nicht sagen."
"Ich dachte, der sei bei Ihnen."
"Ach, haha, nein, der war nur egrade auf dem Bildschirm. Der ist doch in Ismaning. Ich habe aber alle hier gefragt und keiner kennt den. Also, ihn schon, aber nicht den Namen."
"Ja, dann."
"Wäre das dringend?"
"Nein, nein."
"Aber über den stand doch was in der Juniausgabe vom Programmheft."
"Ja?"
"Ja, ich glaube. Da steht ja alles über die WM. So in der Mitte oder ganz hinten."
"Auch wer gewinnt?"
"Nein."
"Na, dann....."
"Ja. Auf wiederhören. Tut mir leid."
"Schönen Tag noch."
"Ihnen auch."
Ich blättere das Monatsheft Juni durch. Nichts. Franz Beckenbauer, Marcel Reiff, Fritz von Thun und Taxis, aber nicht Goldilocks. Wieder google. Begriff: "Wm Studio" premiere. Und da erscheint endlich der Name des Mannes. Ich zittere. Sollte ich tatsächlich den richtigen gefunden haben. Unsicher tippe ich den Namen in die Suchmaske und drücke auf "Google-Suche". Und der erste Link bestätigt meinen Erfolg. Er ist es. Dieter Nickles.
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