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Thema: Walter, Ottmar

  1. #1
    Member Avatar von Mr. Knister
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    Walter, Ottmar

    Zu den großen Helden meiner Kindheit und Jugend zählten die von Bern – Anfang der Siebzigerjahre hing ein großes Plakat mit Fritz Walter & Co. über meinem Bett (das erst 1974 gegen Grabowski, Hölzenbein & Co. getauscht wurde). Es traf sich gut, dass mein lieber Onkel in Kaiserslautern lebte. Er war so alt wie Fritz Walter und kannte meine Wankdorfer Helden alle persönlich, so weit sie beim 1. FCK spielten. Wenn ich ihn besuchte, schenkte er mir immer irgendeinen (alten) Zeitungsausschnitt über Liebrich, Kohlmeyer, Eckel oder die Walter-Brüder – oder eine Autogrammkarte. Irgendwann hatte ich die komplette WM-Mannschaft komplett; wer mir fehlte, war Ottmar Walter. Ich bat meinen Onkel, mir ein Autogramm von ihm zu besorgen. Beim meinem nächsten Besuch, versprach er mir, würde ich’s bekommen.

    Mein Onkel hatte keine Autogrammkarte von Ottmar Walter, ich war ein wenig enttäuscht. Statt dessen kündigte er mir eine richtige Überraschung an. Wir zockelten zum Kaiserslauterer Rathaus; ich hatte allerdings keine Vorstellung, was ich dort sollte. Die Überraschung wird sein, dachte ich mir, im Café ein Eis zu essen und sich die Stadt von oben anzugucken – Kaiserslautern hatte damals das höchste Rathaus der Republik. Wir blieben aber ziemlich weit unten und betraten irgendein muffiges Büro. Als mir mein Onkel Ottmar Walter vorstellte, bin ich erschrocken.

    Ich kannte nur das Bild von 1954, das entschlossene Gesicht, die schwarzen Haare, und so hätte ich ihn mir nicht vorgestellt. Alt, schmal, traurig kam er mir vor. Irgendwie hatte er auch keine besonders spannende Tätigkeit zwischen all den Akten zu verrichten, das sah ich mit dem Blick in das komische Büro sofort, das er mit mehreren Kollegen teilte. Nein, wer da vor mir stand, war keine Berühmtheit. Nur ein kleiner, braver Angestellter, der offensichtlich schon einmal bessere Zeiten erlebt hatte. Mein Onkel erklärte ihm, warum er mich mitgebracht hatte (beide waren per Du miteinander), und Walter freute sich, dass ich ihn kannte. Ich erzählte ihm vom Poster über meinem Bett und der fehlenden Autogrammkarte. Er schüttelte den Kopf; nein, eine Autogrammkarte, so etwas hatte er schon lange nicht mehr. Aber wenn ich am nächsten Tag noch einmal wiederkäme, dann hätte er etwas für mich. Das ganze Büro winkte mir nach, als wir gingen.

    Mein Onkel schickte mich noch einmal alleine ins Rathaus. Ottmar Walter begrüßte mich freundlich und zog aus seiner Schreibtischschublade ein altes Schwarzweißfoto, dass ihn in einer Zweikampfsituation am Ball zeigte. Er hatte es für mich signiert. Einen solchen Schatz hatte ich nie zuvor besessen; vor Dankbarkeit kamen mir die Tränen. Später haben wir das Eis gegessen, oben im paarundzwanzigsten Stock über Kaiserslautern. Er erzählte von früher.

    Dass die Helden von Bern nach der erfolgreichen WM mit Kühlschränken und Waschmaschinen belohnt wurden, das habe ich erst später erfahren. Aber es passte irgendwie. Ich bekam später auch heraus, dass mich Ottmar Walter nicht zum Eis eingeladen hatte. Mein Onkel hatte ihm das Geld gegeben; wahrscheinlich war es ein bisschen mehr, als die zwei Schwarzwaldbecher kosteten.
    Kim ist noch da.

  2. #2
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    Wirklich eine sehr schoene Geschichte.
    Zuvor betrieb er die Ottmar-Walter-Tankstelle. "Willst Du unserem Ottmar danken, mußt du fleißig bei ihm tanken". Man dankte es ihm aber nicht und so ging er noch in den 50ern pleite. Bruder Fritz war auch hier der Gluecklichere. Sein Filmtheater in Kaiserslautern, das Fritz-Walter-Kino, hielt sich bis Ende der 80er.

  3. #3
    Avatar von Klingeltonk
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    Sehr schön, ein Ottmar-Walter-Wetter.

  4. #4
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    Geändert von Tiffany Nudeldorf MD (10.06.2002 um 17:35 Uhr)

  5. #5
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    Entschuldigung, technisches Problem. Ich rettete mal die kompletten Helden von Wankdorf auf der Vossiusstraat neben dem Vondelpark in Amsterdam und möchte sie aus aktuellem Anlaß hier hinein stellen. Schön, wenn das noch gelingen würde. Leider wahr: nur SCHÄFER (ganz rechts unten) hat es noch zu etwas gebracht, in Afrika.
    Geändert von Tiffany Nudeldorf MD (10.06.2002 um 17:51 Uhr)

  6. #6
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    .
    Geändert von Tiffany Nudeldorf MD (10.06.2002 um 17:58 Uhr)

  7. #7
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    Die Walterbrüder.

  8. #8
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    Geb's auf, 'schuldigung. Tolle Geschichte von Mr. Knister, wollte ich noch sagen.

    (zerknirscht Photo knüllend ab).
    Geändert von Tiffany Nudeldorf MD (10.06.2002 um 18:09 Uhr)

  9. #9
    MaybachMember Avatar von Herr Uffelmann
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    Mr. Knister!

    sehr, sehr schön.

  10. #10
    Member Avatar von Mr. Knister
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    Merci, liebe Leute. Tiffany - ich verstehe nicht ganz: Wie retteten Sie unsere Helden?
    Kim ist noch da.

  11. #11
    Member Avatar von HaroldausItalie
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    Vorne "O" und hinten "Ach", ich wohne jetzt in Offenbach... :-(
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    Walter

    Bravo, Mr. Knister!
    Erst die Hölzenbeins Tochter fast umrennen und dann noch im Haferkasten ein Originalautogramm von Ottmar Walter + Eis absahnen. Respekt!
    Schöne Geschichte!!!

    Zeigen Sie das Bild mal, bitte!
    Da nich' für.

  12. #12
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    Scheiße, ist mir noch nie passiert; erst ein halbes Glas Chardonnay über die Tastatur gegossen und dann beim Abtupfen derselben ein ganzes Posting vernichtet - dabei ist um diese Zeit mein Gedächtnis nicht mehr so gut. Es war also ungefähr wie folgt:

    Wie ich die Helden, unsere Helden, ausgerechnet in Amsterdam vor der Mülltonne rettete ? Durch bloßes Auflesen von der Straße: irgendein Amsterdamer hatte nach 45 Jahren die "Wir sind wieder wer"-Fanpostkarte, ein einst mit dem neuen deutschen Qualitätsradio offenbar mitgeliefertes Erinnerungsbild der Telefunken G.m.b.H., einfach neben den Müllkasten versenkt und so nichtsahnend vor meine Füße gespitzelt - was mich zunächst kurz ärgerte, dann aber mild verständnisvoll lächeln ließ: war doch der Holländer 1954 noch wesentlich damit beschäftigt gewesen, dem Meer Dribblingfläche abzutrotzen, während bei uns bereits die Walterbrüder auf Weltsieg eingeschworen wurden. Wie wollte man da fußballhistorisches Bewußtsein erwarten ?

    ( Mir klar war natürlich auch: die Mannschaft von 1974 wäre viel zorgvuldiger entsorgt worden - oder hätte auf Fanpostkarte ihren Weg niemals nach Amsterdam gefunden. Aber das ist eine andere Geschichte. )

    Zum Einschlafen stelle ich mir jetzt noch vor, ich wäre O.WALTER auf 3-Tages-Ausflug in Amsterdam und fände auf dem Weg in mein Hotel in der Vossiusstraat obige Karte auf der Straße. Komisches Gefühl.
    Geändert von Tiffany Nudeldorf MD (11.06.2002 um 20:34 Uhr)

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