Kleinmachnow liegt etwa 2 bis 3 Kilometer von Berlin-Zehlendorf entfernt und ist ein sehr seltsames bis unangenehmes Dorf, welches schon zu DDR-Zeiten nicht ohne einen Passierschein für den normalen Bürger bereist werden durfte. Zu jener Zeit wohnten dort treue SED-Funktionäre, aktive Parteiangehörige, dem bürokratischen Sozialismus zutiefst Verbundene. Eine Mauer wie zwischen West- und Ostberlin existierte nicht und für den normalen DDR-Bürger war es hier durchaus möglich, leicht zu fliehen. Die Priveligierten hatten keinen Grund dazu.
Heute bietet Kleinmachnow den idealen Ort mit dörflicher Atmosphäre für den gutsituierten Zehlendorfer Bürger, den Chirugen, Anwalt, zu Geld gekommenen Immobilienmakler oder Orthopäden. Hier wird sein Traum vom Haus auf dem Land mit eigenem Garten verwirklicht - mit Natursteinplatten, Bauergartenbepflanzung, englischem Landhausstil und ökologischer Ideologie.
Die Strassennamen wirken ein wenig gaga, überkandidelt: neben den traditionellen Käthe-Kollwitz-Weg findet man auch solche Bezeichnungen wie Seematenweg oder Lupinenschlag. Hysterische Ehefrauen, deren Passion die Organisation des eigenen Gartens ist, sind hier keine Seltenheit. Mir ist ein Fall bekannt, wo jemand seine Koniferen schief eingepflanzt haben wollte - und der gärtnerische Fachmann sich noch wundern konnte und ausdrücklich nachfragte. Die Kundin bestand aber darauf und reklamierte am nächsten Tag in der Firma, dass die Fachleute die Koniferen schief eingepgflanzt haben. Eine andere bekam einen hysterischen Anfall, weil beim Transport ihres hässlichen Rhododendrons ein etwa 15 cm langer Zweig abbrach, ihr zusätzlicher Ersatz angeboten wurde und ihr das Zweitbäumchen zu klein war.
Kleinmachnow wirkt ein wenig wie ein offener psychiatrischer Freilandversuch, wo gewendete Parteitreue neben Zehlendorfer Bürger wohnen und eine Art Kleinkrieg inszenieren. An Prominenten hat dieses Doprf Horst Mahler, Jörg Schönbohm und Edgar Froese zu bieten. Letzterem begegnete ich heute zufällig. Tatsächlich kannte ich das Gesicht von der Rückseite alter Plattencover. Edgar Froese war und ist Musiker der Gruppe „Tangerine Dream“, die in den 70er als elektronische Popmusik bekannt war und heute selten gehört wird. „Tangerine Dream“ wurde nicht so berühmt wie „Kraftwerk“, „Can“ oder „Popol Vuh“, hatte seine Höhepunkte aber in derselben Zeit. Edgar Varese hat einen enormen blonden Schädel, nordisch blaue Augen, einen dicken Bauch und sehr kurze Beine. Er berlinerte leicht, trug ein schwarzes T-Shirt, enge schwaze Jeans und weisse Turnschuhe mit ostasiatischen Schriftzeichen. Sein Senkgarten, dessen Mittelpunkt eine Art Wasseroase mit Springbrunnen bildet, ist ambitioniert, aber nicht sehr gelungen. Man spürt, dass dieser Garten etwas darstellen will, ohne etwas zu sein. In dem Durcheinander von Krischnaskulpturen, Bananenbäumen, Koniferen, Yucca- und Phoenixpalmen, Farnen, bodendeckenden Stauden und kleineren Wildgehölzen versucht man vergeblich einen Stil zu erkennen. Auf einem Schuppen hat irgendjemand eine Kugel golden bemalt und installiert. Mir wurde erzählt, dass Froese einen japanischen Gärtner beschäftigt.
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