Verkatert auf einen Geschaeftstermin zu muessen, ist morgens frueh so unerfreulich wie am mittleren Nachmittag. Zumal, wenn die Anreise in Verkehrmitteln stattfindet, die mit Anzugtraegern ueberfuellt sind, die alle nach aehnlichen Aftershaves riechen. Seit vorletzter Woche Donnerstag weiss ich, dass Leander Hausmann meine Abneigung gegen diese Spezies ebenso teilt wie die gegen die Innenausstattung der 1. Klasse in den neuen ICCs.
Dass er an Kopfschmerz und leicht saurem Magen laborierte, bedurfte keines erlaeuternden Wortes. Seine koerperliche Verfassung war mir in dem Moment klar, als ich mich endlich in den Sitz am Tisch des Rauchergrossraumwagens gefriemelt hatte, Haussmann gegenueber seine riesige, an den breiten Buegeln mit goldenen Applikationen verzierte Sonnenbrille abnahm und ein wenig Mundgeruch herueberwehte.
Offenbar haben die Designer der Bahn die Arbeitsplaetze im ICC fuer Pygmaen mit PDAs gestaltet. Selbst bei beiderseits ausgeklappter Tischflaeche ist es nicht moeglich, einen Notebook (meins), ein A4 Notizbuch (Haussmanns), ein paar Papiere (beide) und Getraenkehaeltnisse, Gala, Bunte & Stern (2 Anzugtraeger) so zwanglos zu platzieren, dass man sich nicht pausenlos in die Quere kommt und/oder bekleckert.
Nun hat Herr Haussmann recht lange Beine und Arme, und dazwischen einen Leib, der auch nicht eben zierlich ist. Ihm war nicht wohl zwischen den nicht selbstgewaehlten Mitreisenden. Das zeigten die leicht angeekelten Blicke, mit denen er die meistenteils maennlichen Menschen musterte, sowie sein angestrengtes Bemuehen, Koeperkontakt zu vermeiden. Seine Sitzposition wechselte er etwa im Minutentakt. Mal versuchte er, seine Knie unter die Tischklappenkante zu klemmen, dann wieder seitwaerts uebereinander zu schlagen oder dezent an den Beinen des Gegenuebers vorbei unter dem Tisch auszustrecken. Mal sass er gerade, dann wieder schraeg zur Seite oder mit dem gesamten Oberkoerper ueber den Tisch gelehnt.
Herr Haussmann litt auf der ICC-Fahrt zwischen Berlin und Muenchen, erst still und dann vernehmlich. "Herrje, die Bahn wird auch immer unbequemer, und unangenehmer auch" meinte er schliesslich mit verraucht-versoffenem Timbre und leichtem Berliner (?) Akzent. Nicht notwendig zu mir, eher so in die anthrazitfarbene Maennermenge gesprochen, aber mein offenbar verstaendnissinniges Grinsen nahm er dankbar auf. Beim Weiterfahren, Winden in den engen Sitzen und Beobachten des Anzugtraegertreibens laechelten wir dann immer mal wieder an. Leider stieg er schon in Leipzig aus. Das fand ich schade, denn laecheln kann er seeeehr liebenswuerdig, der Leander. Selbst verkatert.
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