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Thema: Rütting, Barbara (friedensbewegt)

  1. #1
    Member Avatar von julia mantel
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    barbara rütting, friedensbewegt

    die achtziger: ein kalter, rauher wind weht zwischen ost und west,
    breschniew und reagan stehen sich mit ihren ss 20 und pershing 2 und unsäglichen feindbildern gegenüber. menschen, die mit diesem klima nicht einverstanden sind, gehen auf die straße und marschieren oder bilden menschenketten. meine mutter trägt zu dieser zeit lila latzhosen, mein vater kleidet sich in selbstgestrickten schurwollenen pullovern.alle tragen birkenstockschuhe.wenn wir nicht gerade mit diesen mitmaschieren, hocken wir auf unseren lammfellen vor dem kamin in unserem haus und singen pazifistische lieder.zu essen gibt es müsli, rohkostplatten und körnerauflauf mit tofu. noch so ein relikt aus dieser zeit, an das ich mich erinnere: buttons und aufkleber: eine friedenstaube auf dem auto, ein anti-atomkraft-button auf der jutetasche.
    man kann wählen zwischen softies und machos in diesem außenpolitisch kalten jahrzehnt und vor allem enstehen "beziehungskisten". bei uns wird permanent diskutiert und politisiert. nachts liege ich wach in meinem dachgeschoßzimmer und habe angst vor einem atomaren weltkrieg, plane heimlich mit meiner besten freundin nach australien auszuwandern, während ich die hiroshima-bilder vor mir sehe.
    nun gut. wo geht der urlaub hin? nachdem wir jahrelang in die bretagne gefahren sind mit unserem familienbus, darin hannes wader gehört haben bis zum verrecken oder livemitschnitte von irgendwelchen kundgebungen, meine mutter die nackten füße an der autoscheibe rieb, ihre hand aus dem fenster in die sonne räkelte, und wir dort in frankreich mit unseren französischen freunden buttons und aufkleber getauscht hatten, bei ihnen hieß es nämlich "touche pas mon pote", mach meinen kumpel nicht an, was in der praxis so aussah, daß ich meinen ausländischen mitschülern kostenlos deutschnachhilfe geben mußte... also, engagement bis zum anschlag.
    naja, ein ander mal fuhren wir dann ins salzkammergut nach österreich um uns von den freizeitpolitischen aktivitäten auszuruhen bzw. uns dort dafür neue inspirationen zu holen. wir wohnten in einem schloß mit einem integrierten kinderweltmuseum, die leiterin davon hochgebildet und im dirndl und ebenso öko wie meine eltern. wir machten unter anderem von dort aus einen ausflug nach kärnten in ein kommunistische kommune namens "longo mai", die lebten da ganz autonom mit selbstgehälkeltem jeglicher art.
    eines tages rief meine engagierte mutter ihre guru-köchin barbara rütting an, durch sie hatte sie die vollkornküche entdeckt und sie hatte sich nicht unweit von unserem alternativen schloß niedergelassen. barbara rütting hatte nichts gegen unseren besuch und so kam es, daß wir mit kind und kegel eines nachmittags bei ihr anrollten. wir brachten ihr selbstgemachtes brot mit.
    barbara rütting, die ex-schauspielerin und nun gnadenlose verfechterin einer ökologischen küche und autorin einiger vollwertbücher empfing uns grauhaarig, aber herzlich und kerngesund. sie zeigte uns ihre katzen, mit denen meine schwester alsbald spielte, zeigte uns ihren gemüsegarten, ihren mann und ihre getrennte müllsammlung inklusive des komposthaufens.
    meine eltern waren überglücklich auf eine gleichgesinnte in der österreichischen pampa zu treffen.

    ps:
    wieso mir diese uralte promi-geschichte überhaupt wieder eingefallen ist, liegt nur daran, daß ich barbara rütting neulich nämlich neben alexa von der henning lange in einer talkshow gesehen habe, die mich zu dieser "girlie"-geschichte animiert hatte. so kommt eins zum anderen.
    jmantel

  2. #2
    Moderator Avatar von DonDahlmann
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    Wow - nach den Jugenderlebnissen verstehe ich jetzt so einiges.

    Dummerweise brachte diese verzügliche Beschreibung eines Öko-Lebens die längst vergrabene gedachte Erinnerung in mir auf, wie ich wochenlang neben einer Dame meines Herzens liege. Doch statt Annäherung gabs nur Walgesänge vom Band. Schreckliche Zeit war das.

  3. #3
    Avatar von Die Wucht
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    Mantel, Julia.

    Es ist wieder soweit.

  4. #4
    Moderater Avatar von Murmel
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    Hey, Wucht:


  5. #5
    Avatar von Die Wucht
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    Hey Murmel!

    Pass auf, ich habe auch einen Kumpel.

  6. #6
    Embedded Senator Avatar von DerCaptain
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    Hahahahahaha!

    Digital Immigrant

  7. #7
    Member Avatar von Sabeta
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    wieso, was habt ihr denn? ist doch eine ganz okaye geschichte mit kleinen hübschen schnörkeln.

  8. #8
    Member Avatar von julia mantel
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    die sonne scheint mir auf den bauch...bin gerade auf gran canaria und wir fahren jetzt zum strand...internet ist hier so teuer: amüsiert euch ohne mich.
    kommt vielleicht noch einer hier aus so einer öko-familie? erfahrungsberichte, bitte!
    jmantel

  9. #9
    Member Avatar von Zerebrum
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    Nein, eigentlich nicht. Nach dem Lesen dieser Geschichte, die mir übrigens in ihrer Erzählform gefällt, habe ich richtig Atemnot bekommen, mein Telefon umgestellt und ein bis zwei Bleistifte zerbrochen. Danach ging es wieder etwas besser.

    Manchmal bin ich froh aus einer Familie zu kommen, in der Vati immer CDU gewählt hat, weil er mal den FJ-Strauß kennen lernen durfte. Seltene Erinnerung zwar, aber doch. Dies ist so ein Moment.
    Ich mußte sie in Mehl rollen, um die feuchte Stelle zu finden.



  10. #10
    Large Member Avatar von vir
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    Die sattsam bekannten Stereotypen die hier abgezählt werden, gehören zu den siebziger Jahren. Und die waren spätestens nach der Monsterdemo in Bonn im Herbst '81 (Harry Belafonte featuring Coretta King) zuende. Gleichzeitig begannen mit 'Don't you want me baby?' die Achtizger.

    Ein guter Satz, immerhin:

    mit unserem familienbus, darin hannes wader gehört haben bis zum verrecken
    Und noch ein Tip, Mantel (Gogol): Mit den Tasten in der zweituntersten Reihe wo so ein Pfeil nach oben zeigt, kann man Grossbuchstaben machen.

  11. #11
    Member Avatar von julia mantel
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    das mit den siebzigern stimmt nicht wirklich.
    die friedensbewegung ist ein kind der achtziger jahre, zugegebenermaßen der frühen. und in der provinz, aus der ich komme, geschieht alles noch etwas langsamer. die grünen gibt´s ja auch erst seit den achtzigern, davor war alles "raf".
    jmantel

  12. #12
    Moderater Avatar von Murmel
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    Und da hat die Julia recht. Friedensbewegung is voll 80er. 70er war mehr Anti-AKW, Brokdorf und Wackersdorf.

    Nur Breschnew starb schon Anfang der 80er und Reagan hatte mehr mit seinem Erbe zu kämpfen, soweit ich weiß. Aber kommt es darauf an? Eben. Ich mag unseren neuen Mantel.

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