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Thema: Ustinov, Peter und die Groupies

  1. #25
    Moderator Avatar von rron
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    Was haben wir nur all die Jahre ohne Sie gemacht?

  2. #26
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    Als vorgestern im Radio die Meldung kam, Peter Ustinov sei in der Nacht verstorben, sagte meine Mutter voller Trauer und wohl auch ein wenig verärgert „Hätte er nicht mit mir noch unseren 83. Geburtstag feiern können?“

    Ich erinnere mich an den Tag als wir Ustinov begegneten. Es war der 16. November 1996. Er war in Wien. Er trat mit seiner „One Man Show“ auf. Ich fand ihn beeindruckend. Alleine stand er auf der Bühne und strahlte eine unwahrscheinliche Energie und Lebensfreude aus. Obwohl schon sichtlich angestrengt – immerhin war er damals schon 75 – schaffte er es scheinbar mühelos, sein Publikum zwei Stunden lang in seinen Bann zu ziehen. Er sang und redete, er schnaufte und verrenkte sich - besonders in Erinnerung habe ich ihn als „Salamander“, den er angeblich in seiner Zeit als Schauspielschüler gab, „weil ich mich noch nie gerne allzu viel bewegt habe – und nicht verstehen konnte, dass eine Kollegin einen Springbock spielen wollte! Als Salamander muss man gar nicht viel tun. Man liegt den ganzen Tag in der Sonne und macht ab und zu so:“ Und dann züngelte er und man sah das Tier vor sich. Fassungslos war ich über so viel Ausdruckskraft. Und wir haben zwei in höchstem Maße unterhaltsame Stunden erlebt.

    Meine Mutter bewunderte Ustinov schon lange, hatte ihn in „Quo vadis“ gesehen und in vielen anderen Rollen. Eines Tages aber erfuhr sie, vermutlich beim Friseur und vermutlich aus der Regenbogenpresse, etwas über ihn, was in ihr zusätzlich ein Gefühl der tiefen Verbundenheit mit Sir Peter entstehen ließ. Sie hatte eine Gemeinsamkeit mit ihm, aus der sie eine Nähe zu ihm ableitete – die es ja tatsächlich nicht gab. Das aber störte meine Mutter nicht im Geringsten. Wann immer sie seit damals von ihm etwas hörte oder las, informierte sie uns davon – „Der Ustinov war gestern wieder im Fernsehen!“ und sonnte sich in der Gewissheit, dass sie irgendwie aus dem gleichen Holz geschnitzt seien.

    An jenem 16. November 1996 also kam sie eigens angereist aus dem Westen, ich hatte sie eingeladen zu der One Man Show. Und nicht nur das. Sie sollte ihrem großen Sir Peter auch begegnen.

    Mutter war aufgeregt wie ein junges Mädchen vor dem ersten Rendezvous. Sie versuchte es zu verbergen – aber es war unübersehbar. Ich hatte sie am Abend vorher vom Bahnhof abgeholt. Zu Mittag oder war’s am frühen Nachmittag, so genau weiß ich das nicht mehr, machten wir uns auf den Weg in den 9. Bezirk. In der Buchhandlung „Leporello“ signierte der Künstler Bücher. Wir waren pünktlich – und doch stand da schon eine Schlange, in die wir uns einreihten, nachdem wir Ustinov-Bücher gekauft hatten. Sie „Ich und ich“, ich nicht „Ich und ich“, sondern „Baumeister des Friedens. Gespräche mit Jitzhak Rabin, Schimon Peres, Jassir Arafat und Hanan Aschrawi.“

    Geduldig warteten wir. Peter Ustinov saß rechts hinten, umgeben von Bücherregalen und CDs, wie es halt so ist im „Leporello“. Er wirkte im ersten Augenblick klein und zerbrechlich auf mich, was natürlich Unsinn ist, weil er ja eher umfangreich und sehr präsent war. Aber ich glaube, groß war er wirklich nicht. Geduldig signierte er alle Bücher, die ihm unter die Nase gehalten wurden. Direkt vor uns stand einer in der Schlange, der mir bald ziemlich auf die Nerven ging. Der Bücherstapel, den er vor sich hertrug, ließ Schlimmes ahnen. Ich sollte mich nicht täuschen. Als er endlich vor Sir Peter stand, begann das Warten so richtig.

    „So, das bitte für Andrea!“ „Für Andrea, ja, gerne“
    „Und hier ein Autogramm für Renate“ „Wie bitte?“
    Er hört schlecht, dachte ich. Er ist 75. Da darf man auch schlecht hören, dachte ich.
    „Für R-e-n-a-t-e, bitte“ sagte unser Vordermann und Ustinov wiederholte „Ah ja, für Renate, was für ein schöner Name – die Wiedergeborene!“
    „Und hier, das ist „herzlichst für Tante Olga“ „Herzlichst für Tante Olga, ja, gerne“
    Geduldig signierte er Buch um Buch, genau wie es ihm angesagt wurde.
    Ich konnte es nicht fassen. Meine Mutter neben mir verdrehte die Augen, kramte aber gleichzeitig aufgeregt in ihrer Handtasche. Ich registrierte es aus dem Augenwinkel. Was hat sie bloß vor?

    Die beiden Herren vor uns arbeiteten sich akribisch Stück für Stück durch den Stapel.
    Christine und Tante Marie waren in der Zwischendreit dran und mir fiel auf, dass er wirklich nur für Frauen sammelte. Offensichtlich beabsichtigte er, die gesamte Verwandtschaft und seinen weiblichen Freundeskreis mit Ustinov- Autogramm-bereicherter-Literatur zu beglücken.

    Zuguterletzt hatten sie es geschafft. Das letzte Buch. Der Herr ging weiter. Wir waren dran.

    Meine Mutter vor mir. Sie hatte das Buch aufgeschlagen und ihren Reisepass geöffnet hineingelegt. „Herr Ustinov“ sagte sie „ich freue mich so, dass wir uns einmal begegnen.“ Sir Peter blickte zuerst verwirrt auf den Pass, dann auf sie. „Sie wollen eine Reise machen?“ sagte er. Meine Mutter, aufgeregt wie sie war – und schwerhörig, wie sie es damals auch schon war – überhörte diese Bemerkung und sagte „Herr Ustinov, wissen Sie, wir haben nämlich etwas gemeinsam. Schauen Sie mal.“ Und dann hielt sie ihm den Pass so unter die Nase und zeigte mit dem Finger so deutlich auf ihr Geburtsdatum, dass er wirklich nicht mehr anders konnte.

    Mir war die Szene ehrlichgesagt ein wenig unangenehm.

    Zuerst dieser Fan mit dem Bücherstapel, und dann meine Mutter. Ich schämte mich ein wenig.

    Ustinov aber schien das, als er erst erkannt hatte, was diese fremde Frau ihm sagen will, ganz amüsant zu finden und wurde noch freundlicher als er es eh schon war. „Oh, ja – wir sind ja am selben Tag geboren und im selben Jahr - da sind wir also praktisch Kollegen, nicht wahr?!“ Meine Mutter war natürlich gerührt. Und bei mir war das Gefühl der Peinlichkeit schlagartig verflogen. Stattdessen machte sich eine tiefes Glücksgefühl in mir breit. Vielleicht, weil meine Mutter in diesem Moment so glücklich wirkte, vielleicht aber auch, weil er ihr und dann mir das Gefühl vermittelte, ganz in Ordnung zu sein so wie ich bin. Das klingt ein wenig seltsam, aber so war es.

    Nachdem er ihr eine Widmung ins Buch geschrieben hatte „Für meine liebe Kollegin herzlich Peter Ustinov“ sagte ich „Ich habe nicht mit Ihnen Geburtstag, Herr Ustinov.“ Er lächelte, „nein, das sieht man wirklich.“ „Aber ich bin die Tochter.“ „Oh, die Tochter, wie nett, wie heißen Sie?“ Ich sagte ihm meinen Vornamen. „Wie alt sind Sie senn?“ Ich sagte ihm mein Alter. „Ich habe auch eine Tochter, im gleichen Alter. Das ist ein gutes Alter“ Ja, sagte ich, und hatte das Gefühl, ja, das ist wirklich das allerbeste Alter. „Möchten Sie auch ein Autogramm?“ „Ja, bitte“ und hielt ihm das Taschenbuch hin, das ich soeben erstanden hatte. Er nahm’s, sagte „Ah, Sie interessieren Sich für Politik. Ja, das ist gut. Der Frieden im Nahen Osten war in so greifbarer Nähe.“ Bedauernd sagte er das. Und dann bekam ich die Widmung. Das Buch habe ich gut aufbewahrt.

    Ich finde er war ein ganz Großer. Und irgendwie hatte er auch Ähnlichkeit mit meiner Mutter. In gewisser Hinsicht.

  3. #27
    Member Avatar von Stahnkes Darm
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    Was für eine schöne Geschichte!

  4. #28
    Avatar von Aporie
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    Schon klar, das mit dem Zuckertütenaphorismus. Aber
    Peter Ustinow konnte ich auch für das schlechteste Bonmot nie böse sein. Er hat diese beiden guten Geschichten verdient.

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