Vor ein paar Jahren, ich weiss nicht mehr genau ob ich schon studiert habe oder noch Zivi war, fragte mich ein Freund ob ich nicht Lust hätte für ein paar Mark bei einem Umzug zu helfen. Zwar brauchen Zivis oder Studenten, wie gesagt ich weiss nicht mehr genau wann das war, ständig Geld aber trotzdem hat niemand Lust für ein paar Mark bei einem Umzug zu helfen. Umzüge sind nämlich einfach nur anstrengend und nervig. Wie sich aber herausstellte sollte es kein ganzer Umzug sein, sondern nur ein paar Musikinstrumente von A nach B geschafft werden. Na ja, da kann man sich für ein paar Mark wohl bequemen zu helfen, vor allem wenn es sich um die Instrumente des Schauspielers Ben Becker handelt, wie mir mein Freund eröffnete.
So saß ich also ein paar Tage später auf dem Beifahrersitz eines VW-Bus und fuhr zur Wohnung von Ben Becker. Sagte ich Wohnung? Was ich später sah war auf jeden Fall mehr als Wohnung, oder zumindest viel größer. Irgendwo in der nähe des S-Bahnhofs Jannowitzbrücke parkten wir auf dem Hinterhof eines alten Industriegebäudes. Dort warteten zwei Herren, der eine sehr beleibt, der andere im Anzug. Es war klar das die beiden nicht gekommen waren um beim tragen zu helfen. Vielmehr waren das so die Art von Managertypen, die hilflosen Promis beim erledigen ihrer Alltagsaufgaben helfen müssen. Wie eben besagten Transport von Musikinstrumenten.
Es war, glaube ich, ein Sonntag und so gegen 12 Uhr Mittags als wir eines der Treppenhäuser nach oben stiegen. Treppenhaus und Gebäude selbst waren sehr baufällig, Ost-Berlin eben wenige Jahre nach Mauerfall. Im obersten Stockwerk angekommen klingelte der dicke und klopfte vorsichtig an der Tür. Als sich hinter der dicken Stahlblechtür nichts tat wurde die Prozedur mehrmals Wiederholt. Ohne Erfolg. Darauf zückte der Anzugträger ein knüppeldickes Handy, die Dinger waren damals noch eher selten und eben groß, und tippte erfolglos eine Nummer in den Apparat. Nach einer halben Stunde wehementen Klopfens öffnete schließlich ein unrasierter Typ in Unterhose und T-Shirt die Tür. Es war Ben Becker.
Herr Becker wirkte unausgeschlafen und verkatert und begrüßte uns zerstreut, was sich in etwa so anhörte: "Äähh....ach ja....Hallo. Wegen dem Equipment und so....Kommt doch erst mal rein." Ob er mir dabei die Hand gab weiss ich nicht mehr, ist aber auch nicht so wichtig, denn der Becker wirkte sehr normal und auf jeden Fall nicht Promi-mäßig von oben herab. Wie Menschen eben sind, wenn verkatert und unausgeschlafen.
So kam es also, dass ich die Wohnung des Herrn Becker betrat. Wie vorher schon erwähnt war es mehr als eine Wohnung, sondern ein Loft, wie man neudeutsch zu Fabriketage sagt. Den Bereich den ich einsehen konnte war eine Mischung aus Küche und Übungsraum. Das es eine Küche war merkte man weil Kühlschrank, Kaffeemaschine etc. da rumstanden (zum Kühlschrank später noch ein wenig mehr). Der Übungsraumeindruck entstand dadurch, dass das zu transportierende Equipment (Instrumente, Verstärker, Mischpult etc.) aufgebaut war. Da meine Begleiter wenig zielstrebig waren was den Transport anging stand ich dort beim Eingang so rum und ließ meinen Blick schweifen. Küche/Übungsraum waren ca. 150qm groß, nur das Mischpult war in einer Nische durch Rigips und Plexiglas abgeteilt. Dieser eine Raum war also groß genug um eine stattliche Berliner Altbauwohnung darin abzustellen. Am hinteren Ende des Raumes konnte Man sehen das es um die Ecke ging, in den Seitenflügel des Gebäudes. Ich stand nach wie vor unbeachtet im Eingangsbereich herum und hätte, ohne das es aufgefallen wäre, mich ein wenig genauer Umsehen können, tat das aber nicht, ich wollte nicht noch tiefer in die Privatsphäre von Herrn Becker eindringen.
Irgendwann tauchte aus dem hinteren Bereich des Lofts, vielleicht aus dem 100 qm Schlafzimmer, eine junge Frau auf. Auch sie war in T-Shirt und Unterhose gewandet, wobei ihr Shirt einige Nummern zu groß war. Wenig erotisch also und man konnte, im Gegensatz zu Herrn Becker dessen T-Shirt körperbetont war, nicht erkennen ob sie, wie er, einen kleinen Bierbauch vor sich hertrug. Es könnte vermutet werden das es sich um die Freundin oder Gespielin des Herrn Becker handelte, ich habe aber nicht gefragt, also alles nur Spekulation.
Nun zum Kühlschrank. Das Gerät war groß, aus Edelstahl, matt gebürstet; also dass was heute jeder angehende Art-Director oder Innenarchitekt in der Küche zu stehen hat. Damals hat es mich noch beeindruckt. Sicherlich ist die Beschreibung des Kühlschranks für den geneigten Leser nicht wirklich interessant, was darauf stand jedoch umso mehr. Wie hingerotzt stand da die goldene Kamera, ich glaube einer der bedeutenden deutschen Filmpreise. Der Herr Becker gewinnt also, wofür auch immer, die goldene Kamera. Und was macht er damit? Stellt das Ding einfach auf den Kühlschrank! Auf meinem Kühlschrank stehen nur Brotkasten, Kaffe und Teebeutel, aber das interessiert zum Glück niemanden.
Mehr kann ich heute dazu nicht mehr sagen, ist ja auch schon ein paar Jahre her. Jedenfalls war der Becker soweit nett und normal, also nicht unbedingt das Riesenarschloch als das er öfter beschrieben wird. Wir haben seinen Musikkram dann ein Stockwerk tiefer gebracht, beförderten es durch eine dort ansässige Computerfirma und brachten das Zeug dann mittels Lastenaufzug auf den Hof. Abgeliefert haben wir das dann in einem Studio in der nähe des Potsdamer Platzes. Dieser war damals noch eine riesige Baustelle und es war nicht abzusehen, dass man dort heute T-Shirts und Unterhosen kaufen kann.
Lesezeichen