Neulich musste ich zu Helmut Kohl. Das an sich ist nicht forumswürdig, da ich ihn ja nicht zufällig, sondern in voller Erwerbsabsicht aufsuchte. Aber dann...
von vorne: Kohl hat schlechte Laune, aber ich muss ihn trotzdem zur Geschichte der europäischen Währungsunion befragen. Ich will ihn fotografieren. "Nein, sitzend sieht das bei mir ganz furchtbar aus. Hier und jetzt stehend!" herrscht er mich an. Nach zwei Bildern ist Schluss "Jetzt fangen wir mit dem Interview an". Er ist unfassbar authoritär. Ich lasse die Kamera sinken und stelle mein Diktiergerät ein. "Unprofessionell" donnert es auf pfälzisch. Altkanzler dürfen offensichtlich erwarten, dass Printjournalisten ein komplettes Tonstudio mitbringen. Nun denn, nach ein bisschen Smalltalk und gezielten Schmeicheleien ("Ihre Stimme trägt so gut, da muss ich Ihnen mit dem Gerät gar nicht auf den Leib rücken") taut er auf und lässt zuweilen sogar Charme durchblitzen. Zwei Referenten schreiben eifrig jedes Wort ihres Meisters mit.
Derart zusammengefaltet wird mir nach nach 70 der geplanten 90 Minuten ebenso plötzlich das Ende beschieden wie nach den Fotos. Beim Abmarsch durch das Vorzimmer sehe ich Juliane Weber. Sie tut dreierlei gleichzeitig: Sie telefoniert, sie raucht und sie schenkt mir ein Lächeln. Aber was für eins. Es dauerte vielleicht 1,5 Sekunden, aber sie hat mich damit völlig eingwickelt. Ich vermute gar, dass es dieses charmante Lächeln war, das sie frustrierten und zusammengefalteten Rückkehrern aus Helmuts Büro schenkt, weswegen es in 16 Jahren Kanzlerschaft nie zu einem ernsthaften Putsch oder Attentat kam.
Juliane rules!
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