Welches ungnaedige Schicksal G. Kaminski, den sie Speckmann nannten, von Berlin ins Ruhrgebiet verschlagen hatte, weiss ich bis heute nicht. Jedenfalls rankten sich duestere und romantische Legenden um den Mann, der das Kneipenwesen der Stadt revolutionieren sollte. Sein erster Laden (eine vormalige Jazzkneipe namens ãSpektrumä am abgelegenen Nordring) wurde Ende der 70er/Anfang der 80er Jahre trotz Standortnachteil rasch zum Magneten fuer selbsternannte Advantgardisten bzw. leicht schmierige Kreative jedweder Couleur. Teenies wie U., E. und mich duldete man dort wegen Niedlichkeit. Das sahen wir damals natuerlich ganz anders. Wir fuehlten, nein wussten, dass kein Leben stattfindet, wenn wir nicht dort sind, und dachten uns fuer die Eltern allabendich neue Ausreden aus, um zu ãSpeckmannä gehen zu koennen.
Galt es doch, dieselbe stickige Luft zu atmen wie unsere Helden, z.B. Ralf Richter und dessen Bruder Frank (alias FM Einheit v. Einstuerzende Neubauten), Uwe Fellensiek (ex-Kowalskis Saenger, jetzt Kommissardarsteller im Privatfernsehen) und Claude-Oliver Rudolph. Oder mein superheimlicher Schwarm Fana, ein bleicher Maler mit ueblen Stimmungsschwankungen, aber vermutungsweise weicher, schoener Seele, die ich leider nie entdecken konnte, weil er starb, bevor ich die richtige Alterklasse fuer ihn erreichte. Ob Richie Mueller und Peter Lohmeyer damals schon dabei waeren, oder erst spaeter im ãSachsä, ãLogoä und ãIntershopä, wuerde ich jetzt nicht beschwoeren wollen.
Auch egal, denn diese Jungs guckten uns damals sowieso nur an, wenn sie aeltere Maedels eifersuechtig machen, oder Zigaretten und Biere schnorren wollten. Was macht schon der Verlust eines halben Wochentaschengeldes, wenn man dafuer Szenegoettern zumindest minutenweise tief und direkt in die Augen schauen darf? Eben! Die meiste Zeit der Abende verbrachten wir also damit, Poolbillard zu spielen, bemueht laessig an oder unweit der Theke zu stehen und vernehmbar jeden Anwesenden rotzfrech zu kommentieren. Oder wir warteten einfach auf die naechste Schlaegerei.
Speckmann und seine schauspielerisch oder sonstwie kuenstlerisch ambitionierten Stammgaeste beherrschten neben dem beliebten Sport des Kampftrinkens naemlich auch allerlei asiatische Verteidigungs- und Angriffstechniken. Die brachten sie zeitweise bei Zechstreitereien ebenso gerne zum Einsatz wie bei Diskussionen untereinander. Oder um ahnungslos den Laden ansteuernde Normalmaenner auszubluffen. Das Vorspiel zu solchen Kampfkunstvorfuehrungen war denkbar einfach: Vor der Tuer haelt ein zeitgenoessischer Opel oder Ford. Maenner mit unszenigen Lederjacken und Haarschnitten steigen aus. Ralf Richter oder einer der anderen, ausserhalb der Stadtgrenzen noch nicht bekannnten Jungs baut sich breit im Kneipeneingang auf und raunzt: ãHoemma Alter, bevor Du einen Schritt hiierrein sezzt, stellze erstmal Deine Scheisskarre woanders hinä -- ãWieso datt denn? Steht doch nix von Priwatpaakplatz. Giptet am Nordring doch ganich, sowatt.ä -- ãSach mal, willze Aerger? Du paaks jezz mal sofort Deine Prolkutsche um, sonst lernze mich kennen, aba gruendlich·ä Solche Ansprache liess sich der durchschnittliche Bochumer Jungmann seinerzeit noch nicht nicht gefallen, und zwei, Gewaltandrohungsaetze sowie ein unweigerlich gezischtes ãPack mich nich an, Alterä spaeter war dann die schoenste drittklassige Bruce Lee-Imitationsspringerei im Gange. Die war meist nach 3 Minuten vorbei und oft genug bekamen die unfreiwilligen Sparringspartner dann ein paar Pils umsonst vorgesetzt. Dass Claude Oliver Rudolph seine Narben von einer Schlaegerei am Nordring zurueckbehalten hat, scheint allerdings eine PR-Luege zu sein.
Lesezeichen